Massiver Aufschwung

Massivbau
21.08.2017

Die Massivbauindustrie sieht sich gut im Geschäft, wenngleich die Sanierungen stocken. Brandschutz sei nur in Zusammenhang mit Dämmsystemen zu diskutieren. Eine Rundschau.

Dem Massivbau und seinen Zulieferbetrieben geht’s blendend, wenn man so in die Unternehmen reinhört. „Die Auslastung ist gut“, bestätigt Andreas Pfeiler, Geschäftsführer von Bau!Massiv. Vor allem in urbanen Bereichen sei die Dynamik spürbar, wohingegen „der dezentrale Bereich etwas hinterherhinkt“. Damit stelle sich eine wichtige Aufgabe der nächsten Jahre: „Das Aushöhlen regionaler Strukturen darf nicht zu einer Nebenerscheinung unserer Wohnbaupolitik werden“, so Pfeiler.

Damit der Höhenflug andauere, wären „moderne Arbeitszeitmodelle“ gefragt. Die hätten sich, wie Industriellenvereinigung und Wirtschaftskammer aktuell betonen, Arbeitgeber im Tausch gegen den jüngst fixierten gesetzlichen Mindestlohn gewünscht. Wobei der, auch da spiegelt Pfeilers Darstellung die Branche, im Bau längst umgesetzt sei. Der Kritik der Gewerkschaft an der Arbeitszeitflexibilisierung hält er entgegen: „Niemand will unseren Beschäftigten einen regelmäßigen Zwölf-Stunden-Tag aufs Auge drücken, schon gar nicht ohne entsprechende Zuschläge. Aber es muss möglich sein, bei Produktionsspitzen – oftmals sehr kurzfristig und nicht kalkulierbar – die europäischen Rahmenvorgaben auszureizen.“

Es dürfte ohnehin nicht im Sinn der Firmen sein, ihre Dienstnehmer zu vergraulen: In Zeiten sinkender Arbeitslosigkeit – und also steigendem Bedarf an Arbeitskräften – stehen diese etwas weniger unter Druck; zugleich mangle es vielfach an Facharbeitern, wie etwa Bernd Walter, Marketingleiter bei Lieb Bau, bestätigt. Gerade auch deshalb, weil sich „Aufgaben der Haustechnik und des klassischen Hochbaus“ einander laufend annähern – „und zum Beispiel im Rahmen der Bauteilaktivierung noch stärker werden“ –, ginge mit den erhöhten technischen Anforderungen an das Personal ein Fachkräfte-Engpass einher. „Dem ist nur schwer Herr zu werden.“ Walter übt Kritik an Bauunternehmungen, die das niedrige Preisniveau anprangern. Man habe „offensichtlich verlernt, auf natürliche Preisanpassungen, ausgelöst durch Angebot und Nachfrage, zu reagieren“.

Aber natürlich mache „die Verdrängung heimischer Arbeitskräfte und ausführender Unternehmen“, vor allem durch osteuropäische Firmen, zu schaffen, „mit ihren durch diverse Umgehungen wesentlich günstigeren Personalkosten“. So entstehe das wirtschaftliche Missverhältnis am Markt, und im Zuge dessen könnten ordentliche Unternehmer „nur sehr schwer positive Baustellenabschlüsse erzielen“. Die Politik müsse „wieder Waffengleichheit zwischen unserem Stammpersonal und Fremdvergaben herstellen“.

Fachkräftemangel als Langzeitproblem

Der Trend zum massiven Baustoff werde anhalten, ist Verkaufsleiter Alexander Bauer, Bauhütte Leitl-Werke, sicher: „Vorteile wie Langlebigkeit, Stabilität, flexible Einsatzformen, Schall-, Brand- und Wärmeschutz sowie Schutz vor sommerlicher Überhitzung sprechen klar dafür.“ Der Trend sei aber vor dem Hintergrund zunehmender Automatisierung und Digitalisierung zu sehen, mit der sich Dienstgeber und -nehmer beschäftigen müssen, um nicht hinter den Mitbewerb zurückzufallen. Entsprechend werde es „ohne eigene Ausbildungsmaßnahmen“ noch schwieriger für die Unternehmen, ihren Bedarf an Fachkräften zu bedienen.

„Die Art und Weise, wie heute gebaut wird, beeinflusst die Treibhausgasbilanz auch noch in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts“, gibt Johannes Eder zu Protokoll. Diese Gebäude werden, so der Geschäftsführer vom Ziegelwerk Eder, „frühestens in 30 bis 40 Jahren saniert“. Umso bedeutender sei eine nachhaltige und modernsten energetischen Maßstäben folgende Errichtung. Man dürfe nicht auf Kosten späterer Generationen bauen: „Das Bewusstsein ist da, den Österreichern ist Wohnen sehr wichtig“, und vonseiten der Ziegelindustrie gebe es Lösungen. Etwa mit Mineralwollflocken verfüllte Ziegel, die auch im mehrgeschoßigen Wohnbau eine natürliche, rein mineralische Gebäudehülle ermöglichen: „Ohne zusätzliche Dämmung, mit bestem Wärmeschutz, höchstem Schallkomfort und Brandschutz“, versichert Eder.

Apropos Brandschutz: Die Unternehmer zeigen sich schockiert von der Brandkatastrophe, die am 14. Juni im Londoner Grenfell Tower mindestens 80 Personen das Leben kostete. Wenngleich sich die Umstände und der Zustand der dortigen Bausubstanz nicht auf österreichische Standards umlegen ließen, nehme man den Brandschutz nie auf die leichte Schulter: „Jene, die eine Lockerung der Bestimmungen wollen beziehungsweise sich mit ihrer Forderung nach einer Vergrößerung der Brandabschnitte in der letzten Überarbeitung der OIB-Richtlinie durchgesetzt haben, sollten sich selbst die Frage stellen, ob dies der richtige Schritt war“, meint Bau!Massiv-Geschäftsführer Pfeiler.

In Zukunft werde es sicherlich ein sensibleres Verhalten der Verantwortlichen bei der Materialwahl geben, meint Simon Mühlbacher. Er ist Marketingleiter beim Holz- und Ziegelhausbauunternehmen Wiehag, das bereits zahlreiche Bauwerke auch in London errichtet hat. Speziell Holz, das natürlich gut brennbar ist, werde durch Oberflächenbehandlungen sicher; und es biete zudem „den Vorteil, dass man das Brandverhalten genau berechnen kann“. Bei der Wiehag sei jedenfalls keine besondere Beunruhigung von Kooperations- partnern und Kunden auf der britischen Insel zu spüren. Die Dämmstoffspezialisten von Geolyth sind „bei der mineralischen Dämmung auf dem aufsteigenden Ast“, die Nachfrage nach nichtbrennbaren, ökologischen Materialien werde stärker. Den Wandel von herkömmlichen Dämmmaterialien (EPS, XPS etc.) zu rein mineralischen, nichtbrennbaren Produkten ist für Projektmanager Georg Scharf langfristig richtig und wichtig, „zumal die benötigte Primärenergie unserer Produkte wesentlich geringer ausfällt und die Lebenszyklusphase des künftigen Bauobjekts sich um ein Vielfaches verlängert“. Zusätzlich seien „unsere Produkte, im Gegensatz zu anderen, problemlos zu entsorgen“, sagt Scharf.

„Sondermüllbergen“ vorbeugen

Martin Hirsch, Exportmanager beim Baustoffproduzenten Epasit, setzt noch eines drauf: Der Massivbau müsse mehr auf „nachhaltige und feuerbeständige Dämmung“ setzen, „statt immer neue Sondermüllberge von lobbyistengetriebenen Dämmlösungen in den Markt zu drücken“. Produkte, „die hochgiftige Gase abgeben, sollten nicht subventioniert werden“, sondern „schlicht verboten“. Beim Neubau wie bei der Sanierung „sollte der Brandschutz im Vordergrund stehen und nicht durch die billigstmögliche Lösung abgedeckt werden“, so Hirsch. Die Fensterindustrie müsse „endlich hitzebeständige Lösungen entwickeln, denn sobald eine Scheibe platzt, ist die Katastrophe unausweichlich“. Überhaupt versteht er das Massive am Bauen vor allem als das Dauerhafte: „Vorbeugender Bautenschutz gegen Feuchte, Salzbefall und Schimmel ist billiger und effizienter als wiederholte Sanierungen.“

Weniger harsch geht Vertriebsleiter Bernd Hörbiger von Lias Österreich das Thema an: „Der Brandschutz ist in Österreich gut geregelt, benötigt eventuell Feinjustierungen, steht aber auf guten Füßen.“ Dennoch müssten Dämmungen „mehr denn je Schutz und optimale Ergebnisse bieten“. Das Bauwerk an sich wird, so Hörbiger, „immer mehr als wirtschaftliches und leistungsorientiertes System geplant und muss auch diese Anforderungen erfüllen“. Das verlange kostengünstigere und schnellere Systeme, womit die technologische Entwicklung gefordert ist. Mit „Lipor Blähton“, bei 1.200 Grad gebrannten Tonkugeln, hat Lias einen Grundstoff, der vielseitig zu Mauersteinen, Leichtmörtel oder Leichtbeton verarbeitet wird.

Obwohl der Neubaubereich im Jahresvergleich zum ersten Halbjahr 2016 ein Plus von rund fünf Prozent gebracht habe, bereiten Georg Bursik, Geschäftsführer Baumit Wopfinger Baustoffindustrie, die Sanierungen Sorgen: „Der Bereich stottert, hier liegt das Minus zum Vorjahr ebenfalls bei gut fünf Prozent.“ Ein Vorteil des Massivbaus gegenüber anderen Bauformen sei angesichts des Klimawandels und der „Rekordsommer“ bemerkbar: „Er kann durch seine Speicherfähigkeit zum Temperaturausgleich beitragen.“ Allerdings brauche Beton im Innenraum Putz, da die Raumluft für ein „Wohlfühlklima“ stets „eine Feuchteregulierung benötigt“. Neben einem Bürokratieabbau wünscht sich Bursik von der Politik Maßnahmen, um das Wohnen leistbar zu machen: „Den Haushalten wird zu viel Kaufkraft durch teures Wohnen entzogen“, Gemeinden müssten „mehr Bauland anbieten und Gründe umwidmen“. Dem Ansinnen leistbaren Wohnens ist auch die Alkus AG verbunden, die als Schalungsbauer von Vaduz aus „im Vierländereck Liechtenstein, Schweiz, Deutschland und Österreich“ agiert: „Unser Beitrag ist schon heute, einen nachhaltigen Schalbelag zu liefern, der bis zu zehnmal so lange verwendet werden kann wie herkömmliche Schalbeläge“, sagt Geschäftsführer Martin Feurstein, was Zeit und Kosten spare. Der gebürtige Vorarlberger sieht die Politik am Zug, „in Zeiten wiederaufkommenden Protektionismus“ zu garantieren, dass der grenzüberschreitende Handel nicht beeinträchtigt wird.

Förderungen für den Aufschwung

Von seinen Kunden vernehme er, „dass die Auslastung sehr zufriedenstellend ist“, sagt Peter Reischer, Vertriebsleiter beim Bauchemie-Produzenten Murexin, „und das spiegelt sich auch in unseren Zahlen“. Murexin-Produkte „sind stark auf den Massivbau ausgerichtet, und auf ihre Applizierung direkt auf der Baustelle“. Dabei stehen neben effizienter Verarbeitung auch ökologische Komponenten im Interesse des Herstellers. Weshalb Reischer sich wünscht, dass „die Fördertöpfe für Klimaschutz- und Energiesparmaßnahmen mehr geöffnet und Anreize für Investitionen geschaffen“ werden. Die Politik würde sich so das Vertrauen der Bevölkerung sichern, ist er überzeugt. Auf EU-Ebene müsse dafür gekämpft werden, im internationalen Wettbwerb Standortvorteile für Österreich wie für Europa zu sichern, um Unternehmen und ihre Produktion zu halten.

Dass sich der Massivbau auch über Österreichs Grenzen hinaus gut entwickelt, bestätigt neben der liechtensteinischen Alkus AG auch der tschechische Ziegelhersteller Heluz mit Sitz in Dolni Bukovsko. Dessen Expertise liegt u. a. bei Ziegelpassivhäusern ohne zusätzlichen Vollwärmeschutz. „Um die gewünschten Dämm­eigenschaften zu erreichen, ist kein Wärmedämmverbundsystem nötig“, so Vertriebsleiter Vitezslav Toman. Die Bauweise, mit der Heluz 2012 Vorreiter in Tschechien war, sei langfristig vorteilhaft in ökonomischer wie ökologischer Hinsicht. „Einschalige Mauerwerke verbessern die Wohnbehaglichkeit durch Wärme- sowie Feuchteregulierung“, führt Toman aus. Er sehe, dass sich der Trend „langsam auch in Österreich durchsetzt, wo man traditionell das WDVS mit 200 bis 300 mm Styroporfassade mit beschränkter Lebensdauer bevorzugt“.

Das Thema Wärmedämmung werde für private Bauherren wie auch für Bauträger jedenfalls wichtiger, ist Wienerberger-Geschäftsführer Franz Kolnerberger sicher. Das Naturprodukt Ziegel biete „die ideale Voraussetzung für gesundes Bauen und Wohnen und sorgt dank seiner großen wärmespeicherwirksamen Masse für ein ganzjährig behagliches Raumklima“. Im mehrgeschoßigen Objektbau „verhindern Ziegelwände rasches Auskühlen im Winter und schützen vor Überhitzung im Sommer“: eine Art „energiespareffiziente, integrierte Klimaanlage“. Kolnerbergers Geschäftsführungskollege Christian Weinhäupl sieht die Politik gefordert, um die Bauwirtschaft – und damit die Gesellschaft – voranzutreiben: Umwidmungen privater Grundstücke sollten mit einem verpflichtenden Anteil für den sozialen Wohnbau einhergehen. Kostentreiber wie Stellplatz- und Aufzugverpflichtungen wären im Zuge zu lockernder Anforderungen des barrierefreien Wohnens zu hinterfragen. Um die Wettbewerbsfähigkeit der Branche zu gewährleisten, müssten mittelfristig zinsgünstige Finanzierungen durch die Wohnbauinvestionsbank gesichert und Baubewilligungen beschleunigt werden.

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