Soziale Entfaltung

Bauzustand
23.08.2017

Von: Redaktion Architektur & Bau Forum
Wiener Wohnbau-Expertise für Hamburg: BKK-3 bauen einen der ersten geförderten Wohnbauten in der Hamburger Hafencity. Mit einer prägnanten Großform haben die Wiener Architekten dem Wunsch der Bauherren nach einem Haus des sozialen Miteinanders eine Form gegeben, die städtebaulichen und inhaltlichen komplexen Sachverhalte gelöst und zugleich viel Raum zur Entfaltung geschaffen.
Wohnvielfalt am Grasbrookpark
Wohnvielfalt am Grasbrookpark

Bislang wurde in der Hamburger Hafencity vor allem hochpreisiger Wohnbau errichtet. Die vorläufige Spitze des Eisbergs war 2011 mit dem Bezug des Marco Polo Tower erreicht. Die Wohnungen in dem 16-geschoßigen Wohnturm von Behnisch Architekten galten als Hamburgs teuerste Wohnungen (inzwischen dürften die Preise in der Elbphilharmonie dies übertroffen haben). Die Hafencity wurde öffentlich kritisiert nur ein Stadtteil für Juppies und ohne Leben zu sein. Dies alles hatte zu einem Umdenken bei der Stadt geführt. Der Wohnbau am Grasbrookpark ist obwohl noch nicht bezogen ein Zeichen für diesen Gesinnungswandel in der Wohnbaupolitik der Hafencity. Es ist eines der ersten geförderten Wohnhäuser, weitere werden folgen beziehungsweise sind schon in der Planung.

Attraktiver Standort

Den Wohnbau am Grasbrookpark hat das Wiener Architekturbüro BBK-3 entworfen. Auf einem Grundstück von 115 Meter Länge und 33 Meter Breite entsteht ein Wohnkomplex mit 136 Wohnungen. Ein Drittel ist im Eigentum einer Baugruppe, ein knappes Drittel sind preisgedämpfte und geförderte Wohnungen und ein Drittel der Wohnungen werden zu marktüblichen Preisen vermietet. Die Attraktivität und Einzigartigkeit dieses Projektes spiegelt sich in der enormen Nachfrage wider.

Generell ist das Wohnen in der Hafencity attraktiv, die Lage des Wohnbaus am Grasbrookpark ist aber noch attraktiver: Gleich vor der Haustür liegt ein Park mit einem großem Kinderspielplatz und einer U-Bahnstation, Elbe und die Elbphilharmonie sind in Sichtweite. Der Park erstreckt sich über die gesamte Länge des siebengeschoßigen, mit dunklen Klinkern verkleideten Baus. Mit den weißen Balkonen, die sich vom dunklen Hintergrund deutlich abheben, den Einschnitten und Faltungen hat BBK-3 dem Wohnbau eine einprägsame Gestalt gegeben. Alle Herausforderungen, die durch die städtebauliche Situation und die funktionale Durchmischung gegeben waren, löst der Baukörper in Wohlgefallen auf.

Im westlichen Bauteil ist eine Baugruppe untergebracht sowie eine sich über das Erdgeschoß und erste Obergeschoß erstreckende Kindertagesstätte. In den anderen Bauteilen mischen sich geförderte Mietwohnungen (6,30 €/m2 bzw. 8,50 € /m2) mit sogenannten preisgedämpften Mietwohnungen (11,10 €/m2) und Mietwohnungen zu frei verhandelbaren Mietpreisen. Die Mietpreise der geförderten Wohnungen liegen  weit unter den in der Hafencity üblichen Preisen.

Dabei ist das Bauen in der Hafencity generell teuer: der Boden ist kontaminiert und es bedarf immer einer Pfahlgründung oder einer anderen aufwändigen Fundamentierung. Für den Wohnbau am Grasbrookpark hat man 500 Pfähle setzen müssen und konnte sich dank der inzwischen aufgehobenen Stellplatzverordnung, der vor der Tür liegenden U-Bahnhaltestelle und einer Unmenge an Fahrradabstellplätzen auf ein Tiefgeschoß beschränken. Noch tiefer zu bauen wäre weit komplizierter und teurer geworden.

Ein Haus der Wohnvielfalt

Um in der Hafencity ein Grundstück zu bekommen, muss man sich mit einem Konzept bewerben. Die Bietergemeinschaft, bestehend aus der Hamburger Wohnbaugenossenschaft Hansa, der Grundstücksgesellschaft Roggenbuck GbR und der vom Architekten Christian Mörker betreuten Baugruppe, bewarben sich gemeinsam für das Grundstück am Grasbrookpark mit dem Konzept der ‚Wohnvielfalt’. Darin skizzierten sie einen Wohnbau, der unterschiedlich teure Wohnungen vereint und unterschiedliche Bevölkerungsschichten anspricht. Sie wollten damit der monotonen Bevölkerungsstruktur in der Hafencity etwas entgegensetzten. In der Zwischenzeit war die Stadt bei der Vergabe der Grundstücke vom früheren Höchstpreisverfahren abgerückt. Mit dem neu eingeführten Punktesystem, das den Preis mit 30 Prozent berücksichtigt und das Konzept (etwa Sozialwohnungsbau) mit 70 Prozent, konnte die Bietergemeinschaft die Stadt überzeugen und bekam den Zuschlag.

Für einen darauffolgenden zweistufigen Architekturwettbewerb wurden Büros aus Österreich, Holland und Deutschland eingeladen. Dabei konnte das Wiener Architekturbüro BBK-3 mit seiner gefalteten Großform den ersten Platz erlangen, Steidle Architekten aus München kamen auf Platz 2. In einer dritten Phase wurden die beiden erstplatzierten Entwürfe noch einmal genauer unter die Lupe genommen. „Der erste Platz hat uns wegen seiner städtebaulich starken Geste überzeugt, während wir beim Zweitplatzierten, einem deutlich sachlicheren Entwurf, sicher sein konnten, das Projekt ökonomisch umzusetzen“, erklärt Bauherr Christian Roggenbuck den Schritt zu einer weiteren Überarbeitung. Letztendlich überzeugte BBK-3 auch in dieser dritten Phase und ihr Entwurf zeigte sich in den späteren Bearbeitungsphasen als äußerst flexibel und wirtschaftlich.

Wohnen am Grasbrookpark

Inzwischen hat der Entwurf von BBK-3 Gestalt angenommen: Der Rohbau ist fertig, in Kürze sind alle Fassaden verklinkert, das Wärmedämmverbundsystem verputzt und der Innenausbau schreitet weiter voran. Anfang Oktober sollen die ersten Mieter einziehen. Über einem gemeinsamen Sockelgeschoß mit Kindergarten, diversen Einzelhandelsflächen, Anlieferung und Zufahrt zu der Tiefgarage erhebt sich der sechsgeschoßige Wohnbau. Das Herzstück der Anlage aber ist der über dem Erdgeschoß liegende Innenhof, um den sich alle Wohnungen gruppieren. Aufgrund des schmalen Grundstückzuschnitts konnte dieser nur schmal und langgestreckt ausfallen. Ursprünglich war das Grundstück am Grasbrookpark nämlich für einen Büro- oder Gewerbebau dimensioniert und ist daher nur 33 Meter tief. Der Innenhof wirkt dennoch dank der breiten Einschnitte in die beiden Gebäudelängsseiten und des asymmetrischen Raumzuschnitts hell und gut proportioniert. Wirklich beurteilen wird man dies aber erst können, wenn die Fassadengerüste entfernt sind. Zum Park hin öffnet sich der Innenhof mit einem besonders breiten Einschnitt, eine dazu seitlich versetzte Treppe führt von der Straße auf Hofniveau. Der Innenhof soll zum Treffpunkt und Kommunikationsraum für die Hausgemeinschaft werden. Die Kinderkrippe mit ihren Freiflächen, ein Gemeinschaftsraum fürs ganze Haus sowie Ateliers, sollen dafür sorgen, dass der Hof den ganzen Tag über belebt ist.

Überhaupt ist der Umgang mit Freiflächen bei diesem Bauwerk bemerkenswert. Es gibt eine geschickte Abstufung von öffentlichen Freiräumen über halböffentliche hin zu privaten. Da ist zuallererst der Park vor der Haustür zu nennen, der mit seinem großartigen Spielplatz schon jetzt viele Kinder anzieht. Der Innenhof ist zwar für jedermann zugänglich, wird durch seine erhöhte Lage aber eher ein halböffentlicher Raum bleiben. Dann gibt es noch Gemeinschaftsgärten auf dem Dach, die jeweils einem Treppenhaus zugeordnet sind und für die Bewohner neben den privaten Balkonen und Loggien zu einem weiteren geschützten Rückzugs- und Aufenthaltsraum werden können. Die Aussicht von hier oben ist natürlich spektakulär – zumindest vorerst. Die noch freien Baufelder in unmittelbarer Nähe werden auch irgendwann bebaut sein und dann den freien Blick auf die Elbe verstellen.

Der Qualität des Wohnens wird das aber keinen Abbruch tun. Die Idee der Bauherren hier eine bunte Wohngemeinschaft zu schaffen und die Erfahrung von BBK-3, insbesondere von Franz Sumnitsch, im Wiener Wohnbau und im genossenschaftlichen Wohnen haben sich idealerweise getroffen und zu einem spannenden Ergebnis geführt. Bleibt zu hoffen, dass die gemeinschaftlichen Räume so angenommen werden, wie gedacht und hier eine lebendige Hausgemeinschaft entsteht. Dies wäre dann das gelebte Gegenmodell zum exklusiven Hausbesitz im benachbarten Marco Polo Tower.

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Architektur