Tänzerische Skulptur als neue Landmark

Bauzustand
28.05.2018

So bezeichnete die Juryvorsitzende Elke Delugan-Meissl den sich um die eigene Achse drehenden Monolith, der den Stadtraum im UNESCO-Weltkulturerbegebiet Wachau neu choreografiert. Das neue Museum wird ab dem  Frühjahr 2019 termingerecht die Kunstmeile Krems als weitere Attraktion bereichern.
Rohbau der Landesgalerie
Rohbau der Landesgalerie

Die Entscheidung der Kulturverantwortlichen, die bildende Kunst des Landes in Krems zu zentrieren, machte einen Neubau notwendig. Eine Weiterentwicklung und Akzentuierung der bestehenden Kunstmeile Krems, für die dieser Portal- und Verteilfunktionen übernehmen wird, war daher nur logisch. Das Grundstück war vorhanden, wenngleich der Blick zwischen der architektonisch anspruchsvollen Schifffahrtsanlegestelle und dem neuen Standort von einem hässlichen Gewerbebetrieb und einer Tankstelle beleidigt wird. Stein ist Teil der Stadt Krems, 995 erstmals urkundlich erwähnt, zählt es zu den ältesten Städten des Landes, ist Tor zur Wachau und UNESCO Weltkulturerbe. Das erfordert einen sensiblen Umgang mit dem Bestand, und ICOMOS war von Beginn an in den 2014 ausgeschriebenen Wettbewerb eingebunden. In der Ausschreibung war neben 3.250 Quadratmetern Ausstellungsflächen, Depots, Büros und Gastronomie auch die Verortung und Verklammerung mit den umliegenden Häusern, wie dem Karikaturmuseum (Gustav Peichl), der Kunsthalle ­(Adolf ­Krischanitz) sowie den anderen Kunstanbietern auf dem ­Areal – dem Eybl-Gebäude mit der Artothek, der Zen­trale des Architekturnetzwerkes ORTE, dem Forum Frohner, dem Minoritenplatz in Stein und etwas weiter weg mit der Dominikanerkirche in Krems – gewünscht. Um die geforderten Flächen unterzubringen, kamen alle acht vom Preisgericht ausgewählten Bewerber der 2. Stufe zum Ergebnis eher monolithischer Volumen. Die hochkarätige Jury des in Kooperation mit der Kammer ausgelobten Realisierungswettbewerbs wählte einstimmig den Entwurf der Architekten Marte.Marte aus Vorarlberg.

Figura Sepentinata  

Bernhard Marte hat sich, wie er sagt, in der Auseinandersetzung mit dem Thema sehr stark mit dem Ort beschäftigt. Die Möglichkeit, das Museum über einen Steg von der Donau herauf über die beiden Kreisverkehre hinweg zu erschließen, erschien ihm ein für diese Gegend zu urbanes Zeichen. Daher richtete das Architektenduo den Baukörper so aus, dass dieser sich zur Donau hin orientiert und die dort ankommenden Besucher mit einer Art großzügiger Geste empfängt. In einer sensiblen Reaktion auf die Umgebung dreht sich der Monolith, schraubt sich wellenförmig in die Höhe. Dieses Motiv, das wir aus der Kunstgeschichte kennen, die „figura serpentinata“, die manieristische Geste des Bildhauers ­Giovanni ­Bologna, genannt Giambologna (1529–1608), führt den Betrachter um die Figur, hier um die Architektur herum. Die zur Stadt westlich ausgerichtete Erdgeschoßzone windet sich in einer nach oben hin akzentuierten Drehbewegung südlich in Richtung Donau. Laut Bernhard Marte ein Versuch, die Herkunft der durchaus nüchternen Vor­arlberger Formensprache aufzubrechen, ihr ein dynamisches Element hinzuzufügen, wenngleich die gewählte Form, ein gedrehter Würfel, eher einfach erscheint. Durch die Drehung und gleichzeitige Verschlankung nach oben hin entstand im obersten Geschoß eine 110 Quadratmeter große Terrasse mit Blick zur Donau und zum Stift Göttweig. Ein dreieckiges, drei Meter breites Fenster gibt für die Besucher einen spektakulären Blick über die mittelalterliche Altstadt von Stein frei. 

Spannung erhält der Baukörper sowohl durch die Drehung als auch durch die Verjüngung nach oben hin, nämlich von 33 x 33 Metern im Erdgeschoß auf 30 x 30 Meter, also drei Meter weniger im Obergeschoß. Durch die Drehung wird der Bau auch wie ein Passstück in die Umgebung eingefügt. Er weicht vom nebenan liegenden Karikaturmuseum etwas zurück, lässt diesem Raum. Auf der gegenüberliegenden Seite definiert er nicht zufällig die Lotrechte, jene Ecke, an der die ­Steiner Landstraße und die Doktor-Karl-Dorrek-­Straße aufeinandertreffen. 

Material, Fassade, Konstruktion 

Der aus Beton gefertigte Baukörper verzichtet auf Sichtbetonelemente. Sichtbar bleibt dieser ausschließlich in den beiden ineinander verschlungenen Treppenhäusern. Der gesamte Innenbereich wird weiß gestrichen und mit einfachen Holzböden aus acht Millimeter Esche ausgelegt. Die Architekten wählten für die Gebäudehülle 7.200 silbergraue Titan-Zinkschindeln, sowohl aus pragmatischen als auch aus praktischen Gründen. Zink, ein sehr widerstandsfähiges und dauerhaftes Material, wurde aufgrund der guten Verformbarkeit und guten Energiebilanz gewählt. Es setzt Patina an, die wie eine Schutzschicht wirkt und eine wartungsfreie Oberfläche bildet. Angebracht werden die Zinkschindeln in Blöcken jeweils Stockwerk für Stockwerk, von oben beginnend. Die Schindeln sind nicht nur das ideale Material mit der nötigen Dachqualität, sondern denken optisch auch die Ziegelstruktur der Dächer von Stein weiter. Wichtig war den Architekten, dass die Zinkschindel nicht glänzen, weshalb sie vorbehandelt und geätzt wurden. Sie sollen nur sanft seidenmatt schimmern. Die Zinkfassade als alles überspannende Membran verleiht dem Gebäude eine gewisse Leichtigkeit. Der im Moment noch monumentale Eindruck wird sich auch verändern, sobald die Glasbögen im Erdgeschoß fertiggestellt sein werden. Diese sind eine technische Meisterleistung, eine Sonderschalung aus zweifach verkrümmten, sphärischen Scheiben, die – so der Wunsch der Architekten – dem Gebäude eine zusätzliche tänzerische Transparenz und Dynamik sichern werden. Letztlich wird jeder Quadratzentimeter Fassade unterschiedlich konfiguriert sein. Eine konstruktive Herausforderung war die gekrümmte Fläche allemal. Die Kraftableitung erfolgt über die gekrümmten Außenwände, wird gesammelt, gebündelt und über vier Eckpunkte mittels massiven, raumhohen Stützen mit 2,50 x 2,50 Metern Durchmesser im Untergeschoß abgeleitet.

Die Ausstellungsräume

Das Gebäude besteht aus fünf Geschoßen. Einem Untergeschoß, der verglasten Erdgeschoßzone mit Eingangsbereich, Shop, Gastronomie und einem 315 Quadratmeter großen Ausstellungsraum und drei Obergeschoßen. Diese sind völlig stützenfrei, die Ausstellungsräume im ersten Obergeschoß mit 750, im zweiten Obergeschoß mit 700 Quadratmetern sind fensterlos. Das dritte Obergeschoß hat 445 Quadratmeter Ausstellungsfläche plus die Aussichtsterrasse und mit dem bereits erwähnten Dreieckfenster. Es gibt keine gerade Wand, was den Ausstellungsgestaltern einiges Kopfzerbrechen bereitet. Man darf gespannt der Hängung der Exponate entgegenblicken. 
Zu den ursprünglich geplanten Ausstellungsräumen kam in der überaus positiven Stimmung zwischen künftigen Nutzern, Auftraggebern und Architekten im Planungsprozess noch eine weitere Idee zur Realisierung: Die unterirdische Verbindung zwischen Kunsthalle und Museum wird nun nicht als bloßer Verbindungsgang geführt, sondern zu einer 715 Quadratmeter großen Ausstellungsfläche verbreitert. Übrigens dem einzigen Ausstellungsraum mit geraden Wänden. Der so entstandene Ausstellungsgang mündet in einem von Marte.Marte geplanten Pavillon vor der Kunsthalle, in den man vom Gang aus hinaufsteigt. 

Diese „U“-Form – neues Museum, unterirdischer Ausstellungsgang, Kunsthalle Krems – ermöglicht den Besuchern die Wahl entweder beide Häuser in einem Rundgang oder aber jeweils einzeln zu besichtigen. Tickets kann man sowohl im Foyer des neuen Museums als auch im Pavillon vor der Kunsthalle kaufen. Zusätzlich behalten beide Häuser ihre Unabhängigkeit, Identität und Adresse. 

Die Säle ohne Tageslicht erfüllen, so Direktor Christian Bauer „die härtesten konservatorischen Anforderungen der Welt und erfüllen klimatisch höchste Standards. Die kleinen Tageslicht­säle dagegen nehmen den Dialog mit dem Außenraum auf. Dort arbeiten wir nun daran, auch diese so abschotten zu können, dass dort Werke aus der Tate Gallery oder dem MoMa gezeigt werden könnten. Und die gekrümmten Wände sind natürlich eine Challenge für die Ausstellungsgestalter. Doch Normalität, die Besucher meist eher langweilt, wollten wir nicht. Wir haben uns intensiv mit existierenden Beispielen, wie dem Kunsthaus Graz beschäftigt und mit Experten beraten und – so denke ich – eine gute Lösung gefunden.“ 

Vorbildhaft werden mit den festgelegten 35 Millionen Euro Baukosten der finanzielle Rahmen ebenso wie der Terminplan eingehalten. Das Museum wird im 1. Halbjahr 2019 eröffnet.

Landesgalerie Niederösterreich - Krems Stein

Bauherr: ARTES Grundstücksvermietung GmbH
Auftraggeber: Amt der NÖ Landesregierung: Abteilung Gebäudeverwaltung und Abteilung Kunst und Kultur 
Architekturbüro: marte.marte architects, Projektleitung Alexandra Grups
Projektsteuerung: HYPO NOE Real Consult GmbH, Michael Weiß
Statik: M+G Ingenieure, DI Gelehr ZT GmbH
Fassadenplanung: KuB Fassadentechnik
ÖBA/GNOE_Neubau: TDC ZT GmbH
Planung TGA & ÖBA TGA/GNOE_Neubau: Haustechnik Dick + Harner GmbH, TB Herbst – Planbüro für Elektrosysteme
Ausführende Firma Bau: DYWIDAG GmbH
Glasfassade: SFL technologies GmbH
Blechfassade: Heinrich Renner GmbH
Trockenbau: Baierl & Demmelhuber ­Innenausbau GmbH
Estrichlegearbeiten: Spoma Parkett und Ausbau GmbH
Ausführende Firmen – TGA: Klenk & Meder, Bacon Gebäudetechnik, Ledermüller Installationen
Betreiber: Kunstmeile Krems Betriebs GmbH

Konstruktionsart: Stahlbetonskelettbau mit tragendem Kern
Grundstücksfläche: 2.500 m²
Grundrissfläche Kubus: ca. 30 x 30 m
Höhe des Kubus: ca. 24 m
Gebäudehülle: mehrschalige, hoch­gedämmte Fassade mit ­Titan-Zinkschindeln 
Ausstellungsfläche: ca. 3.000 m²
Anzahl der Geschoße: Kellergeschoß mit Durchgang zur Kunsthalle Krems, Erdgeschoß (mit Shop und Gastronomie), drei Obergeschoße
Erschließung: 2 Stiegenhäuser in einem Kern mit ca. 176 Stufen vom Keller auf die Dachterrasse 1 Personenlift und 1 Lastenlift

Branchen
Architektur