Zwei Schulen unter einem Dach

Bauzustand
31.10.2016

Dem Büro fasch&fuchs.ZT-gmbh gelang es, mit dem Neubau der Bundesschule Seestadt Aspern in Wien zwei Schulen unter ein Dach zu bringen. Eine 28-klassige allgemeinbildende höhere Schule (AHS) und eine 13-klassige berufsbildende Schule für rund 1.100 Schüler finden in einem sehr kompakten und doch großzügig wirkenden Baukörper Platz.
Bauzustand
Bauzustand

Am Bildungscampus der Seestadt Aspern, in unmittelbarer Nachbarschaft zum 2015 errichteten Neubau mit Kindergarten, Ganztagsvolksschule und einem Sonderpädagogischen Zentrum von Thomas Zinterl, direkt am Hannah-Arendt-Park gelegen, entsteht derzeit der von fasch&fuchs entworfene Neubau der Bundesschule Seestadt Aspern. Der dreigeschoßig gestaffelte und teilweise eingegrabene Baukörper orientiert sich mit seinen Freiflächen und Terrassen nordwestlich in Richtung Park. Die Erschließung des Gebäudes kann neben dem Hauptzugang über den Maria-Trapp-Platz und vom Süden her erfolgen, da die Schule über keine herkömmliche Zentralgarderobe verfügt. Dies ist Teil eines neuartigen pädagogischen Konzeptes mit innovativem Raumkonzept, welches vom Bildungsministerium gemeinsam mit dem Österreichischen Institut für Schul- und Sportstättenbau (ÖISS) entwickelt wurde. Beide Schulen können so in einem Gebäude unter einer Schulleitung vereint werden.

Während sich die Klassen der berufsbildenden Schule im Erdgeschoß als Großraumbüro mit Besprechungsraum strukturieren, ist die AHS nach dem Cluster- und Departmentsystem organisiert. Das Stammklassenprinzip im Clustersystem für die AHS Sekundarstufe 1 (Unterstufe) im 1. Obergeschoß beinhaltet vier Klassen, die um eine offene Lernzone gruppiert sind. Durch Schiebeelemente lassen sich die Klassen großzügig zu den Lernzonen hin öffnen. Im Departementsystem der Sekundarstufe 2 (Oberstufe) im 2. Obergeschoß verfügen die Schüler über keine eigene Stammklasse mehr, sondern sie gehen zum jeweiligen Department, wo u. a. Sprachen, Naturwissenschaften usw. gelehrt werden. Diese sind einzelnen Lehrern mit eigenem Arbeitsplatz zugeordnet. Die „Homebase“ der Sekundarstufe 2 dient als Lern-, Rückzugs- und Aufenthaltsraum der Oberstufenschüler. Sowohl die Lehrerbereiche als auch die Cluster und Homebases verfügen über direkte Zugänge zu den begrünten Freibereichen, Bewegungsflächen und Freiklassen auf Terrassen und umlaufenden Balkonen. 

Der Entwurf

Ausgehend von der Idee einer grünen Stadt wurde die Schule städtebaulich als flache zwei- bis dreigeschoßige, terrassierte Landschaft konzipiert, bei der vor allem die Blickbeziehungen und die Durchwegung des Gebäudes als wesentliche Entwurfsparameter genannt werden können. Entlang der Nord-Süd-Achse erstreckt sich im Erdgeschoß die nach oben hin offene Aula, von der aus Blickbeziehungen nach oben sowie über die allgemeinen Bereiche durch das gesamte Gebäude, über Atrium und Turnsäle hinweg, in den westlich gelegenen Freiraum bis hin zum Park möglich sind. Korrespondierend zu den Blickbeziehungen steht die hohe Aufenthaltsqualität der Aula: Die zentrale und markant vorgefertigte Stahlbetontreppe im Zentrum des Erdgeschoßes kann als Sitzarena multifunktional für Veranstaltungen aller Art, als Treffpunkt für die Schüler oder als Aufenthaltsfläche genutzt werden. An die Aula, die an der Schnittstelle zwischen öffentlichem Raum und Schule liegt, sind die Bereiche der Bibliothek, Mehrzweckraum, Speisesaal sowie Lehrräume zur externen Nutzung angegliedert. Diese Räume öffnen sich zusätzlich zum hügeligen Bambus-Schulwäldchen im Atrium.

Sehr viel Akribie legen Hemma Fasch und Jakob Fuchs neben der Freiflächengestaltung auf die Ausstattung der Schule: So sind die Einbaumöbel multifunktional konzipiert, u. a. sind die Klassenschränke mit beschreibbaren Schiebeelementen ausgestattet. Sämtliche Brüstungen in den Lehrräumen sind innen und/oder außen als Sitzflächen ausgebildet. Für die Farbgestaltung und das damit verbundene Leitsystem wurden die interdisziplinären Projektkünstler Hanna Schimek und Gustav Deutsch hinzugezogen.

Die Konstruktion und der technische Ausbau

Der sehr kompakte Baukörper mit rund 13.800 Quadratmetern Nettonutzfläche aus Sichtbeton mit Hängewerk, das weitgehend stützenfreie Räume ermöglicht, wird durch das Atrium und eingeschnittene Terrassen mit Tageslicht versorgt. Mittels Dachsheds bei den Clustern im 1. Obergeschoß und über die zentrale dreigeschoßige Aula gelangt zusätzlich blendfreies Licht in die Mittelzone des Baukörpers. Dieses, durch Oberlichten eingeleitete Tageslicht wird mittels begehbaren, im Boden eingelassenen Glaselementen weiter bis ins Erdgeschoß geführt. Breite umlaufende Balkone, auskragende Bauteile und Vordächer sorgen für eine blendfreie, natürliche Belichtung und schützen gegen sommerliche Überwärmung. Zusätzlich sind gegen die Einstrahlung der flachstehenden Sonne im Bereich der Balkonbrüstungen Rollos aus weißen Membranen vorgesehen. Das vorgesehene LED-Lichtsystem mit tageslichtabhängiger Steuerung leistet einen zusätzlichen Beitrag zu einem nachhaltigen und energieeffizienten Gebäude.

Das rund 25-Millionen-Euro-Projekt ist trotz seines großzügigen Innenhofes und der eingeschnittenen Terrassen flächeneffizient geplant. So sind die Klassen nur 50 bis 55 Quadratmeter groß, und der Gangflächenanteil am Gebäude liegt unter drei Prozent. Dies ist vor allem der Tatsache geschuldet, dass die Erschließungszonen multifunktional bespielt werden können und als offene Lernzonen und Lerninseln den Clustern sowie Departments zuzurechnen sind. Zudem wird das Gebäude ans Fernwärmenetz angeschlossen und das Brunnenwasser für die Betonteilaktivierung zum Kühlen und Wärmen des Gebäudes herangezogen. Dadurch werden sämtliche Installationen auf Sicht geführt, und als Schallschutzmaßnahme werden Akustikbaffeln eingesetzt.

Die Entfluchtung des Gebäudes erfolgt neben den beiden innenliegenden Fluchtstiegenhäusern durch die rundumlaufenden Balkone, Freiklassen bzw. außenliegenden Stiegen. Zusätzlich ist das gesamte Gebäude mit einer Sprinkleranlage ausgerüstet, welche wesentlich kostengünstiger ist als die Herstellung zahlreicher Brandabschnitte. Die Aula wird zusammen mit den Konferenzräumlichkeiten über Rauchvorhänge abgeschottet.

Der Neubau der Bundesschule soll nach der „Total Quality Building Skala“ (TQB), einem Bewertungssystem zur Gebäudezertifizierung, in Hinblick auf Nutzerkomfort und Gesundheit, Infrastruktur und Ausstattung, Ressourceneffizienz, Umweltschonung sowie Langlebigkeit und Wirtschaftlichkeit, einen Wert von 750 von insgesamt 1.000 möglichen Punkten erreichen. In Summe ist es den Architekten in genialer Weise gelungen, ein komplexes, vielschichtiges Raumprogramm und neues pädagogisches Konzept in einen flächeneffizienten, kompakten Baukörper zu integrieren. Mit einfachen und kostengünstigen Mitteln werden sämtliche bauphysikalischen und energetischen Anforderungen erfüllt, ohne dabei die baukulturelle und architektonische Qualität zu vernachlässigen. 

Projektdaten

Architekten: fasch&fuchs.ZT-gmbH
Projektleitung: Fred Hofbauer
Projektmitarbeiter: Robert Breinesberger, Didem  Durakbasa, Constanze Menke, Martin Ornetzeder, Stefanie Schwertassek, Elisabeth Stoschitzky, Heike Weichselbaumer, Martina Ziesel
Auftraggeber: Bundesimmobiliengesellschaft Wien
Projektmanagement: Gottfried Flicker, BIG
Örtl. Bauaufsicht: DI Anton Pallanich
Statik: Werkraum Wien Ingenieure ZT GmbH
Farbgestaltung: Hanna Schimek und Gustav Deutsch
Ausschreibung: Arch. DI Günter Bösch
Haustechnik: Thermo Projekt GmbH
Elektrotechnik: tgaplan Gebäudetechnik GmbH
Bauphysik: Exikon
Brandschutzkonzept: BM DI Alexander Kunz
Nettonutzflächen: 13.800 m²
Bruttogeschoßfläche: 19.170 m²
Baukosten: 24,9 Mio. Euro
Finanzierung: BIG
Bauaufgabe: Schulbau
Wettbewerb: 2013, offener 2-stufiger Wettbewerb 1. Preis
Baubeginn: 2015
Fertigstellung: 2017

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Architektur