Bergfexe und Mauerblümchen

Baumaschine
05.09.2017

 
Schreitbagger und Baggerlader haben eines gemeinsam: Sie sind nichtalltägliche Baumaschinen.
Schreitbagger, wie hier das Modell M 525 von Menzi Muck, arbeiten auf den höchsten Gipfeln der österreichischen Alpen.
Schreitbagger, wie hier das Modell M 525 von Menzi Muck, arbeiten auf den höchsten Gipfeln der österreichischen Alpen.

„Überall, wo ein anderer Bagger nicht hinkommt, arbeite ich mit meiner Maschine“, erzählt Christoph Millinger, Baumeister für Erdbau und Einmannunternehmer, von seinem Menzi Muck M545. Er ist in St. Johann in Tirol zu Hause und wird in der Region zu Arbeiten gerufen, die meist hoch oben in den Bergen durchgeführt werden und bei denen in unebenem Gelände die Kletterkünste des Menzi Muck gefragt sind: „Leitungsbau, Quellfassungen, Lift- und Pistenbauten, Hangsicherungsarbeiten, das sind gängige Einsätze für mich“, berichtet er. Millinger ist seit 23 Jahren mit Menzi-Muck-Schreitbaggern selbstständig. Sein perfekter Umgang mit diesem Klettermeister unter den Baggern sorgt für volle Auftragsbücher. Aber zugleich ist die für Schreitbagger notwendige Erfahrung der Grund, weshalb er in seinem Betrieb allein tätig ist: „Die Praxis ist das Um und Auf, wer viel Erfahrung mit einem Schreitbagger hat, macht sich meistens selbstständig“, erzählt er. Im Laufe seiner mehr als zwei Jahrzehnte Arbeit mit diesem Gerät hat sich viel getan: „Der Menzi Muck 5000, mit dem ich angefangen habe, hatte eine Vier-Hebel-Steuerung, jetzt haben wir eine Hightech-Maschine. Über den Joystick können mit jeder Hand 25 verschiedene Funktionen gesteuert werden.“

Tägliche Herausforderung

Schreitbaggerarbeiten auf Alpinbaustellen sind auch die Stärke des Salzburgers Herbert Schößer. In Hollersbach im Pinzgau hat er seinen Betrieb. Mit dem Menzi Muck M545 ist Schößer seit mehreren Wochen auf dem Kitzsteinhorn tätig. Vom Einrichten der Schleppliftstützen bis zum allgemeinen Pistenbau reichen seine Aufgaben. Er arbeitet seit 14 Jahren mit Schreitbaggern. Mit einem eigenen Menzi Muck machte er sich vor drei Jahren selbstständig. Über die Auslastung kann er wie Millinger ebenfalls nicht klagen.

Ein mulmiges Gefühl hat er bei seinen Einsätzen manchmal schon. „Gefährlich ist’s, wenn der Fels nur von ein bisschen Humus bedeckt ist“, erzählt er. Dann gilt es, schnell wieder festen Boden unter den Rädern und Stützen zu gewinnen. Grundsätzlich wird aber nichts riskiert: Oben auf dem Kitzsteinhorn, wo der Untergrund fast nur noch aus Felsen besteht, arbeitet er meist mit einer zusätzlichen Sicherung durch eine Seilwinde und auf Eis mit Ketten mit Stacheln. Trotz der täglichen Herausforderungen haben sowohl Schößer­ als auch Millinger Freude in ihrem Job. Die Arbeit mit Menzi Muck macht beiden Spaß, vor allem sind sie den ganzen Tag hoch oben in den Bergen – in einer herrlichen Region, wo die meisten anderen Menschen nur in der Urlaubszeit hinkommen.

Will gelernt sein

Dass Fahren mit dem Schreitbagger gelernt sein will, wissen auch die Hersteller. Menzi Muck etwa bietet jedes Jahr für Neueinsteiger vier bis fünf Kurse. „Sie dauern eine Woche. Hier lernt man von der Pike auf, wie die Maschine zu fahren ist“, erzählt Hansjörg Lipp, Geschäftsführer des Schweizer Unternehmens. Natürlich komme das Können – wie beim Autofahren – erst mit der Erfahrung, ergänzt er. Mit den Absatzzahlen ist Lipp zufrieden. Im alpinen Raum halten sich die Zuwächse in Grenzen, aber weltweit gibt es noch fast grenzenlose Möglichkeiten. Außerdem eignen sich Schreitbagger nicht nur zum Einsatz in den Bergen, „in der Landschaftspflege auf morastigem Untergrund, bei der Ufersanierung und bei etlichen anderen Einsätzen ist die Maschine ebenfalls anderen Baggern überlegen“, erläutert Lipp. Jüngster Innovationsschritt bei Menzi Muck ist die Erfüllung der Tier-4-final-Abgasvorschriften: „Wir haben schon einige Tier-4-­final-Maschinen ausgeliefert. Ab Herbst werden alle unsere Schreitbagger, die von den Regelungen betroffen sind, mit der Abgasreinigung ausgestattet sein“, erklärt Hansjörg Lipp. Neu ist seit kurzem eine stärkere „Powerline“. Diese optional erhältliche, separate prioritär wirkende Hydraulikpumpe versorgt Anbaugeräte mit zusätzlicher Kraft. Bei den Tier-4-final-Maschinen wird sie in einer noch stärkeren Version angeboten, verrät Lipp.

Ebenfalls mit dem Absatz zufrieden ist man bei Wettbewerber Kaiser: „In Österreich ist Kaiser der am meisten gekaufte Mobilschreitbagger“, sagt Klaus Singer, Geschäftsführer der Kaiser Fahrzeugtechnik in Nenzing. Der S10 Telefuss mit 110-kW-Motor und einem Einsatzgewicht von zirka 10,5 Tonnen und der S12 Allroad mit 129-kW-Motor und einem Einsatzgewicht von zirka 12,5 Tonnen sind die beliebtesten Schreitbagger der Marke in Österreich. Kaiser ist in Österreich mit zwei Niederlassungen und fünf Mietparks vertreten. In den Mietparks können Kunden Schreitbagger auch ausleihen.

Die Mauerblümchen

„Immer und überall im Einsatz“ – so lautete in den 1970er-Jahren ein Werbespruch für JCB-Baggerlader. Quasi als Bestätigung für dessen Richtigkeit gab es dazu eine endlose Serie an Einsatzbildern. Der Baggerlader – und vor allem die Maschine – vom Erfinder JCB war damals tatsächlich das Standardgerät auf fast jeder Baustelle. Dabei waren die Urbaggerlader im Vergleich zu den heutigen Geräten relativ schwer zu bedienen, und für den Fahrer gab es kaum Komfort. Bagger- und Ladeschaufel wurden über mechanische Hebel betätigt. Es bedurfte einiges an Können, um schnell und genau zu arbeiten. Wie anders ist es heute: Baggerlader sind auf dem letzten Stand der Technik. Der Fahrer sitzt in einer klimatisierten Komfortkabine und bedient die Maschine bequem und schnell über Joystick. Und noch etwas Wesentliches hat sich seit den Sechziger- und Siebziger­jahren des vorigen Jahrhunderts geändert: Der einst überall präsente Baggerlader ist zu einem Exoten auf heimischen Baustellen geworden. Nach dem Motto „Spezialisten leisten mehr“ haben Mini- und Midi-Bagger sowie Lader der Universalmaschine den Rang abgelaufen. Heute werden in Österreich gerade ein paar Dutzend Baggerlader­ im Jahr verkauft – von allen Anbietern zusammen.

Aber es gibt noch Nutzer, die nach wie vor auf die universellen Eigenschaften des Mauerblümchens Baggerlader setzen. Beim Gebrechendienst eines großen Bauunternehmens etwa verwendet man im Wiener Raum nach wie vor Baggerlader von JCB. Sie sind straßenzugelassen auf eigenen Rädern zum Einsatzort unterwegs. Immerhin können sie mehr als 30 Stundenkilometer schnell fahren. Drei Tieflöffel und einen Hydraulikhammer haben sie mit. Einige Maschinen sind außerdem mit einem zweiten Sitz, Druckluftkompressor, Druckluftbremsanlage sowie Anhängekupplung ausgestattet – sie können einen zweiten Mann und hinten dran auch den Baustellenwagen zum Ort des Einsatzes bringen.

Für Erhaltungs- und Reparaturarbeiten stehen Baggerlager auch bei den Straßenmeistereien der Länder und bei Kommunen im Einsatz. So hat das Land Niederösterreich im Vorjahr vier Stück des neuesten Modells von JCB erworben. Diese JCB 3CX sind mit dem neuen JCB-EcoMAX-Turbodiesel ausgestattet, der die Tier-4i-Abgasnorm ohne Abgasnachbehandlung (kein Dieselpartikelfilter – kein AdBlue) erfüllt. Die Baggerlader werden seit knapp einem Jahr bei den Straßenmeistereien Baden, Eggenburg, Sankt Peter und Wolkersdorf­ genützt.

Universell einsetzbar

„Auch Gemeinden setzen auf den Baggerlader, weil die universellen Möglichkeiten der Maschine dort für viele Einsätze nach wie vor benötigt werden“, erzählt Christoph Haslauer, Geschäftsführer der Terra. Bei diesem Kundenkreis sind die zahlreichen Anbaugeräte vom Kehrbesen bis zur Staplergabel, die den Baggerlader fast zu einem Schweizer Messer machen, ebenfalls wichtig. Das Bundesheer ist, so Haslauer, ein weiterer wichtiger Abnehmer der Maschine. Baggerlader-Erfinder Terra sieht sich mit JCB als Marktführer in Österreich. „Wir sind zweifellos noch immer die erste Adresse, wenn es um Baggerlader geht. Ich schätze unseren Marktanteil auf rund 70 Prozent“, sagt Christoph Haslauer.

JCB hat heute acht verschiedene Typen von Baggerladern im Angebot. Das Programm beginnt beim 1 CX, der mit einem Betriebsgewicht von 3,3 Tonnen, einer Breite von weniger als 1,50 Metern und einer Höhe von 2,10 Metern in die Klasse der Kompaktmaschinen fällt. Den Minibaggerlader gibt es als Option auch mit Raupen. Wobei das Wort „kompakt“ selbst bei stärkeren Maschinen von JCB durchaus seine Richtigkeit hat. Im Wissen, dass Baggerlader vorwiegend auf städtischen Baustellen eingesetzt werden, versucht man die Maschinen optimal an diese Verhältnisse anzupassen.

Vom JCB 3 CX gibt es beispielsweise jetzt eine neue „Compact“-Version, die um 35 Prozent kleiner als ein normaler Baggerlader ist. Die Maschine mit einem Betriebsgewicht von sechs Tonnen ist nur 1,95 Meter breit, die Fahrhöhe beträgt lediglich 2,74 Meter. Mit der serienmäßig als Alternative zur Zweiradlenkung zur Verfügung stehenden Allradlenkung beträgt der Wenderadius des 3CX-Compact-Baggerladers nur 5,8 Meter. Diese Eigenschaften ermöglichen den Einsatz selbst auf schwer zugänglichen Baustellen.

Mauerblümchen mit niedrigen Verkaufszahlen sind Baggerlader übrigens nur im deutschsprachigen Raum. In den meisten anderen europäischen Ländern und im Rest der Welt haben diese vielseitigen Maschinen durchaus eine bedeutende Position am Markt, erzählt Christoph Haslauer. Das bestätigt auch Ralf Grönboldt, bei CNH Industrial Baumaschinen fürs Case-CE-Marketing in der D-A-CH-Region verantwortlich. Case ist nach JCB der wichtigste Baggerladerhersteller, und die Maschine hat für diesen Produzenten global gesehen durchaus Bedeutung: Zwischen 14.000 und 16.000 Maschinen laufen jährlich vom Band, so Grönboldt.

Case stellte im Jänner seine Baggerlader der T-Serie mit Motoren vor, die die Abgasnorm Tier 4 final ohne Dieselpartikelfilter und nur mit SCR-Technologie erfüllen. Dabei wurde die Abgasnachbehandlung nach außen verlegt, wodurch Motor, Elektronik und Einspritzanlage besser zugänglich sind. Für die neuen Modelle der T-Serie gibt es außerdem die neue Heckbaggerkonstruktion mit Inline-Zylindergeometrie, die 2016 für die ST-Modelle vorgestellt wurde. Als besondere Stärke der Case-Baggerlader nennt Ralf Grönboldt die Motoren: „Wir können dank eigener Motoren mehr Motorleistung bieten.“ Das mache sich bei Fahrleistungen ebenso bemerkbar wie beim Einsatz von Anbaugeräten.

Das wichtigste Produkt

Nicht Mauerblümchen, sondern ein wichtiges Produkt im Programm ist der Baggerlader auch für den dänischen Hersteller Hydrema.­ Das Unternehmen bezeichnet seine Maschine als „den besten Baggerlader auf dem Markt“. Eine Besonderheit, mit der man Mitbewerber abhängen möchte, ist der Schwenkbereich des Baggers von beachtlichen 280 Grad. Dank Allradantrieb, Knickpendelgelenk und starker Z-Kinematik kann sich auch die Ladefunktion der Hydrema-Maschine sehen lassen.

Die großen Baumaschinenhersteller Caterpillar und Komatsu führen ebenfalls Baggerlader im Programm, die punkto Technik und Leistung auf dem letzten Stand sind. Der Baggerlader WB97R-5 von Komatsu etwa hat servovorgesteuerte Bedienhebel für Lader und Heckbagger, die genaues und feinfühliges Bedienen der Maschine ermöglichen. Sein modernes Hydrauliksystem erlaubt im Zusammenspiel mit der hohen Zugkraft äußerst schnelle und kraftvolle Ladevorgänge. Auf dem Weltmarkt verkaufen sich die Baggerlader von Cat und Komatsu trotz der Konkurrenz im eigenen Haus – kompakte Bagger und Radlader – nach wie vor gut. In Österreich führen sie wie die Baggerlader anderer Hersteller ebenfalls ein Mauerblümchendasein.

Branchen
Bau