Mehrwert für den Bagger

Anbauteile
03.02.2014

Von: Wolfgang Pozsogar
Vom Tiltrotator bis zum schwingenden Reißzahn: Anbauteile erweitern die Einsatzmöglichkeiten der Baumaschine.  

In skandinavischen Ländern gehören sie schon fast zur Standardausrüstung von Baumaschinen. Hierzulande erobern sie erst langsam die Spitze des Baggerarms: Tiltrotatoren. Mit dieser cleveren Zusatzausrüstung lässt sich das Anbaugerät des Baggers ähnlich wie die menschliche Hand in alle Richtungen schwenken und drehen. Viele Arbeiten sind dadurch effizienter und schneller durchzuführen. Zeitraubendes Umsetzen des Baggers wird oft erspart, im Garten- und Landschaftsbau ermöglichen Tiltrotatoren feine Modellierungen, im Erdbau kann unter bestehenden Leitungen durch- oder neben Hindernissen wie Pfählen oder Steinen vorbeigegraben werden. Durch die präzise Führung von Löffel und Co in alle Richtungen werden außerdem Helfer mit der Schaufel meist überflüssig.

Solche Vorzüge muss man allerdings hierzulande offensichtlich erst in der Praxis kennenlernen: „Wir stellen fest, dass viele Kunden, die einen Tiltrotator zu Demonstrationszwecken bekommen haben, das Gerät nach einer Woche nicht mehr hergeben wollen“, sagt Thomas Friedrich, CEO des deutschen Unternehmens Kinshofer, das seit 40 Jahren Kran- und Baggeranbaugeräte fertigt und mittlerweile Niederlassungen und Produktionsanlagen in neun Ländern unterhält. 

Besser ohne Zylinder

Tiltrotator ist allerdings nicht Tiltrotator. Es bestehen deutliche Unterschiede bei der Technik. HKS Baumaschinentechnik etwa setzt auf das Motto „Besser ohne Zylinder“ und realisiert die Bewegung an der Spitze des Baggerarms mit einem Drehantrieb. Vertriebsleiter Eugen Schecklein weiß viele Vorteile dieser Lösung: „Wir erreichen damit Winkelstellungen von 360 Grad, der direkte Antrieb von Drehantriebflasch zum Werkzeug ist spielfrei, weil er ohne Verbindungselemente funktioniert, und im Vergleich zur Zylinderlösung sind Drehantriebe weitgehend wartungsfrei, was die Stillstandzeiten verringert.“ HKS nutzt eine eigene Technologie für den Drehantrieb, die sich, so Schecklein, bereits viele Jahre bewährt hat. Er glaubt, mit seinem Know-how bei der Fertigung die Nase vorn zu haben. XtraTilt, RotoBox und TiltRotator heißen die Produkte, die es in verschiedensten Ausführungen für Trägergeräte bis zu 100 Tonnen gibt. Kinshofer, übrigens seit 20 Jahren Erstausrüster von Palfinger, setzt ebenfalls auf eine zylinderlose Lösung. Wie Schecklein ist auch Kinshofer-CEO Thomas Friedrich überzeugt, dass diese Technologie die bessere Lösung darstellt. Als einen weiteren wesentlichen Vorteil nennt Friedrich das konstante Schwenkmoment: „Das ist ganz wichtig für präzises Arbeiten“, sagt er. Das Patent für diesen zylinderlosen Rotator, der als Kinshofer-Rotator KM 04 F angeboten wird und sich durch eine sehr flache Bauweise auszeichnet, erwarb das Unternehmen vor drei Jahren von einer finnischen Firma. „Wir haben den Prototyp zur Marktreife weiterentwickelt“, berichtet Thomas Friedrich.

Auf eine andere Lösung zum Drehen des Anbaugeräts setzt Holp, deren Produkte in Österreich die Firma Bulldozer vertreibt. Ihr Rotator RotoTop ermöglicht es, unterschiedlichste Anbaugeräte an Baggern mit Einsatzgewichten von drei bis 32 Tonnen endlos zu drehen. Dabei kann jedes Anbaugerät vom Tieflöffel bis zum Mulcher problemlos aufgenommen werden. Der RotoTop ist modular aufgebaut und lässt sich mit bis zu acht verschiedenen Drehdurchführungen ausstatten. Soll die Drehleistung erhöht werden, kann optional noch ein zweiter Hydraulikmotor eingebaut werden. Die Motoren sind in einen gekapselten Gehäuse gut geschützt untergebracht.  

Zweimal 90 statt 360 Grad

Eine weitere Möglichkeit zum Drehen der Anbaugeräte bietet die Rädlinger Maschinen- und Anlagenbau mit ihrem neuen JR-Tilt-90-Drehmotor: „Im Unterschied zum Tiltrotator können wir nicht um die 360-Grad-Achse drehen, sondern haben einen Schwenkwinkel von zweimal 90 Grad“, erklärt Thomas Bauer, für Sales/Business Development des Unternehmens verantwortlich. Für viele Aufgaben reicht das auch aus, meint Bauer, dafür sei der JR Tilt 90 wesentlich preisgünstiger, deutlich kürzer und leichter: „Der Drehmotor ist eine Alternative, die zwar nicht die gleich hohe Flexibilität wie ein Tiltrotator bietet, aber doch mit einer breiten Einsetzbarkeit aufwarten kann.“

Rotatoren sind nur ein Element im Angebot dieser Firmen. Rädlinger, Hope oder Kinshofer etwa bieten ein komplettes Programm an Anbaugeräten. „Wir decken sieben Produktbereiche vom Tiefbau über GaLa-Bau, Schrottverarbeitung, Abbruch und Rückbau, Materialumschlag, Gleisbau und Gleiswartung, Energiewirtschaft und Sonderlösungen ab“, erzählt Thomas Friedrich von Kinshofer. Dabei hat man selbst Spezialitäten im Programm wie ferngesteuerte Geräte für den Rückbau von Atomkraftwerken oder Drei-Achsen-Manuipulatoren, mit denen ein Bagger beispielsweise Masten aufstellen kann. 

Hightech für scheinbar Simples

In Anbaugeräten steckt, selbst wenn es sich um scheinbar simple Bauteile handelt, meist viel Know-how: „Die Formen unserer Gefäße ermöglichen beispielsweise durch optimales Eindring- und Füllverhalten effizienteres Arbeiten“, erläutert Thomas Bauer von Rädlinger. Er meint, dass seine Produkte denen vieler Wettbewerber überlegen sind, weil Rädlinger auch eines der führenden deutschen Bauunternehmen ist: „Wir gewinnen aus der Verwendung im eigenen Betrieb viel Know-how für die Produkte unseres Maschinenbaus.“ Wobei sich robuste und haltbare Schaufeln, Löffeln und Co nicht ganz so einfach bauen lassen. Die Dinger sind im täglichen Einsatz erheblichen Kräften ausgesetzt. Um zu wissen, was wo wirkt, arbeitet Rädlinger mit einem Finite-Elemente-Tool: „Damit können wir statische Belastung einzelner Teile bereits bei der Konstruktion sehr gut berechnen“, erläutert Bauer.

Auf Know-how, Erfahrung und viel Entwicklungsarbeit, um scheinbar einfache Werkzeuge weiter zu optimieren, setzt auch die Firma LEH in Birkenfeld. Das Unternehmen bietet ein komplettes Programm an Anbaugeräten und entwickelt kundenspezifische Lösungen, um für den Auftraggeber wichtige Kriterien wie Grabeigenschaften, Eindringverhalten oder Verschleißschutz auf optimale Weise zu realisieren: „Wir beobachten gegebenenfalls vor Ort, wie das Werkzeug eingesetzt wird, schauen uns die Verschleißbilder an und versuchen Besseres zu machen“, sagt Harald Meyer, Geschäftsführer und Miteigentümer des Familienbetriebs.

Vielseitiger Schnellwechsler

Stolz ist Meyer auf das eigene Schnellwechselsystem, das es in mechanischer und hydraulischer Ausführung für Baggergrößen von 1,5 bis 140 Tonnen gibt. LEH setzt auf eine Lösung aus wenigen Einzelteilen, die besonders für schwere Einsätze im Tief- u. Straßenbau sowie für Gewinnungsbetriebe geeignet ist. Das Schnellwechselsystem nimmt nicht nur einiges hin, sondern bietet auch zusätzliche Sicherheit. Da es auf der Originallöffelaufhängung aufbaut, müssen bei einer Störung nur zwei Bolzen entfernt werden, dann können Löffel oder Hydraulikhammer auf herkömmliche Weise befestigt werden: „Eine ideale Lösung, wenn man das Risiko von Ausfallzeiten verringern will“, meint Meyer. Außerdem werden Schnellwechsler geboten, die Bagger einer Marke mit Anbaugeräten einer anderen Marke verbinden, erzählt er: „Damit kann der Kunde bei einem Markenwechsel die Werkzeuge mit der neuen Maschine weiterverwenden.“

Die großen Baumaschinenanbieter sind natürlich ebenfalls am durchaus lukrativen Markt für Anbaugeräte mit einem vielfältigen Programm aktiv. Kuhn etwa sieht sich in mehreren Produktbereichen als einer der wichtigen Player am Markt. Die Salzburger vertreiben unter anderem die Produkte des weltgrößten Hydraulikhammerherstellers FRD Furukawa Rock Drill. Die Hämmer aus Japan gibt es für Trägergeräte von 1,5 bis 120 Tonnen: „Sie zeichnen sich durch sehr hohe Lebensdauer des Schlagwerks aus“, berichtet Kuhn-Verkaufsleiter Herbert Kreiseder. Ein weiteres Highlight im Angebot von Kuhn stellt der Xcentric Ripper dar. Der über exzentrisch gelagerte Wellen zum Schwingen gebrachte Reißzahn ist prädestiniert für den Einsatz unter Wasser oder in schiefrigem, zerklüftetem Material: „Dort bringt er die vier- bis fünffache Leistung des Hydraulikhammers“, verspricht Kreiseder.

Mit eigenen Entwicklungsabteilungen segelt auch eine Reihe österreichischer Firmen erfolgreich am Anbaugerätemarkt, etwa der steirische Anbieter Winkelbauer oder die Salzburger Firma Wimmer. Bei Letzterer steuert man immer mehr in Richtung Eigenkonstruktionen mit aufwändiger Steuerungstechnik. In Ferrari-Rot präsentierte Wimmer kürzlich eine Reihenbohranlage mit SPS-Steuerung zum vollautomatischen Abbohren kompletter Steinblöcke: „Die Maschine arbeitet eineinhalb Stunden selbstständig, der Bedienungsmann kann inzwischen andere Arbeiten erledigen“, sagt Martin Gasser von Wimmer.

Vollautomatisches Bohren

Die Siebenfach-Bohranlage ist selbstfahrend, einzelne Bohranlagen mit vollautomatischer Steuerung gibt es aber auch zum Anbau an Bagger. Gasser führt ins Treffen, dass vollautomatische Geräte wesentlich präziser und schneller arbeiten. Zusätzliche Features des Bohrers an der Baggerarmspitze sind etwa eine Hohlraumautomatik, die beim Anbohren eines Holraums in Sekundenbruchteilen reagiert, eine Antifestbohrautomatik oder selbsttätiges, proportionales und sanftes Anbohren. Solche Bohranlagen von Wimmer stehen neben Fräsen und Löffeln auch beim Bau der neuen Londoner U-Bahn-Linie im Einsatz. Ein weiteres Spezialgerät von Wimmer im Londoner Untergrund ist ein Sägegreifer, der wie ein Holzgreifer mit Säge konstruiert ist und im Tunnelbereich befindliche Betonsäulen abbaut. Fürs Bohren, Fräsen, Löffeln und Sägen reicht dank dieser Zusatzgeräte ein einziger Bagger mit Schnellwechsler.

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