Die bestimmungsgemäße Nutzung des Werks als Übernahme
Mit der Übernahme einer Werkleistung sind wichtige Rechtsfolgen für den AG und AN verknüpft. Dem Zeitpunkt der Übernahme kommt daher eine besondere Bedeutung zu.

Unter der Übernahme einer Bauwerkleistung versteht man die körperliche Hinnahme in die Verfügungsmacht des AG und die Anerkennung des Werkes als eine dem Vertrag entsprechende Erfüllung. Dabei ist zwischen einer Übernahme nach dem ABGB und der ÖNormen B2110/2118 zu unterscheiden. Beim ABGB-Vertrag ist der AG nicht verpflichtet, das Werk mit unwesentlichen Mängel zu übernehmen und kann auf gehörige Erfüllung bestehen sowie das gesamte Werklohn bis zur Grenze der Schikane zurückbehalten. Das ABGB in „Reinform“ – wenn dem Bauwerkvertrag zum Thema Übernahme keine das ABGB abändernde Vertragsbestimmung zugrunde liegt – ist also für den AN in diesem Punkt nicht gerade vorteilhaft. Liegt dem Bauwerkvertrag zum Thema Übernahme hingegen eine das „reine“ ABGB abändernde Vertragsbestimmung, wie zum Beispiel die ÖNorm B 2110 (jetzt in der Fassung 2013), zugrunde, sieht es für den AN unter bestimmten Bedingungen schon besser aus, insbesondere kann der AG die Übernahme nur bei Vorliegen wesentlicher Mängel sowie bei fehlender Dokumentation verweigern.
Eine Formsache
Zudem sieht die ÖNorm B 2110, Abschnitt 10 grundsätzlich
zwei Arten der Übernahme vor: die formlose und die förmliche Übernahme.
Die formlose Übernahme muss zwischen den Vertragsparteien nicht gesondert vereinbart werden, wenn sie die ÖNorm B 2110 zum Vertragsbestandteil machen. Sie gilt automatisch, wenn nicht die „förmliche“ Übernahme gesondert vereinbart wurde. Die Leistung gilt als übernommen, wenn der AG diese mit einer ausdrücklichen oder schlüssigen Erklärung, das Bauwerk als solches zu übernehmen, in seine Verfügungsmacht übernommen hat.
Die förmliche Übernahme (Punkt 10.2) hat stattzufinden, wenn sie im Vertrag zusätzlich vereinbart wurde oder nach der Art der Leistung üblich ist. Hierbei ist ein bestimmtes Prozedere einzuhalten. Nach Fertigstellung seiner Leistungen hat der AN eine Fertigstellungsanzeige und eine Aufforderung zur Übernahme zu übermitteln. Nach erfolgter Aufforderung hat die tatsächliche Übernahme durch den AG zu erfolgen. Ist er hingegen säumig und verabsäumt es, die Übernahme qualifiziert abzulehnen, tritt die Übernahmefiktion zu. Das heißt, dass nach Ablauf von 30 Tagen ab Aufforderungszeitpunkt die Übernahme als erfolgt und somit der Vertrag als erfüllt gilt.
Klare Übernahmeregeln treffen
Nach der Rechtsprechung des OGH gilt das Werk – trotz Vereinbarung einer förmliche Übergabe – auch dann als übernommen, wenn es der AG schlüssig durch bestimmungsgemäße Nutzung übernimmt (z. B. der AG nimmt bei der Errichtung einer Fabrik die Produktion schon vor dem ursprünglichen Übernahmetermin auf), da in diesem Fall davon ausgegangen werden kann, dass die ursprüngliche Vereinbarung, das Werk förmlich zu übernehmen, einvernehmlich abbedungen wurde. In der Nutzung liegt ein schlüssiges Abgehen von der Vereinbarung, wonach das Werk nur durch Unterfertigung eines Übernahmeprotokolls übernommen werden sollte. Dies soll auch für den Fall gelten, dass der AG die Leistung zwar in Benutzung nimmt, jedoch gleichzeitig erklärt, die Leistung nicht übernehmen zu wollen. In diesen Fällen kann zwar eine Übernahme nicht durch schlüssiges Verhalten angenommen werden, da ja der AG eindeutig und klar zum Ausdruck bringt, eine Übernahme nicht vornehmen zu wollen. Ein Teil der Lehre und Rechtsprechung beruft sich in diesen Fällen aber auf den Grundsatz „protestatio facto contrario non valet“ und erklärt eine ausdrückliche Willensäußerung, die mit dem tatsächlichen Verhalten in Widerspruch steht, für unbeachtlich. Wenn jemand ein Verhalten setzt, das nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte nur als Ausdruck eines bestimmten Willens aufgefasst werden kann, ist sein Vorhalt nicht zu beachten.
Es empfiehlt sich daher, im Bauwerkvertrag zum Thema Übernahme klare Regelungen zu treffen, insbesondere zur bestimmungsgemäßen Nutzung, ob eine förmliche Übernahme erfolgen soll oder welche Dokumente als Voraussetzung der Übernahme vorliegen müssen.
DDr. Katharina Müller
ist Partnerin bei Willheim Müller Rechtsanwälte
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