EUGH-Urteil

Bodenaushub leicht gemacht?

Welche Auswirkungen das EuGH-Urteil zum Abfallende von Bodenaushaub haben kann, war das zentrale Thema einer spannenden Diskussionsrunde.

Ende 2022 sorgte das EuGH-Urteil zur Rechts­sache Porr Bau GmbH, C-238/21, zum Abfall­ende von Bodenaushub für Aufsehen. Der Bodenaushub wurde als Nebenprodukt, das beim Herstellungs­prozess entstanden ist, eingestuft, die Qualitätskontrolle als Verfahren zur Vorbereitung für die Wiederverwendung anerkannt und das Abfall­ende, auch ohne Erfüllung der Formalkriterien des Bundesabfallwirtschaftsplans, erreicht. Im ­Rahmen der ­Saubermacher-Akademie Spezial diskutierten ­Christian Holzer (Leiter der Sektion Umwelt und Kreislaufwirtschaft des BMK), Stefan Jung (Projektleiter STC Development GmbH), David Suchanek (Rechtsanwalt ­Niederhuber & Partner) und Thomas Kasper (Präsident des Österreichischen Baustoff-Recycling Verbands) über mög­liche Auswirkungen und darüber, wie wichtig Kontrolle ist und welche Rolle die Digitali­sierung einnehmen könnte.

Stefan Jung (STC Development), Christian ­Holzer (BMK), ­Bernadette Triebl-Wurzenberger  (Saubermacher), ­Thomas ­Kasper (ÖBRV) und David Suchanek (Niederhuber & ­Partner) diskutierten über ­Erkenntnisse und ­mögliche Wege (v. l.).
Stefan Jung (STC Development), Christian ­Holzer (BMK), ­Bernadette Triebl-Wurzenberger (Saubermacher), ­Thomas ­Kasper (ÖBRV) und David Suchanek (Niederhuber & ­Partner) diskutierten über ­Erkenntnisse und ­mögliche Wege (v. l.).

Was ist der aktuelle Stand der Dinge nach dem EuGH-Urteil zum Abfallende von Bodenaushub?

Thomas Kasper: Momentan ist das Erkenntnis des EuGH beim Landesverwaltungsgericht in Bearbeitung. Dieses muss nun entscheiden, wie es in die Frage­stellung über den Bescheid der BH Graz-Umgebung, ob Alsag zu zahlen ist oder nicht, einfließt. Wann das ­passieren wird, ist jedoch nicht abschätzbar, da Verwaltungsbehörden – und da sind die Landesgerichte miteingeschlossen – oft große Papierstapel haben, die sie abarbeiten müssen. Wir harren also der Dinge.

Stefan Jung: Wir würden es auf alle Fälle sehr begrüßen, wenn wir zukünftig leichter mit Bodenaushub umgehen können und einfach dieses Material als Baumaterial bzw. als nutzbares Material in der weiteren Projektbearbeitung betrachten können und nicht als Abfall. Gerade bei Quartiersentwicklungen mit mehreren Baulosen und Grundstücken ist die gemeinsame Nutzung von vorhandenen Ressourcen meiner ­Meinung nach leicht möglich. Wenn noch dazu in sehr dicht bebautem Wohngebiet gearbeitet wird, ist jeder Lkw, der nicht durchfahren und Bodenaushub zur ­Deponie bringen muss, erstrebenswert.

Was sind nun die direkten rechtlichen Konsequenzen des Urteils auf die Gesetzgebung?

Christian Holzer: Unmittelbare Auswirkungen auf die österreichische Gesetzgebung hat das ­Urteil nur insofern, dass wir noch heuer eine Abfallende-­Verordnung für Boden auf den Weg bringen werden. Diese war schon geplant, sie wurde nur ein wenig beschleunigt und soll bis zum Ende des Jahres in trockenen Tüchern sein. Eine unmittelbare Notwendigkeit, an bestehenden Gesetzen, wie zum Beispiel dem ­Abfallwirtschaftsgesetz, etwas zu ändern, sehen wir aber nicht. Überholt sind aber auf alle Fälle die bestehenden Judikate des VWG betreffend die Vorbereitung zur Wiederverwendung. Diese setzt aber nach wie vor voraus, dass die Qualität ganz genau geprüft wird.

David Suchanek: Ich glaube auch, dass eine Verordnung mit genau definierten Grenzwerten und ­Verfahren ausreichend ist. So wie es jetzt ja auch schon in anderen Abfallendebestimmungen vorgezeichnet ist, gehe ich davon aus, dass wir das Rad nicht neu ­erfinden müssen. Es gibt auch schon fachliche Vor­gaben dafür. Daher kann man sich gut vorstellen, wie so eine Verordnung aussehen könnte. Wichtig ist dabei aber festzuhalten, dass der EuGH bei allen Über­legungen sowie allen ­entscheidungswesentlichen Ausführungen zumindest einmal das Kriterium "keine negativen Umweltfolgen" oder "keine negativen ­Folgen für Mensch und Umwelt" angeführt hat. Die Qualität ist daher immer entscheidend. Ich sehe daher keine Gefahr, dass man als Baufirma nun ableiten könnte, jeden Dreck einfach verwenden zu können.

Wie wichtig ist es, die Qualität des Bodenaushubs zu kennen, und wie kann man sie gewährleisten?

Kasper: Es ist natürlich wichtig, die bautechnischen und geotechnischen Eigenschaften des Bodenaushubs zu kennen. Auf der Baustelle darf nur Material ankommen, das die notwendigen Qualitäten aufweist und Prüfungen besteht. Deswegen arbeiten wir als Branche gemeinsam mit dem BMK im Normungsinstitut an einer Norm für Bodenaushaub, in der die technischen Parameter sowohl für Naturgestein als Bau­stoff als auch die Bodenaushübe als Baustoff definiert werden. Hinzu kommt, dass man die Qualitäten zeitgerecht wissen und im Augenblick, an dem der Aushub stattfindet, auch eine Verwendung für das Material im Umkreis von, sagen wir einmal, 20 Kilometern haben muss. Diese logistische Aufgabe kombiniert mit der technischen ist fast noch wichtiger als das Abfallende.

Wie kann man diese logistische Aufgabe bewältigen? Kann hier die Digitalisierung einen Beitrag leisten?

Jung: Ich glaube, dass der wesentliche Faktor die I­nformationen über den anfallenden Bodenaushub sowie den dezentralen Bedarf sein wird. Wenn ich meine digital geplanten Gebäude schon um den Faktor Zeit bei den Erdbauarbeiten erweitere, kann ich mein Projekt an andere in meiner Umgebung anpassen. ­Dadurch können Ressourcen, die jetzt als Abfall angesehen werden, plötzlich einen Wert bekommen. Ob ich diese dann versteigere oder verkaufe, da wird man ­Lösungen finden. Damit entstehen Synergien und ­Hebel, die in der Praxis sehr wirksam werden können.
Kasper: Genau da setzt eine App von Studenten der Montanuniversität an, die eine Plattform programmiert haben, auf der man einmelden kann wann, wo, welche und wie viel Materialien zur Verfügung ­stehen. Seit Beginn des Jahres läuft die Testphase in der Steiermark, danach wollen wir es in ganz ­Österreich ausrollen. Wichtig ist, dass die ­chemische und technische Beschreibung der Materialien vorhanden sein muss, sonst funktioniert das nicht.

Braucht es neben der kommenden Abfallendeverordnung noch mehr? Vielleicht ein digitales Register, wo alle Massen eingemeldet werden müssen?

Suchanek: Es ist schön zu sehen, dass wir alle das Gleiche wollen: Ressourcen schonen und die Umwelt nicht schädigen. Nur der Weg ist teilweise ein anderer. Das Urteil hat viel in Bewegung gebracht, eine Verordnung würde den Schlusspunkt darunter setzen und Klarheit schaffen. Ob ein digitales Register Sinn macht, ist eine Frage des Marktes. Ich höre aber immer wieder, dass mehr Informationen zur Verfügbarkeit im Abfallbereich sowie bei sehr spezifischen Materialien gewünscht und ein Beschleuniger für die Kreislaufwirtschaft wären. Ansonsten heißt es oft: "Ich kann das Zeug gar nicht so lange lagern, bis es wer braucht."

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