Baurecht

Widerruf wegen Überschreitung der Kostenschätzung

24.09.2025

Ein Widerruf ist nur unter bestimmten rechtlichen Voraussetzungen zulässig. Im Fall einer Budgetüberschreitung kann dies ein sachlicher Grund sein – wie ein aktuelles Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs zeigt.

Der Widerruf einer Ausschreibung ist grundsätzlich anfechtbar, wenn kein gesetzlich zulässiger Grund dafür vorlag. Im sogenannten „Oberschwellenbereich“ muss ein Auftraggeber den Widerruf zweistufig durchführen (wie beim Zuschlag): Zuerst ist allen Bietenden die (begründete) Widerrufsentscheidung zuzustellen, dann muss der Auftraggeber die zehntägige Stillhaltefrist abwarten, in der die Bietenden die Widerrufsentscheidung gerichtlich bekämpfen können. Erst danach darf er die Widerrufserklärung fällen, mit der das Vergabeverfahren beendet ist.
Im Unterschwellenbereich kann der Auftraggeber auch sofort eine Widerrufserklärung übermitteln (also ohne vorherige Widerrufsentscheidung und ohne Stillhaltefrist). In diesem Fall können die Bietenden diese Beendigung des Vergabeverfahrens nicht verhindern, sondern nur nachträglich bei Gericht die Feststellung beantragen, dass der Widerruf rechtswidrig gewesen wäre (und, wenn sie erfolgreich sind, auf dieser Basis danach unter Umständen Schadenersatz vom Auftraggeber verlangen).

Voraussetzungen und Verfahren eines Widerrufs

Im Vorjahr hatte der Verwaltungsgerichtshof in einem Fall der Anfechtung einer Widerrufserklärung zu entscheiden. Es wurde vorgebracht, dass der Auftraggeber den Widerrufsgrund der Budgetüberschreitung nur als „Schutzbehauptung“ verwendet hätte; er hätte nämlich nach Widerruf fast unverändert nochmals ausgeschrieben (also ohne den Versuch, durch Änderung die Kosten zu senken) und hätte damit auch eine bestimmte Bieterin oder einen bestimmten Bieter bevorzugen wollen. Außerdem wäre gar keine Budgetüberschreitung vorgelegen gewesen, denn das billigste Angebot (rund 1,9 Millionen Euro) hätte locker in den Gesamtprojektrahmen gepasst, der aufgrund einer Darlehensaufnahme des Auftraggebers 3 Millionen Euro ausmache.
Der VwGH stellte zunächst allgemein die Rechtslage für einen Widerruf dar. Es reicht, grob gesagt, jeder „sachliche Grund“ für einen Widerruf aus. Bei der Frage, ob ein sachlicher Grund vorliegt oder nicht, ist nach den – vom VwGH hier zitierten – Gesetzesmaterialien ausdrücklich „kein strenger Maßstab anzulegen“.

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Grobkostenschätzung als Maßstab für das Budget

Zur Frage der Budgetüberschreitung war der VwGH anderer Ansicht als der Antragstellende. Es sei nicht auf das Budget für das Gesamtprojekt abzustellen gewesen, sondern auf jenes für den konkret ausgeschriebenen Auftrag. Dafür gab es einen Budgetrahmen, der der Grobkostenschätzung vor Ausschreibung entsprach. Diese Grobkostenschätzung lautete auf 1,73 Millionen Euro. Die Höhe des billigsten Angebots mit rund 1,9 Millionen Euro sei laut VwGH „erheblich“ darüber gelegen. Das alleine stelle einen sachlichen Grund für den Widerruf dar. Auch der Umstand, dass die Grobkostenschätzung den Bietenden nicht bekannt war, sei laut VwGH kein Problem gewesen, denn eine Verpflichtung, solche Informationen bekanntzugeben, gibt es für einen Auftraggeber nicht.
Und letztlich erteilte der VwGH auch dem Vorbringen hinsichtlich der kaum geänderten Neuausschreibung und den behaupteten dahinterliegenden Motiven des Auftraggebers eine Absage. Weder aus dem Umstand, dass die Neuausschreibung nur geringfügige Änderungen der Eignungs- und Zuschlagskriterien, aber keine Änderung des Ausschreibungsgegenstands enthalten habe, noch aus der (vom VwGH nicht näher geprüften) Möglichkeit, dass diese Änderungen einer Mitbewerberin oder einem Mitbewerber des Antragstellenden zum Vorteil gereichen könnten, muss zwingend geschlossen werden, dass der Widerruf nicht der Einhaltung der Kostenschätzung gedient hätte. Dies begründete der VwGH insbesondere mit der zeitlichen Abfolge der Ereignisse: Die Überschreitung der Kostenschätzung durch alle Angebote sei bereits aufgrund der Angebotsöffnung und -bewertung, und daher vor der Entscheidung des Auftraggebers über eine allfällige Neuausschreibung, vorgelegen.


Der Autor

Thomas Kurz
© Heid & Partner; Hofer

RA Mag. Thomas Kurz ist Rechtsanwalt bei
Heid und Partner ­Rechts­­­anwälte GmbH, ­Kundmanngasse 21, A-1030 Wien
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