Vergaberecht

Zulässigkeit der verlängerten Gewährleistungsfrist

03.09.2025

In Vergabeverfahren wird immer wieder die Verlängerung der Gewährleistungsfrist als Zuschlagskriterium (Qualitätskriterium) verwendet. Der Verwaltungsgerichtshof hat in einer aktuellen Entscheidung Klarheit geschaffen.

Manche haben angezweifelt, ob ein solches Kriterium überhaupt zulässig wäre. Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat dies geklärt. Es ging um eine Ausschreibung (nach Widerruf der Vorausschreibung), in der neben dem Preis nur die Verlängerung der Gewährleistungsfrist festgelegt wurde, und zwar in einer Gewichtung von 90 (Preis) zu 10. Dies wurde vor dem Verwaltungsgericht angefochten. Dieses meinte, das Zuschlagssystem sei nicht geeignet, denn die Verlängerung der Gewährleistungsfrist habe keinen „engen Bezug zum Auftragsgegenstand“, es stelle „keinen Mehrwert bzw. keine höhere Qualität der konkreten Leistung sicher“. Außerdem hätte sich, wenn in der Vorausschreibung alle Bieter die maximale Verlängerung angeboten hätten, die Reihung nicht geändert, daher hätte „lediglich ein Preiswettbewerb“ stattgefunden.

Klare Abgrenzung gegenüber „Feigenblattkriterien“

Der VwGH war anderer Meinung. Zwar wären bloße „Feigenblattkriterien“ unzulässig. Solche liegen vor, wenn sie entweder aufgrund der geringen Gewichtung keinen relevanten Einfluss auf die Gesamtbewertung haben oder wenn voraussichtlich alle Bieter die maximale Bewertung erreichen (sodass es im Ergebnis wieder nur auf den Preis ankommt).
Beides war nach der Entscheidung des VwGH nicht der Fall. Der VwGH verwarf auch das Argument des Verwaltungsgerichts, dass in der Vorausschreibung nur ein Preiswettbewerb stattgefunden hätte: Man könne das nicht bloß im Nachhinein aufgrund des Angebotsergebnisses beurteilen. Das ist eine wichtige Klarstellung dieser seltsamen Annahme des Verwaltungsgerichts (wenn alle Ausschreibungen im Nachhinein unzulässig wären, in denen die Qualitätskriterien im Ergebnis doch nicht den Ausschlag gegeben haben, würde man als Auftraggeber völlig ratlos zurückbleiben).
Auch die Gewichtung mit zehn Prozent war laut VwGH ausreichend. Die Verlängerung der Gewährleistungsfrist sei weiters grundsätzlich ein zulässiges Kriterium. Es hänge jedenfalls mit dem Auftragsgegenstand zusammen. Ob es als einziges Kriterium neben dem Preis wirklich für ein Bestbietersystem geeignet sei, hänge von den Umständen des Einzelfalles ab.

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Unklare Aussagen zum Standardisierungsgrad

Schwer zu verstehen sind meines Erachtens nach die folgenden Ausführungen des VwGH: Der „Standardisierungsgrad […] (Grad der Vereinheitlichung der ausgeschriebenen Leistungen), sodass die Einreichung vergleichbarer Angebote auf einem definierten (Qualitäts-)Niveau gewährleistet wird“, könne wesentlich sein; und weiter: „Je höher der Standardisierungsgrad der ausgeschriebenen Bauleistungen und je genauer die technischen Spezifikationen […] festgelegt sind, desto mehr Bedeutung kann der Verlängerung der Gewährleistungsfrist als Qualitätskriterium zukommen.“
Was soll damit gemeint sein? Die Verlängerung der Gewährleistungsfrist, also ein verlängerter Anspruch auf Verbesserung von Mängeln (und andere Gewährleistungsbehelfe), hat nur dann keinen Wert, wenn davon auszugehen ist, dass innerhalb der nicht verlängerten Gewährleistungsfrist ohnehin alle Mängel hervorkommen werden (was wohl nur sehr selten der Fall ist). Freilich könnte der Auftraggeber die (maximale) Verlängerung bereits zwingend im Vertrag vorsehen; aber das gilt auch für viele andere (wenn auch nicht für alle) Qualitätskriterien. Und weiters hat die Verlängerung der Gewährleistungsfrist auch einen Bezug zum Preis, ebenso wie viele andere Qualitätskriterien, denn typischerweise muss sich der Bieter überlegen, ob und wie er das höhere Gewährleistungsrisiko einpreisen muss.
Was daher der Standardisierungsgrad von Bauleistungen mit der Bedeutung oder gar Zulässigkeit dieses Kriteriums zu tun haben soll (und warum bei wenig standardisierten, also eher komplexen und einzelfallbezogenen, Bauleistungen eine Verlängerung der Gewährleistungsfrist von geringerem Wert sein soll), erschließt sich mir nicht. Gerne aber können die Leser*innen Ideen und andere Überlegungen dazu mitteilen.


Der Autor

Thomas Kurz
© Heid & Partner; Hofer

RA Mag. Thomas Kurz ist Rechtsanwalt bei
Heid und Partner ­Rechts­­­anwälte GmbH, ­Kundmanngasse 21, A-1030 Wien
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