Abdichtungsbahnen

Wie grün sind Gründächer?

Dachabdichtung
09.06.2023

Diese Frage sorgt in letzter Zeit für manche Diskussion. Grund dafür sind mögliche Auswaschungen aus Dachbahnen, die Biozide enthalten und ins Grundwasser sowie in die Kanalisation gelangen können. Was bedeutet das für die Baupraxis? Wir haben den Stand der Dinge zusammengefasst.
Aktuell gibt es Diskussionen um mögliche Ausschwemmungen umweltbelastender Stoffe aus Dachbahnen. Dachmaterialhersteller arbeiten an Verbesserungen, und es gibt konstruktive Gespräche zwischen Interessenvertretungen und dem Abwasserverband.
Aktuell gibt es Diskussionen um mögliche Ausschwemmungen umweltbelastender Stoffe aus Dachbahnen. Dachmaterialhersteller arbeiten an Verbesserungen, und es gibt konstruktive Gespräche zwischen Interessenvertretungen und dem Abwasserverband.

Gründächer bieten Lebensraum für Menschen, Tiere und Pflanzen. Gründächer verbessern das Kleinklima und das globale Klima, sie schützen das Dach, kühlen den Raum darunter. Und sie sorgen für natürliche Wasserretention, die in immer stärker versiegelten Ballungsräumen immer wichtiger wird. Mit dem Wasser, das von Gründächern verzögert in die Kanalisation und in das Grundwasser bzw. in das Erdreich abgegeben wird, werden teilweise aber auch Schadstoffe ausgewaschen, wie internationale Studien belegen. Das ruft die Verantwortlichen von öffentlichen Bauauftraggebern, sprich Städten und Gemeinden, und des Österreichischen Wasser- und Abfallwirtschaftsverbands (ÖWAV) auf den Plan. Die Stadt Wien etwa ist sehr bemüht, den Einsatz von Bioziden, das ist der Sammelbegriff für Pestizide, Herbizide, Fungizide etc., möglichst zu vermeiden. Neben der Landwirtschaft seien Abschwemmungen aus Baustoffen an der Gebäudehülle eine Quelle für Biozideinträge in die Umwelt, so die Argumente, die etwa mit den Ökobaukriterien der Gründachförderungen für biozidhältige Dachbahnen ausschließen würden.

Wo sind problematische Stoffe enthalten?

Umweltbelastende Stoffe können in verschiedenen Materialien enthalten sein, die in der Fassade und am Dach verbaut werden. Betrachtet man das Dach, besonders das begrünte Flachdach, näher, dürfen hier laut ÖNorm B 3691 "Planung und Ausführung von Dachabdichtungen" folgende Abdichtungen verwendet werden:

  • Bitumenbahnen
  • Kunststoffbahnen aus flexiblen Polyolefinen (FPO/TPO)
  • Kunststoffbahnen aus weichgemachtem Polyvinylchlorid (PVC-P), bitumenverträglich
  • Kunststoffbahnen aus weichgemachtem Polyvinylchlorid (PVC-P), nicht bitumenbeständig
  • Kunststoffbahnen aus Polyisobuten (Polyiso-butylen) (PIB-BV)
  • Kunststoffbahnen aus vollvernetztem Ethylen-Propylen-Dien-Terpolymer (EPDM)
  • Kunststoffbahnen aus Ethylencopolymerisat-Bitumen (ECB)

Allen gemein ist im Fall einer Nutzung als Gründachabdichtung, dass die Abdichtungsbahnen wurzelfest sein müssen. Bei Kunststoffabdichtungsbahnen wird die Wurzelfestigkeit über eine mechanische Widerstandsfähigkeit gewährleistet. Bei Bitumenbahnen gibt es neben Bahnen, die einen "mechanisch-technischen" Wurzelschutz aufweisen, auch solche, die mit einem chemischen Wurzelschutz versetzt sind. Der dafür verwendete chemische Wirkstoff könnte bei Regen ausgewaschen werden und in das Grundwasser gelangen. Diese Bahnen sind die gängigsten am Markt und werden seit Jahrzehnten eingesetzt. Aber auch andere Produkte enthalten problematische Stoffe, die an die Umwelt abgegeben werden können. Beispielsweise enthalten EPDM-Bahnen Vernetzungshilfsmittel, PVC-Bahnen Weichmacher oder FPO/TPO-Bahnen Vernetzungshilfsmittel und Flammschutzmittel.

Der geringe Einsatz von chemischen Stoffen in Elastomer-Bitumenbahnen ist erforderlich, um die Sicherheit gegen Durchwurzelung dauerhaft zu gewährleisten.

Gernot Lindorfer, Büsscher & Hoffmann

Sind nun alle Dachbahnen bedenklich?

Nein. Alle in Österreich erhältlichen Dachbahnen sind nach höchsten Qualitätsstandards hergestellt und vielfach geprüft. Und generell arbeiten alle Hersteller laufend an der Reduktion von umweltrelevanten Inhaltsstoffen. Den Produzenten sind die möglichen Probleme der chemischen Inhaltsstoffe bekannt, und sie sollen auch nicht verschleiert werden.
Im Gegenteil, aktuell gibt es zahlreiche Arbeitsgemeinschaften, die Diskussionen und Veranstaltungen initiieren, um eine gemeinsame Lösung für biozidfreie Dachabdichtungen zu finden, die gleich gut verarbeitbar und haltbar sind. So hat kürzlich unter dem Motto "Sind wir noch ganz dicht?" auf Einladung von Grünstattgrau eine Veranstaltung im Haus der Wiener Umweltschutzabteilung (MA 22) stattgefunden. Im Beisein von Vertreter*innen von IBO, Baubook, ÖWAV und Bauphysiker*innen konnten Verbraucher*innen, Abdichter*innen und Hersteller ihre Standpunkte darlegen. Dabei wurden auch von allen namhaften in Österreich vertretenen Herstellern Produkte präsentiert, mit denen ökologisch unbedenkliche Gründachaufbauten hergestellt werden können. Es soll aber keine "guten" und "bösen" Produkte geben. "Der geringe Einsatz von chemischen Stoffen in Elastomer-Bitumenbahnen ist erforderlich, um die Sicherheit gegen Durchwurzelung dauerhaft zu gewährleisten. Der Einsatz hat sich durch Methoden der Verkapselung in den letzten Jahren auf ein Zehntel reduziert. Entsprechende Auswaschungsuntersuchungen, etwa durch das Fraunhofer Institut, belegen das", erklärt Gernot Lindorfer vom österreichischen Bitumenbahnen-Hersteller Büsscher & Hoffmann. 

Das wichtige nächste Ziel ist die Festlegung eines Grenzwertes, mit dem alle Beteiligten arbeiten können.

Peter Amann, Leiter des Fachausschusses 1, Verband für Bauwerksbegrünung

Ziel: Ökologische Produkte ohne Qualitätsverlust

Er ruft auch auf, "alles unter dem Aspekt der Verhältnismäßigkeit zu sehen. Die Auswaschung von Wurzelschutzausrüstungen für den gesamten Gründachbestand in Österreich, also von Wien bis Bregenz, ist geringer als die Belastung einer zehn Hektar großen bzw. kleinen konventionellen Landwirtschaft", führt Gernot Lindorfer an. Trotzdem nimmt er die Diskussion sehr ernst, und natürlich wird bei Büsscher & Hoffmann sowie in der gesamten Industrie an der weiteren Reduktion des chemischen Wurzelschutzes in Bitumenbahnen gearbeitet.
Denn das oberste Ziel aller Dachmaterialhersteller ist es, potenzielle Belastungen am Dach zu minimieren. "Dazu braucht es einen Schulterschluss zwischen allen am Dach beteiligten Produzenten, Professionisten und dem Abwasserverband ÖWAV. Das wichtige nächste Ziel ist die Festlegung eines Grenzwertes, mit dem alle Beteiligten arbeiten können", sagt Peter Amann, Leiter des Fachausschusses 1 des Verbands für Bauwerksbegrünung, der die Vermittlerrolle zwischen Verbraucher*innen und Herstellern von Dachabdichtungen übernommen hat. "Und es braucht eine Zusammenarbeit dieser Gruppen mit den Normengremien, um Richtlinien auszuarbeiten." Das Ziel sei es, möglichst emissionsfrei zu bauen. Eines muss dabei an oberster Stelle stehen, da sind sich alle einig: Die Ökologie der Produkte darf sich nicht negativ auf die Funktionalität der Abdichtung auswirken.