Der Preis ist heiß

Zu wenig Baustoffe, zu wenig Rohstoffe, zu wenig Facharbeiter, zu wenig Fahrer – aufgrund des Baubooms fehlt es in der Baubranche an allen Ecken. Das wird teuer.

Ein Transportbetonwerk in Österreich. Die Produktion läuft, das Auftragsbuch ist voll, die Lkws stehen jedoch herrenlos auf dem Hof und warten auf ihren Einsatz. Es fehlen ­Fahrer. Ein Umstand, den momentan viele Hersteller in der Baubranche beklagen. Der Bedarf ist groß, das Angebot gering. „Gute Fahrer zu bekommen ist momentan fast unmöglich“, bestätigt auch Andreas Wolf, Geschäftsführer von Mapei Austria. „Man muss schon froh sein, wenn der Fahrer ansatzweise Deutsch versteht.“ Dabei wird momentan so viel auf Österreichs Straßen transportiert wie noch nie. Schuld daran sei nicht nur das gestiegene Bauvolumen – auch das Bestellverhalten der Kunden habe sich in den vergangenen Jahren massiv verändert. „Die wenigsten Kunden betreiben noch selbst Lagerhaltung. Die Baustoffe werden just in time angeliefert, und auch die Mengen pro Bestellung werden immer kleiner“, so Wolf. Bei Mapei investierte man deshalb selbst in Außenlager, um die Transportwege möglichst kurz zu halten.  

In Deutschland ist die Nachfrage an Fahrern ähnlich hoch, aber die Bezahlung besser. Viele Fahrer aus Osteuropa, die vorher mit dem Lkw auf Österreichs Straßen unterwegs waren, gehen derzeit nach Deutschland. Das verschärft die Lage zusätzlich. Die Folge sind drastisch steigende Transportkosten – Erhöhungen zwischen fünf und 15 Prozent werden für 2019 prognostiziert. 

Rohstoffe sind Mangelware

Das schlägt sich auch auf die Baustoffpreise nieder, denn auf Dauer können die Hersteller diese Kostensteigerungen nicht schlucken. Die Logistik ist aber nur einer von gleich mehreren Preistreibern, die die Baubranche derzeit beschäftigen. Neben den jährlich steigenden Lohnkosten sorgen vor allem Ressourcen- und Rohstoff­verknappungen für rauchende Köpfe. Besonders gebeutelt wird derzeit die Bauchemiebranche. Das Resultat sind außerplanmäßige Preiserhöhungen, wie der Bauchemiehersteller Sika bereits Anfang des Sommers ankündigte. „Zwischen Oktober 2017 und März 2018 sind die Kunstharzrohstoffpreise um 51 Prozent gestiegen und zuletzt sogar um über 80 Prozent“, erklärte Samuel Plüss, Geschäftsführer von Sika Österreich, in einer Aussendung. Deshalb sah man sich gezwungen, die Preise auf ausgesuchte Produkte um zehn Prozent zu erhöhen.

Auch bei Mitbewerber BASF klettern die Preise im Bereich Bauchemie unter dem Jahr nach oben – im März um rund zehn Prozent für epoxybasierte Produkte der Marken MasterTop und ­MasterSeaIm, eine weitere Preiserhöhung im Bereich Betonzusatzmittel wurde gerade erst verkündet.

Nichtkalkulierter Preisanstieg schmerzt

Ähnlich geht es auch der Dämmstoffbranche. Hersteller wie ­Austrotherm, Steinbacher und Co kommunizieren Preiserhöhungen für ausgewählte Produkte auf ihren Websiten. Die wesent­lichen Kostentreiber sind neben steigenden Logistik- und Lohnkosten Veränderungen im Bereich Polystyrolrohstoffe“, so Austrotherm-­Geschäftsführer Gerald Prinzhorn. „Da der Rohstoff den wesent­lichen Kostenfaktor bei EPS- und XPS-Dämmstoffen ausmacht, ist es sehr schwierig, Preiserhöhungen abzufedern. Bis zu einem gewissen Grad kann ein Hersteller das tun. Aufgrund der starken Wettbewerbssituation ist das aber in größerem Umfang kaum möglich“, betont Prinzhorn. Man bemühe sich jedoch laufend um effiziente Prozesse. Beispielsweise wurde in den vergangenen Jahren in der Produktion Energiesparmaßnahmen umgesetzt.

Einer Preiserhöhung entgehen derzeit noch die Kunden von Rohrhersteller Pipelife. „In unseren Projektkalkulationen versuchen wir mit den prognostizierten Rohstoffpreisen mitzugleiten – hinken aber bei steigenden Preisen immer hinterher“, erklärt Michael Grabner, Pipelife-Geschäftsführer Austria. 2018 sind die thermoplastischen Kunststoffe PE und PP, die für die Rohr-Produktion verwendet werden, beträchtlich teurer geworden. Pipelife rechnet mit einem beinahe zweistelligen Preisanstieg im Vergleich zum Vorjahr. „Ein Jahr mit nichtkalkulierten Anstiegen wie heuer bei PE und PP tut ehrlicherweise ziemlich weh und kostet Spanne“, fährt Grabner fort. Durch Rationalisierungsmaßnahmen lassen sich diese Sprünge nicht kompensieren, dafür sei der PP- respektive der PE-Anteil mit bis zu 80 Prozent in den Rohren zu hoch. 

Rohstoffe vorhanden - Abbau verhindert

Aber auch in der Stein- und keramischen Industrie sind Preiserhöhungen ein großes Thema. Fünf bis 15 Prozent Zuschlag werden bei Sand und Zement erwartet. Ressourcenknappheit ist jedoch nicht der Grund des Preisanstiegs. „Mineralische Rohstoffe wie Sand, Kies und Naturstein sind für die nächsten Jahrzehnte ausreichend vorhanden. Österreich kann seinen Bedarf an Baurohstoffen zu 100 Prozent mit heimischen Rohstoffen abdecken“, betont ­An­dreas ­Pfeiler, Geschäftsführer des Fachverbands Steine + Keramik. Nur an die Rohstoffe heranzukommen, ist manchmal ein Problem. „Es muss ­sichergestellt werden, dass der Zugang zu den Lagerstätten durch Berücksichtigung in der Raumordnung beziehungsweise -planung gewährleistet wird. Wir unterliegen schlichtweg oftmals in der K­onkurrenz um andere Nutzungen.“ Als Beispiel nennt Pfeiler den Windpark Mönchhof, unter dem wertvolle mineralische Rohstoffe lagern. Hier wäre es sinnvoll gewesen, vor dem Bau des Windparks den Rohstoff abzubauen. 

Um den Bedarf an Schotter, Sand und Co auch weiterhin mit heimischen Rohstoffen abdecken zu können, sind Bewilligung neuer Abbaustätten bzw. Erweiterungen bestehender Abbaustätten in allen Bundesländern notwendig. Diese rufen allerdings regel­mäßig Bürgerinitiativen auf den Plan, die gegen weitere Steinbrüche in ihrer Gemeinde protestieren. Wie wichtig die stein-keramischen Unternehmen jedoch gerade für regionale Wertschöpfungskette und für Arbeitsplätze seien, werde dabei gern auch von der Politik übersehen, so Andreas Pfeiler. Er fordert deshalb vehement, dass „die Berücksichtigung des öffentlichen Interesses an der Rohstoffversorgung bei der Interessenabwägung dieselbe Priorität genießt wie der Umweltschutz!“

Wenn die Verknappung nicht das Problem ist, was macht Sand und Zement dann teurer? Auch das liegt – neben den bereits genannten Lohn-, Fracht- und Energiekostensteigerungen – vor allem am Umweltschutz. „Die Umweltauflagen für unsere Hersteller werden immer mehr und immer strenger, dadurch steigen die Produktionskosten“, so Pfeiler. Das Problem daran sei, dass dies von der Regierung in der Öffentlichkeit zu wenig kommuniziert werde. „Wenn wir wollen, dass Umweltschutz großgeschrieben wird, müssen wir aber auch dazusagen, dass Umweltschutz Geld kostet. Geld, das im End­effekt die Endkunden zahlen“, erklärt der Fachverband-Geschäftsführer.

Sonderfall Vorarlberg

In Vorarlberg kämpfen Hersteller und Verarbeiter noch mit ganz anderen Problemen. Dort lässt sich durchaus von Rohstoffverknappung sprechen, denn im Ländle fehlt es an Kies und Schotter. Thomas Peter, Vorarlberger Spartengeschäftsführer Gewerbe und Handwerk: „Vorarlberg ist ein rohstoffreiches Land – Kies und Schotter­ wären ausreichend vorhanden. Was fehlt, sind die Abbaubewilligungen. Um unseren Bedarf zu decken, brauchten wir dringend zusätzliche Bewilligungen. Die überhitzte Baukonjunktur hat die Lage weiter verschärft.“ Eine von der Landesregierung Vorarlberg in Auftrag gegebene Studie liefert Zahlen. Rund vier Millionen Tonnen mineralischen Rohstoffs werden pro Jahr in Vorarlberg benötigt. Derzeit fehlen jährlich bereits 230.000 Tonnen. Durch Rohstoffabbau und verwertbare Baugrubenaushübe können 3,5 Millionen Tonnen jährlich im Land produziert werden – Tendenz sinkend. 

Die fehlende Menge wird vorrangig aus Deutschland importiert. Dort ist nicht nur genügend Kies und Schotter vorhanden, dieser ist auch noch billiger – um 40 bis 50 Prozent laut Zeitungsberichten. „Das liegt daran, dass das Land Vorarlberg beim Kiesabbau eine Naturschutzabgabe einhebt, die den Preis in die Höhe treibt“, erklärt Thomas Peter. Dieser Satz liegt momentan bei 75,8 Cent pro Tonne. 35 Prozent davon erhält die betroffene Gemeinde, der Rest geht an Naturschutzfonds. „Wir versuchen seit Jahrzehnten die Naturschutzabgabe zu kippen oder zumindest die Einhebeart zu ändern“, berichtet der Spartengeschäftsführer. Bis zum obersten Gerichtshof sei man schon gegangen, allerdings ohne Erfolg. 

Empfehlung: Weniger Fixpreise

Bauunternehmen stehen nun vor der Herausforderung, die Preissteigerungen am Baustoffsektor auch in ihre Angebote einzupreisen und an den Auftraggeber weiterzugeben. Trotz der florierenden Baukonjunktur scheinbar kein leichtes Unterfangen – in der aktuellen Bauzeitungsumfrage (Seite 5) gaben 41 Prozent der Befragten an, dass sie als Bauunternehmen die Preiserhöhungen kaum weiter­geben können. Thomas Peter hat angesichts des aktuellen Baubooms dafür nur wenig Verständnis. „Die Unternehmer jammern auf sehr hohem Niveau. Wer in der momentanen Situation Preissteigerungen nicht weitergeben kann, ist selber schuld.“ Diese Ansicht teilt auch Michael Grabner von Pipelife: „In Zeiten der guten Konjunktur, wo dem Vernehmen nach bei vielen Betrieben der Bauindustrie sowie des Bauhaupt- und -nebengewerbes die Auslastung bis weit ins nächste Jahr hinein schon recht gut ist, sollte man meinen, dass dies möglich ist und auch gemacht wird. Manche Auftrag­geber ­klagen auch bereits über ein deutliches Anziehen der Baupreise.“

Um bei künftigen Preiserhöhungen nicht auf den Zusatzkosten ­sitzenzubleiben zu müssen, rät Austrotherm-Geschäftsführer ­Prinzhorn den Bauunternehmen Folgendes. „Ich empfehle, dass Bauunternehmen preis­volatile Baustoffe nicht als Fixpreis kalkulieren, sondern als indexierten Wert. Weiters sollte man vorsichtig bei Objektpreisen sein, die weit in der Zukunft liegen.“

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