Recycling von Dämmmaterial

Recycling
20.11.2019

Von: Ulrike Schmidbauer
Dämmstoffe aus dem Rückbau werden in Österreich in der Praxis noch nicht rezykliert.

Dämmstoffe sind seit Jahrzehnten ein fester Bestandteil im Bauwesen. Ihre große Bedeutung begann Anfang der 1970er Jahre, als aufgrund der Energiekrise die Preise für Energie rapide anstiegen. Aufgrund ihrer langen Nutzungsdauer weisen Dämmstoffabfälle zurzeit ein geringes Aufkommen auf, welches aber in den nächsten Jahrzehnten steigen wird. Daher wurde und wird in der Branche über Recycling und Entsorgung nachgedacht und geforscht. Teils gelangen Dämmstoffabfälle schon als Kompostprodukte auf dem Markt. Vielfach kommt es aber im Zuge des Bau- und Sanierungsgeschehens zu untrennbaren Verbindungen. Wird Dämmmaterial mit dem Untergrund verklebt oder im Materialverbund mit Putzmörteln als Wärmeverbundsystem eingesetzt, erschwert dies den zerstörungsfreien und sortenreinen Rückbau, und der Aufwand für das Recycling steigt. Ökologische Dämmstoffe wie Flachs, Hanf, Holzfaserdämmung, Kork, Schafwolle, Stroh und Zellulose werden zumeist verbrannt, damit einerseits eine Verringerung des Abfallaufkommens erfolgt und andererseits deren Heizwert genutzt werden kann. Dies liegt auch am erst relativ jungen Trend, diese Produkte zu verwenden und den damit bisher kaum angefallenen Abfallmengen, weshalb noch keine speziellen Recyclingverfahren für diese Stoffe entwickelt wurden.

Lösungsweg chemisches Recycling
Der künstlich hergestellte Polystyrol-­Hartschaum wurde 1957 zum ersten Mal verwendet und von BASF unter dem Markennamen Styropor vertrieben. Er war zwar weit von dem heutigen Standard entfernt, sorgte aber schon damals für Heizenergieersparnisse. Ab Mitte der Sechzigerjahre wurde dieses System in größerem Umfang eingesetzt. Heute gehören die Schaumstoffe EPS, XPS und PUR zur größten Produktgruppe am österreichischen Dämmmarkt. Im Jahr 2017 wurden in Österreich 3,315 Millionen Kubikmeter davon verarbeitet. „Da Polystyrol sehr langlebig ist, bleibt noch etwas Zeit, um die nötige Recycling-Infrastruktur zu schaffen“, sagt Clemens Demacsek von der Güteschutzgemeinschaft Polystyrol-Hartschaum. Das Recycling von Schaumstoffen, die mit diversen Baustoffen verbunden sind, war bis dato kompliziert. Durch das sogenannte CreaSolv-Verfahren, eine vom Fraunhofer-Institut entwickelte Technologie, wird ein effizienter Recyclingprozess Realität. Im Südwesten der Niederlande soll in naher Zukunft eine Pilot­anlage mit einer Jahresleistung von 30.000 Tonnen errichtet werden. Über 60 Unternehmen und Verbände, da­runter auch der österreichische Dämmstoffpionier Austrotherm, haben sich an diesem groß angelegten und von der EU geförderten Projekt mittlerweile beteiligt. Dabei wird der Dämmmüll zunächst zerkleinert und mittels eins Lösungsmittels verflüssigt. Dabei werden Fremdstoffe wie Kleber- und Putzreste separiert, sodass sie mit einem Filter entfernt werden können. Durch die Zugabe einer weiteren Flüssigkeit verwandelt sich das Poly­styrol in ein Gel, während das mittlerweile verbotene Additiv HBCD in der Restflüssigkeit verbleibt. Das Polystyrol-Gel wird dann von der Prozessflüssigkeit getrennt, gereinigt und zu Polymergranulat verarbeitet. Das im HBCD enthaltene wertvolle Brom kann ebenfalls zurückgewonnen und wiederverwendet werden. „Das rezyklierte Poly­styrol hat eine so hohe Qualität, dass sich damit neues Dämmmaterial herstellen lässt. Für das Recycling wird rund siebenmal weniger Energie benötigt als für die Produktion von neuem Polystyrol“, sagt Andreas Mäurer, Leiter der Verfahrensentwicklung Polymer-Recycling des Fraunhofer-Instituts. „Die Sammlung und Lagerung von Polystyrol-Abfällen hat bereits begonnen“, versichert Demacsek.

Dilemma Schlüsselnummer
Mineralwolldämmprodukte sind die zweitgrößte Produktgruppe am österreichischen Dämmmarkt. Im Jahr 2017 wurden rund 2,6 Millionen Kubikmeter verbaut. Als Ausgangsmaterial für die Herstellung von Glaswolle wird bereits zu 50–70 Prozent Altglas herangezogen. Auch bei der Produktion von Steinwolle werden Altglas, Mineralwollreste aus der Steinwollfertigung und Baustellenverschnitt verwendet. Bei verbauter Mineralwolle ist es noch schwierig, den für das Recycling notwendigen Reinheitsgrad zu erreichen. „Allerdings arbeiten alle Mineralwollhersteller zusammen mit der Montanuniversität an einer Recyclinglösung. Dies kann jedoch noch Jahre dauern“, sagt Roland Pomberger, Universitätsprofessor an der Montanuniversität. Eine thermische Verwertung von Mineralwolle ist nicht möglich. Sie wird daher gegenwärtig durch Deponierung entsorgt. Die künftig neu zu schaffende Schlüsselnummer sorgt daher für Aufregung, da Mineralwoll­abfälle auf die gleiche Art wie asbesthaltige Abfälle entsorgt werden sollen. Grund dafür ist, dass die alte Mineralwolle, die vor 1995 produziert und vertrieben wurde, als krebserregend eingestuft wird. „Die Internationale Agentur für Krebsforschung kam bereits 2001 zu dem Schluss, dass sowohl „alte“ als auch „neue“ Mineralwolle unbedenklich sind. Da die Deponiebetreiber keine Unterscheidung zwischen neuer und alter Dämmwolle treffen können, müssen derzeit fälschlicherweise alle Dämmwollabfälle wie Asbestabfälle entsorgt werden. Insgesamt führt dies zu extrem hohen Entsorgungskosten, benötigt ein Vielfaches der Deponiefläche und dürfte als Nebeneffekt auch einen Entsorgungsnotstand für Asbestabfälle auslösen. Vermischt mit Asbest­abfällen würden die Mineralwollabfälle als recyclingfähiger Rohstoff in naher Zukunft nicht mehr eingesetzt werden können, was nicht im Sinne der Grundsätze der Kreislaufwirtschaft wäre“, schildert Pomberger. „Das Ergebnis muss eine eigene Schlüsselnummer und eine rechtlich zulässige und in der Praxis durchführbare Entsorgungsmöglichkeit für alte Mineralwolle sein“, betont Udo Klamminger, Vorstandsvorsitzender der Fachvereinigung Mineralwollindustrie.

Kletten statt kleben
n zentraler Aspekt der Kreislaufwirtschaft ist die demontagegerechte Kon­struktion. Damit Produkte recycelt werden können, müssen sie einfach auseinandernehmbar und in verschiedene Materialien zerlegbar sein. Einen großen Schritt in diese Richtung machte der Wärmedämmspezialist Sto in Zusammenarbeit mit der TU Graz. In dem Projekt „facade4zeroWaste“ entwickelten sie ein weitgehend sortenrein rezyklierbares Fassadensystem mit Klett-Befestigung und wurden dafür mit dem „Baustoff-Recycling-Award“ ausgezeichnet. Die Idee stammt aus der Natur. Hierbei diente die Klettfrucht als Vorbild. Die Lösung ist ein speziell entwickelter Dübel mit Pilzkopfoberfläche und eine Putzträgerplatte aus recyceltem Altglas mit rückseitigem Schlaufenklett. Die Klettflächen werden schon bei der Herstellung in die Trägerplatte inte­griert und lassen sich nach der Demontage wiederverwenden. „Das FassadendämmSystem StoSystain® R wird nach der Zulassung nur im System angeboten. In der Startphase wird der nicht brennbare Dämmstoff der Sto-Steinwolle­platte vlieskaschiert verwendet, weitere Dämmstoffe aus dem Sto-Sortiment sollen folgen“, berichtet Sabine Stroitz, Pressesprecherin von Sto.

Dämmen mit Jeanshosen
Rund um den Globus sind Hersteller an einer Erhöhung der Recyclingquote interessiert. Dadurch finden Abfallma­terialien immer häufiger einen neuen Einsatz in ganz anderen Produktkontexten und tragen damit zur Reduktion von Umweltschädigungen und Deponievolumen bei. Unter der Marke ­„UltraTouch™ Denim Insulation“ ist in den USA eine Dämmmatte aus alten Jeanshosen erhältlich, die einen Recyclinganteil von 80 Prozent aufweist und zu 100 Prozent recycelt werden kann. Sie ist brandbeständig, bietet Wärme- sowie Schallschutz und ist mit einem ungiftigen Schimmelschutzmittel behandelt. Bei der Herstellung ist nur ein Minimum an Energie notwendig. Die Verwendung von Altfasern aus Jeanshosen zeigt, wie naheliegende Zusammenhänge bislang ungenutzter Ressourcen aus fachfremden Kontexten in neuen Produkten verwendet werden können und so zu einer Kreislaufwirtschaft führen.

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