Fassade

Dauerbrenner Brandschutz

Brandschutz
13.11.2023

Brandschutz ist ein Dauerbrenner bei der Realisierung von Bauprojekten. Das erfordert eine gründliche Auseinandersetzung mit dem Thema, um alle Regelungen bestmöglich umzusetzen. Wir haben im Interview mit dem Brandschutzexperten Michael Peham die vorgehängte hinterlüftete Fassade unter die Lupe genommen.
In der OIB-Richtlinie 2 sowie in den OIB-Richtlinien 2.1, 2.2 und 2.3 werden die Anforderungen an den Brandschutz festgelegt.
In der OIB-Richtlinie 2 sowie in den OIB-Richtlinien 2.1, 2.2 und 2.3 werden die Anforderungen an den Brandschutz festgelegt.

Wie sind Brandschutzmaßnahmen in Österreich geregelt?

Michael Peham: Die OIB-Richtlinien dienen der Harmonisierung der bautechnischen Vorschriften in Österreich. Sie werden vom Österreichischen Institut für Bautechnik herausgegeben und stehen den Bundesländern zur Verfügung, die die OIB-Richtlinien in ihren Bauordnungen für verbindlich erklären können. Von den OIB-Richtlinien kann jedoch gemäß den Bestimmungen in den diesbezüglichen Verordnungen der Bundesländer abgewichen werden, wenn der Bauwerber nachweist, dass ein gleichwertiges Schutzniveau erreicht wird wie bei Einhaltung der OIB-Richtlinien. Das soll die notwendige Flexibilität für innovative architektonische und technische Lösungen sicherstellen. In der OIB-Richtlinie 2 sowie in den OIB-Richtlinien 2.1, 2.2 und 2.3 werden die Anforderungen an den Brandschutz festgelegt. Auf diese Weise wird das Brandverhalten von Baustoffen in Österreich generell geregelt, darunter also auch das Brandverhalten von Fassaden und dementsprechend auch von vorgehängten hinterlüfteten Fassaden (VHF). Die Erläuternden Bemerkungen zu jeder OIB-Richtlinie helfen bei der Auslegung der OIB-Richtlinien. Auf diese Weise wird einerseits den Architekten mehr Spielraum in der Gestaltung gelassen und andererseits den Brandsachverständigen klare Richtlinien gegeben, um die Einhaltung der Schutzziele bewerten zu können. Die OIB-Richtlinie ist der Grundfaden, an dem man sich hält.

Was sind die wichtigsten Parameter für Brandschutz bei der VHF?

Abhängig von der jeweiligen Gebäudeklasse gelten unterschiedliche Anforderungen an das Brandverhalten der einzelnen Komponenten des Fassadensystems beziehungsweise alternativ an das Brandverhalten des kompletten Systems. Neben den Anforderungen an das Brandverhalten der einzelnen Komponenten oder des Gesamtsystems gibt es für die Gebäudeklassen 4 und 5 noch zusätzliche Schutzziele. Dazu gehören Vorkehrungen, dass der Brand sich nicht über die Fassade nach oben weiter ausbreiten darf und im Brandfall keine großen Teile von der Fassade abfallen dürfen. Das Hauptaugenmerk richtet sich also auf die wirksame Einschränkung der Brandweiterleitung entlang der Fassade und die wirksame Einschränkung des Herabfallens großer Fassadenteile. Daraus leiten sich dann die weiteren Details ab.

Zur Bewertung einer VHF gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten: Man prüft das Brandverhalten des gesamten Fassadenaufbaus im SBI-Test oder man prüft die Einzelkomponenten.

Brandschutzexperte Michael Peham

Welche Rolle spielt die Gebäudeklasse beim Brandschutz?

In der Tabelle 1a in der OIB-Richtlinie 2 können die jeweiligen Anforderungen für die Gebäudeklassen GK 1 bis GK 5 entnommen werden, in der im Detail beschrieben wird, welche Möglichkeiten man hat. In den Gebäudeklassen 1 darf beispielsweise ein Gesamtsystem der klasse E verwendet werden und in den Gebäudeklassen 2 und 3 Gesamtsysteme der Klasse D. Mit steigender Gebäudehöhe steigen die Anforderungen weiter. Die Anforderungen für Hochhäuser, das sind Gebäude mit einem Fluchtniveau von mehr als 22 Metern, sind in der OIB-Richtlinie 2.3 separat geregelt. Im Hochhaus dürfen grundsätzlich nur nichtbrennbare Systeme eingesetzt werden. Die OIB-Richtlinie 2 mit Stand Mai 2023 wird in den nächsten Monaten in den Bundesländern umgesetzt.

Nach welchen Kriterien wird hier bewertet?

Zur Bewertung einer VHF gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten: Man prüft das Brandverhalten des gesamten Fassadenaufbaus im SBI-Test. Dabei wird das Gesamtsystem bestehend Unterkonstruktion, Wärmedämmung und Bekleidungsmaterial geprüft. Die andere Möglichkeit ist, die Einzelkomponenten zu prüfen. Dazu gehören die Außenschicht, die Unterkonstruktion und die Wärmedämmschicht. Generell sollte man sich bei der Planung und Verarbeitung an die Vorgaben der OIB-Richtlinie halten. Bei einem Abweichen muss der Bauwerber nachweisen, dass ein gleichwertiges Schutzniveau erreicht wird wie bei Einhaltung der OIB-Richtlinien.

Wie wird das gesetzlich geregelt?

Wichtig ist zu wissen, dass der Planer stets selbst die Verantwortung für die Planung trägt. Der Verarbeiter hat die Aufgabe, die Planung exakt umzusetzen. Die Verantwortung bleibt jedoch immer beim Planer. Es muss alles klar definiert sein, der Planer muss die Entscheidungen bis ins Detail treffen. Detaillierte Informationen zur Planung der VHF gibt es unter anderem in der IFD-Richtlinie, die man sich auf der Webseite des ÖFHF herunterladen kann.

Wesentlich in der VHF ist die Vermeidung einer Brandausbreitung im Hinterlüftungsraum, die sowohl bei brennbaren als auch bei nicht brennbarer Bekleidung relevant ist.

Brandschutzexperte Michael Peham

Kann man die Brandausbreitung durch Maßnahmen schon prophylaktisch eindämmen / reduzieren?

Es gibt dafür eine Reihe von Möglichkeiten, aber im Sinne der Gestaltungsfreiheit für die Architekten wird dieser Punkt grundsätzlich offengelassen. Hersteller geben meist genaue Planungsdetails vor, die sich oft an den Anforderungen der höheren Gebäudeklassen orientieren. Das Brandverhalten von Fassaden kann natürlich durch die Auswahl der Materialien an sich sowie durch konstruktive Maßnahmen verbessert werden. Wesentlich in der VHF ist die Vermeidung einer Brandausbreitung im Hinterlüftungsraum, die sowohl bei brennbaren als auch bei nicht brennbarer Bekleidung relevant ist. Durch eine geeignete Ausbildung des Fenstersturzes wird vermieden, dass Flammen aus dem Brandgeschoss in den Hinterlüftungsraum eindringen. Zusätzlich können weitere Brandsperren im Hinterlüftungsraum dies verhindern.

In Deutschland gibt es Brandsperren für die Dämmung. Gibt es in Österreich etwas Ähnliches?

Die meisten in Österreich geprüften Systeme kommen ohne Brandsperren aus beziehungsweise versucht man grundsätzlich Lösungen ohne Brandsperren zu finden, um den zusätzlichen Montageaufwand vermeiden zu können. Der Fenstersturz wird deshalb meist mit nicht brennbaren Materialien ausgeführt, um zu vermeiden, dass im Brandfall, wenn die Flammen aus dem Fenster schlagen, das Feuer nicht direkt in den Hinterlüftungsraum zwischen Fassadenbekleidung und Dämmung – die Besonderheit einer VHF – hineindringt.

Wie wird das in Österreich dann gehandhabt?

Viele Hersteller in Österreich weisen das Einhalten der Schutzziele mit dem Fassadenbrandtest nach ÖNorm B 3800-5 nach. Das so geprüfte System ist dann auch in der Praxis wie geprüft umzusetzen. Nicht geprüfte Systeme sind zulässig, wenn durch eine geschossweise angebrachte Brandsperre in Form eines zwanzig Zentimeter auskragenden Blechs die Einhaltung der Schutzziele gewährleistet ist. Dieses Stahlblech unterbricht die Hinterlüftung und verhindert damit die Brandweiterleitung im Hinterlüftungsraum.

In der Praxis hat sich gerade bei der VHF eine mineralische Dämmung als baubiologisch vorteilhafte Lösung erwiesen, weil die Feuchtigkeit, die das Gebäude abgibt, durchdiffundieren kann.

Brandschutzexperte Michael Peham

Die Dämmung ist immer ein heikler Punkt beim Brandschutz. Welche Vorkehrungen kann man treffen?

Die Anforderungen an das Brandverhalten von VHF steigen von niedrigen zu höheren Gebäuden stetig an. Brandschutzexperten empfehlen oft nicht brennbare Dämmstoffe wie Mineralwolle. Brennbare Dämmstoffe für alle Gebäudeklassen sind gemäß Tabelle 1a der OIB-Richtlinie 2 für alle Gebäudeklassen erlaubt. In anderen Worten: Die OIB-Richtlinie 2 erlaubt grundsätzlich die Verwendung von brennbaren Dämmmaterialien, sofern das Brandverhalten von Unterkonstruktion und Bekleidung die jeweiligen Anforderungen erfüllt. In der Praxis hat sich gerade bei der VHF eine mineralische Dämmung als baubiologisch vorteilhafte Lösung erwiesen, weil die Feuchtigkeit, die das Gebäude abgibt, durchdiffundieren kann.
Wenn jemand einen alternativen Dämmstoff bevorzugt, kann er dies im Einfamilienhausbau uneingeschränkt machen. Hier können auch andere Dämmstoffe Wie Schafwolle, Papierschnitzel oder Jeansstoffstreifen eingesetzt werden. Bei Gebäudeklasse 2 und 3 muss dann die Brandklasse D erreicht werden, wobei auch hier nachwachsende Dämmstoffe zum Einsatz kommen können, die entsprechend mit Brandschutzmittel behandelt sind.

Sie sagen, Holz kommt eher selten vor, obwohl man es – entsprechend vorbereitet für den Brandfall – bis in die Gebäudeklasse 5 einsetzen darf. Was sind die gängigsten Materialien für die VHF?

Die gängigsten Materialien sind HPL Compactplatten, Aluminium- und Aluminiumverbundplatten und Faserzement. Daneben gibt es auch keramische Platten und Steinplatten für höherwertige Objekte. Diese erfordern allerdings aufgrund ihres Gewichts spezielle Unterkonstruktionen.

Welche wesentlichen Vorteile bietet eine VHF im Vergleich zu anderen Fassadensystemen im Brandfall?

Ein wesentlicher Vorteil ist, dass man einzelne Elemente, die beschädigt sind, entnehmen und ersetzen kann. Im Vergleich zu anderen Fassadensystemen lässt sich die korrekte Montage auch nach Fertigstellung zerstörungsfrei durch Sichtprüfung feststellen. Zusätzliche Sicherheit ergibt sich dadurch, dass die Montage von VHF durch spezialisierte Fachbetriebe erfolgt. Zudem ist eine VHF leicht und schnell montiert, genauso leicht ist sie wieder demontiert. Das ist ein wichtiges Argument in der „End-of-Life“-Frage, da die VHF wieder in alle Bestandteile zerlegt werden kann.

Gibt es wichtige Neuerungen/Ergänzungen bei den Bestimmungen?

Das Merkblatt Brandschutz des ÖFHF wird gerade überarbeitet, um die Neuerung der OIB-Richtlinien 2023 zu berücksichtigen, die den aktuellen Entwicklungen bei Photovoltaik-Fassaden und begrünten Fassaden Rechnung trägt. Der Grund dafür ist, dass es dafür bisher noch keine genauen Regelungen gibt. Das wird wahrscheinlich im ersten Quartal 2024 veröffentlicht werden.

Wie sieht es mit aktuellen Studien/Forschungsprojekten aus? Gibt es neue Erkenntnisse?

In einem österreichischen Forschungsprojekt der MA 39 werden derzeit die Möglichkeiten der Nutzung von Photovoltaik im Hochhaus geprüft. Dies ist derzeit nicht möglich, da Photovoltaik-Module nicht die aktuellen Anforderungen für die Brandklasse A (nicht brennbar) erfüllen. Auf Europäischer Ebene läuft ein Projekt zur Entwicklung eines Fassadenbrandtests, der künftig die nationalen Tests ablösen könnte. Es gibt derzeit aber noch keine Klarheit, ob aus dem Forschungsprojekt direkt eine Europäische Norm entwickelt werden soll.
(bt)

Brandschutzexperte Michael Peham

Brandschutzexperte Michael Peham ist Application Engineering und Product & Certification Expert bei Fundermax sowie Vorstandsmitglied des Österreichischen Fachverbands für hinterlüftete Fassaden (ÖFHF).