Trendschau

Von 3D-Fassaden bis zur Fassadenbegrünung

Zukunftstrend
21.06.2023

Hülle und Fülle sind im Fassadenbau das Dauerthema. Es setzen sich immer wieder neue Trends durch, wie 3D-Fassaden oder nachhaltige Fassadensysteme.

Beginnen wir in der Mitte Österreichs, wo Eigentümer Wolfgang Rieder sein Unternehmen auf eine ambitionierte Reise schickt. Das erklärte Ziel ist es, bis 2030 klimapositiv zu bilanzieren. Wie das gehen soll? Die Antwort liegt klar auf dem Tisch: mit Beton ohne Zement.

Was im Trend ist und was nicht mehr

Dass dies möglich ist, hat die Rieder Group mit ihrem eigenen neuen Headquarter in Maishofen, genannt glemm21, bereits unter Beweis gestellt – eine stillgelegte Bus­garage, in der etliche andere Komponenten nach dem Motto "Reuse and Recycle" eingesetzt wurden. Dazu zählen beispielsweise Betonstützen aus den alten Rieder-­Werken oder 150 Tonnen recycelte Stahl­träger. Mit dem Bauen im Bestand sparte Rieder rund 1.000 Tonnen CO₂ gegenüber einem Neubau ein und schuf zugleich ein Musterbeispiel für ressourceneffizientes zirkuläres Bauen. Sozusagen im Selbstversuch wurde hier alles ausprobiert, worauf es in Zukunft ankommen wird: Nichts Neues bauen, sondern Vorhandenes nutzen, auf diesem Weg graue Energie einsparen und keine weiteren Flächen versiegeln. Damit ist schon viel getan. Neben der drastischen Reduktion von CO₂ in Form von CO₂-reduzierten Baustoffen – um nicht zu sagen: Es weit mehr zu kompensieren als es zu verursachen – haben für Wolfgang Rieder vor allem auch Farb- und Formenvielfalt eine große Zukunft: "3D-­­Fassaden und gestaltete Fassaden sind im Trend, die reine Plattenfassade hat eher ausgedient." Auch in die Fassade integrierten Zusatzfunktionen gegenüber äußert er sich aufgeschlossen: "Die Aufnahmen zusätzlicher Funktionen sehen wir als positiv an, jedoch ist die Gestaltung dabei schwierig. Der Kompromiss zwischen Ästhetik und Nutzen ist schwer zu finden, wenn so viele Ansprüche an die Fassade gestellt werden."

Erdgeschoss eines Gebäudes mit grauer Fassade
Beim neuen Rieder Campus im ­Einsatz: Die Textur ­"slate" in der Farbe "pine green" erzeugt eine Schieferoptik. 

Mit dem Headquarter hat er für all das schon die ersten Schritte gesetzt: Die 400 Quadratmeter große Fassadenfläche wird von Glasfaserbetonelementen mit reduziertem Zementanteil umhüllt. 50 Prozent des Zements in der Betonma­trix wurden durch Alternativstoffe ersetzt, womit eine CO₂-Reduktion von 30 Prozent erreicht wurde. "Der Lebenszyklus von Gebäuden muss länger werden", ist Wolfgang Rieder überzeugt. Das gelingt nicht nur durch Umnutzung und Revitalisierung bestehender Bauten, sondern auch durch langlebigere Baumaterialien etwa durch das Ersetzen des Zements durch Puzzolane, die beim römischen Gussmauerwerk als Bindemittel beigemengt wurden. Sukzessive wird der Zement der Rieder-Fassadenplatten daher durch natürliche und lokale Puzzolane ersetzt, bei denen in der Herstellung deutlich geringere CO₂-Emissionen zu verzeichnen sind.

Recycelte Dämmmaterialien am Zug

Ordentlich Bewegung in Sachen Wertstoffkreislauf bringt auch Weber Terranova in sein Portfolio. ­Michael Gromek, Verkaufsleiter bei Weber Terranova, sieht ganz klar drei Trends vorherrschend: "Zum ­einen ganz klar die Nachhaltigkeit – einerseits bezogen auf das Produkt und andererseits auf die Recyclingfähigkeit des Materials. Hand in Hand geht damit der Trend in Richtung Holz, der nachwachsende Rohstoff, der beim Bauen und neuerdings auch bei Fassaden immer beliebter wird. Last, but not least ist aufgrund der deutlich gestiegenen Baukosten aktuell auch ein starker Trend in Richtung Kostenbewusstsein spürbar." Dass das keine reinen Lippenbekenntnisse sind, stellen die ambitionierten Initiativen des Unternehmens unter Beweis. So haben sich Saint-­Gobain Weber Terranova und das Schweizer Unternehmen Swisspor zusammengeschlossen, um gemeinsam EPS- und XPS-Materialien von Baustellen zu sammeln, zu recyceln und wiederaufzubereiten. Swisspor hat ein innovatives Recycling für EPS- und XPS-Wärmedämmungen entwickelt und in Betrieb genommen, auf das Weber Terranova bereits setzt und in Zukunft noch verstärkt setzen wird.

Ein zweiter Schritt war die Entwicklung des nachhaltigen Fassadensystems Webertherm freestyle GW, ein mit 7,5 Kilogramm bei 20 Zentimetern Dämmdicke verblüffend leichtes und dennoch sehr druckfestes und formstabiles Mineralwolle-Wärmedämm-­Verbundsystem, dessen Glaswollekern zu 80 Prozent aus Recyclingglas besteht. Ausgestattet mit einer extrem niedrigen Wärmeleitfähigkeit von λ = 0,034 W punktet Webertherm freestyle GW mit Vorteilen wie beispielsweise A2-geprüftem Brandschutz und perfektem Schallschutz. Auch ökologisch betrachtet überzeugt das Produkt, denn die Dämmplatten werden mit reinem Ökostrom produziert und enthalten keinerlei Biozide oder Brandhemmer.

Außerdem kann das System mit den biozidfreien AquaBa­lance-Dünnputzen oder mit einer Vielzahl von anderen Deckbeschichtungen von Weber Terranova veredelt werden. "Neben optischen Trends werden Bau­herren zunehmend auch ökologische Überlegungen wie etwa Nachhaltigkeit oder Recyclingfähigkeit in ihre Entscheidung miteinbeziehen", erklärt Gromek. "Die Zeit ist reif für ein recyclingfähiges Dämmprodukt, das darüber hinaus über viele praktische Vorteile verfügt." Dazu zählt neben der Gewichtsreduktion von bis zu zehn Tonnen pro 1.000 Quadratmeter Fassadenfläche im Vergleich zu herkömmlichen Stein­wollesystemen auch das optimierte Plattenformat mit 60 mal 100 Zentimeter, mit dem 20 Prozent mehr Dämmfläche in gleicher Zeit erzielt werden.

Fassadensystem in rötlicher Farbe, im Vordergrund befindet sich ein Mensch mit weißer Kleidung, der seine ausgestreckte Hand auf dem Fassadensystem hält.
Der Glaskern von Webertherm freestyle GW besteht zu 80 Prozent aus Recyclingglas.

Plattenoptik: flexibel und vielfältig

Den ausgeprägten Wunsch nach Einzigartigkeit hat auch die Austrotherm-Gruppe aus verschiedenen Gesprächen herausgehört und sich intensiv damit beschäftigt. "Derzeit sind individuelle und einzigartige Fassaden bei Bauherren und Architekten besonders gefragt. Ein beliebter optischer Trend sind moderne Austrotherm-Fassadenprofile, die es ermöglichen, Teile oder die gesamte Fassade in einer beeindruckenden 3D-Optik zu gestalten. Zum Beispiel können Wellen- oder Kammoptiken in die ­Fassade integriert werden", sagt Klaus Haberfellner, Geschäfts­führung der Austrotherm-Gruppe. "Diese vorgefertigten WDVS-Elemente sind witterungsbeständig und müssen lediglich mit einer passenden Fassadenfarbe gestrichen werden." Das Ergebnis der Auseinandersetzung hat aber auch eine weitere Option hervorgebracht: die neuen Austrotherm-­Designelemente, die eine klare, geometrische Strukturierung an die Fassade bringen und darüber hinaus erstklassige Dämmwerte aufweisen – ganz gleich, ob für einen Alt- oder einen Neubau, ob komplett oder nur für Teilbereiche.

Das Geheimnis der besonderen ­Plattenoptik ist die Anmutung als vorgehängte ­F­assade, deren Gestaltung und Farbe während der Bauzeit flexibel bis zur Fertigstellung angepasst werden kann. Möglich wird das durch die vielfältigen Formate bis zu einer Größe von 1.000 mal 2.500 Millimetern oder durch individuelle Zuschnitte des nur zwei Zentimeter schlanken und extrem leichten Austrotherm-Designelements, das an fünf Seiten mit einer dauerhaft witterungsbeständigen und streichfähigen Spezialbeschichtung ausgestattet ist. "Austrotherm-De­sign­elemente können nahtlos in das WDVS inte­griert werden können. Dadurch wird die Verarbeitung für die Fassadenbauer vereinfacht", unterstreicht Haberfellner. Eher als Zukunftsthema sieht er die Integration von Photovoltaikelementen oder Energiespeichersystemen. "Wichtig sind die richtige Montage und die Wahl eines Dämmstoffs, der den mechanischen Anforderungen standhält, von großer Bedeutung, um eine dauerhafte und effiziente Funktion der integrierten Systeme zu gewährleisten", gibt Haberfellner zu bedenken. "Ein Beispiel hierfür ist unsere graue, besonders gut dämmende Austrotherm-EPS-F-Plus-Dämmplatte, die sich für solche Anwendungen eignet."

Gebäude mit grauer Fassade
Das neue ­Austrotherm- Designelement bietet mehr Tempo bei der Montage und eine Menge gestalte­rischer Spielarten.

Farben für Fassaden

Stark auf Farbe setzt Baumit: Das österreichische Unternehmen hat seine aus stattlichen 888 bestehenden Farbtönen bestehende Palette um weitere 180 Trendfarben erweitert. Damit werden die neuen Trends aufgegriffen, die – einst eher nur auf die ­Gestaltung von Innenräumen fokussiert – nun auch auf die Architektur übergreifen. So sind es die Einrichtungstrends, die die Fassade eines Gebäudes miteinbeziehen. Baumit hat drei Farbschemata – natürlich-grünlich, erdig-bräunlich und shady-gräulich – und vier Farbtrends – Hygge, Beton, Metallic und Boho – ausgemacht. Zu den Trendfarben gesellen sich neue ­CreativTop-Techniken und moderne Lasur-­Glitter­ und Metallic-Töne sowie Mosaikputze und luftreinigende Ionit-Farben. Mit dem Baumit-Colors-of-­Life-Sortiment bietet Baumit maximale Flexibilität für die Gestaltung von Fassaden und kann schneller auf Trends reagieren.

Gebäudefassade in grau, mit Schattenflächen
Bei Baumit ­erobert auch der ­Ein­richtungstrend ­"Boho" die Fassade. 

Eine Besonderheit darf jedoch nicht vergessen werden: Die Baumit-Premium-­Produkte StarTop, StarColor, PuraTop und PuraColor sind mit Cool Pigments versehen, die einen großen Anteil der Sonneneinstrahlung reflektieren und deutlich zur ­Reduktion der Oberflächentemperatur beitragen – ein wesentlicher Beitrag, um der Erhitzung vor allem städtischer Regionen aktiv entgegenzuwirken. Allen voran Abkühlung, aber auch die Integration von Energiemodulen werden zunehmend zum großen Thema im Fassadenbau, weiß auch Mathias Hanke, Baumit-Produktmanagement-Leitung: "Die Montage diverser Anbauteile bekommt definitiv mehr Bedeutung, beginnend bei Sonnenschutzelementen wie Markisen über Systeme für begrünte Fassaden bis hin zur nachträglichen Montage von PV-Modulen. ­Allen gemein ist, dass die Maßnahmen korrekt geplant werden. Dies betrifft zum einen die Dimensionierung der Montagepunkte im Hinblick auf die Statik, aber auch die korrekte Leitungsführung im Wandbildner und nicht in der Dämmebene sowie die Koordination der Schnittstellen zwischen den Gewerken, beispielsweise Fassade/Schlosser/Elektriker."

Grüne Fassaden

Apropos kühl: Ein großes Thema ist die Begrünung von Fassaden, die wohl in Zukunft zunehmen wird, um die urbanen Hitzepole einigermaßen in Schach zu halten. Eine vielversprechende Idee, denn abgesehen vom wohltuenden optischen Effekt minimiert die Fassadenbegrünung die Schallreflexion, dient als Hitzeschild für mehr Abkühlung und mit immer­grünen Pflanzen auch im Winter als dämmendes ­Element, sie bindet und filtert Staub und Luftschadstoffe und sorgt für Wasserrückhalt, Verdunstung und Erhalt der Artenvielfalt. Die Nachfrage nach Systemen für vertikale Begrünungen steigt. Das Capatect-­Rank-System eignet sich für die nachträgliche Begrünung – ein einfaches Modul, die Rankpflanzen die nötige Hilfe zum Klettern bietet. Die Rankseile können horizontal, vertikal oder auch über Kreuz durch die Distanzhalter geführt werden – eine wunderbare gestalterische Möglichkeit, grüne Muster an Fassaden zu zaubern. Mit dem eigenen Montage­set mit Anker, das als Basis für das Capatect-Rank-­System dient, können Elemente für mittelschwere bis schwere Lasten an WDVS, im Untergrund und zur Aufnahme des Capatect-­Rankseils montiert werden.

weißes, vierstöckiges Gebäude, blauer Himmel im Hintergrund
Das Medicus-Gebäude in Steyr von Marte.Marte erstrahlt in attraktiver Spachteloptik von ­Synthesa/Capatect.

Eine Fassade ganz anderer Art realisierte ­Capatect beim fünfstöckigen ­Medicus-Quader in Steyr, entworfen von Architekt Bernhard Marte. Die stringent graue Gebäudehülle mit ihren ­markanten, spitz zulaufenden Fenstern wurde mit PrimaPor K von ­Capatect, einem Wärmedämmverbundsystem mit einem hochwiderstands­fähigen Reibputz, energetisch optimiert. Für die schönen plastischen Effekte an der Außenwand, die ein kontrastreiches Spiel von Licht und Schatten erzeugen, wurden eine Spezialspachtelmasse und eine eigens dazu entwickelte Spachteltechnik eingesetzt: Accento von Synthesa ist eine edle, changierende Spachteltechnik, die auf den Reibputz 15 aufgebracht wurde. Ausgeführt wurden die Fassadenarbeiten vom Meister­betrieb Malerei & Fassaden GmbH aus Steyr. Durch das abschließende Schleifen der Wandspachtel und den Auftrag der Schlussversiegelung Disboxan 450 von Synthesa erhielt die Oberfläche ihren glanzvollen Abschluss.