Digitale Glasfertigung

Kollege Cobot

Glasproduktion
29.01.2024

Von: Redaktion Glas
Kollaborierende Roboter, sogenannte Cobots, lassen sich in unterschiedlichen Bereichen der Produktion einsetzen und können auch ein sensibles Material wie Glas handhaben. Beispiele aus zwei deutschen Unternehmen zeigen, wie die flexiblen Helfer in der Praxis ihre menschlichen Kolleg*innen unterstützen.
Dank Cobots verfügt Bader Glastechnologie heute über eine Automatisierungslösung, die einfach programmierbar und flexibel ist.
Dank Cobots verfügt Bader Glastechnologie heute über eine Automatisierungslösung, die einfach programmierbar und flexibel ist.

Cobots kommen heute bereits in zahlreichen Branchen zum Einsatz. Sie verpacken, palettieren, schrauben, schleifen, schweißen, sortieren und führen sogar Qualitätsprüfungen durch. Das Spektrum an Aufgaben, die Cobots übernehmen können, ist breit gefächert und wächst dank immer neuer technologischer Entwicklungen ständig. Da sich die kompakten Leichtbauroboter ohne Spezialkenntnisse programmieren lassen, können sie für unterschiedliche Applikationen eingesetzt werden. Die modernen Produktionshelfer sind heute so feinfühlig, dass sie sich auch für Anwendungen in der Glasherstellung und -verarbeitung eignen, da sie das empfindliche Material problemlos handhaben.
Anders als die großen Industrieroboter, die zum Beispiel aus der Automobilindustrie nicht mehr wegzudenken sind, zeigen sich Cobots als echte Teamplayer. Sie wurden speziell für die Mensch-Roboter-Kollaboration (MRK) entwickelt. Cobots können im Gegensatz zu Industrierobotern Seite an Seite mit ihren menschlichen Kollegen arbeiten und diese entlasten, indem sie repetitive Aufgaben übernehmen. Egal, wie monoton die Aufgabe ist: Sie arbeiten unermüdlich, ohne dass Kraft oder Konzentration nachlassen.

Unternehmen, die die Vorteile der Automatisierung mit Cobots für sich nutzen möchten, sollten bei der Planung der Roboter-Integration folgende Faktoren im Blick haben:

Der Cobot

Die Basis einer kollaborativen Anwendung ist der Cobot. Hier lohnt es sich, vorausschauend zu denken. Für Unternehmen, die den Roboter flexibel einsetzen möchten und in der Lage sein wollen, auf geänderte Anforderungen zu reagieren, ist es sinnvoll, in ein Modell mit hoher Tragkraft und Reichweite zu investieren – denn je mehr der Cobot leisten kann, desto variabler lässt er sich in Zukunft einsetzen. Sollen spezifische Prozesse automatisiert werden, kann ein Modell gewählt werden, dass genau auf den Bedarf zugeschnitten ist. Hier beraten Robotikhersteller und Integratoren Unternehmen.

Die Peripheriegeräte:  Steht fest, welcher Cobot zum Einsatz kommt, muss der passende Endeffektor für die Aufgabe gewählt werden. Denn erst, wenn der Roboterarm mit dem richtigen Peripheriegerät ausgestattet ist, kann er sich an die Arbeit machen. Endeffektoren, die auch als "End Of Arm Tools" (EOAT) bezeichnet werden, sind beispielsweise Greifer, mit denen sich Maschinen beschicken lassen, oder Prozesswerkzeuge wie Schleifgeräte. Eine breite Auswahl an Endeffektoren bietet beispielsweise der dänische Cobot-Hersteller Universal Robots über das Ökosystem UR+ an.

Die Sicherheitstechnik: Aufgrund des direkten Kontakts der menschlichen Mitarbeiter mit dem Roboter gilt es, ein gefahrloses Arbeitsumfeld für die Mensch-Roboter-Kollaboration zu schaffen. Alle seriösen Roboterhersteller und -integratoren nehmen ihre Verantwortung wahr, sichere Produkte und Lösungen zu liefern. Daher sind die Roboter mit umfangreichen Sicherheitsfunktionen wie Kraft-, Leistungs- oder Geschwindigkeitsbegrenzungen ausgestattet. Zentrale Voraussetzung für den sicheren Einsatz ist eine erfolgreich abgeschlossene Risikobeurteilung.

Die Mitarbeitenden: Erfolgsentscheidend für Automatisierungsprojekte ist es, die Belegschaft in das Vorhaben mit einzubinden. Um Vorurteile zu entkräften, lauten die Lösungen Kommunikation, Vertrauen und Nahbarkeit. Vor allem, wenn die Wahl auf einen kollaborierenden Roboter gefallen ist, sollten die Mitarbeitenden keine Zuschauer am Rande, sondern vielmehr Teil des Projekts sein – denn sie arbeiten schließlich im Betrieb Seite an Seite mit dem Cobot.

Selbst die Handhabung von empfindlichem Material wie Glas ist für die Cobots möglich.
Selbst die Handhabung von empfindlichem Material wie Glas ist für die Cobots möglich.

Wie Unternehmen in der Glasbranche Cobots in ihrem Arbeitsalltag gewinnbringend einsetzen, zeigen die beiden folgenden Beispiele:

Hofman Glastechnik: Mit acht Cobots auf Erfolgskurs

Seit mehr als fünf Jahrzehnten stellt die Hofmann Glastechnik GmbH technische Gläser für Labore, Medizin und Industrie her. Als eines der größten industriellen Glasbläserunternehmen im deutschsprachigen Raum kombiniert Hofmann mit über 20 Mitarbeiter*innen traditionelles Glasbläserhandwerk und modernste Produktionstechniken. Neben kundenspezifischen Sonderanfertigungen produziert der Betrieb an seinem Standort in Staudt im südlichen Westerwald auch Normbauteile und beliefert mehr als 350 Stammkunden. Besonders durch die vollautomatische Serienherstellung von Glaskomponenten für die Elektrotechnik hat sich Hofmann international einen Namen gemacht.
Im Jahr 2016 entschied sich Robert Hofman, Geschäftsführer bei Hofman Glastechnik, den ersten Cobot in seinem Unternehmen einzuführen. "Einfach mal machen", lautete seine Devise damals. Denn das Traditionsunternehmen setzt seit jeher auf kontinuierliche Optimierungsmaßnahmen im Fertigungsprozess und ist für Automatisierungsthemen aufgeschlossen.

Hofmann Glastechnik setzt Cobots auch in komplexen Anwendungsbereichen ein.
Hofmann Glastechnik setzt Cobots auch in komplexen Anwendungsbereichen ein.

Robert Hofmann legte los mit einem "UR10", um eine Glasdrehbank zu beladen, und sah schnell die Vorteile. Die Maschine lief konstanter und länger. Aufträge konnten besser bedient und die Fachkräfte entlastet werden. Ihm war schnell klar: "Der Cobot bietet unendliche Möglichkeiten". Und das Unternehmen wusste diese zu nutzen. Es folgten sieben weitere Roboter und die Anwendungen wurden komplexer. Sie bestücken SPS-Glasdrehbänke und müssen dabei sensible Glasröhren handeln. Außerdem sind sie aktiv beim Umformen von Gläsern beteiligt. Dafür ist ein "UR10e" etwa mit einem Umformungswerkzeug ausgestattet. Ein anderer "UR10e" führt einen Gasbrenner an ein Werkteil. Die Cobots überzeugen durch konstante Arbeitsweise. Sie stabilisieren die Fertigungsprozesse, steigern die Produkt- und Arbeitsqualität und sorgen für eine zuverlässige Lieferfähigkeit. "Die Cobots kümmern sich bei uns um die Kleinserien und große Fertigungen – die Fachkräfte um komplexe Produkte nach Kundenwunsch. So kann sich der Mensch wieder auf das fokussieren, wo er seine Stärken hat und sein Handwerk ihm Freude bereitet", zeigt sich Hofmann zufrieden. Und auch wirtschaftlich profitiert das Unternehmen. Dazu erklärt der Geschäftsführer: "Durch die Automatisierung sind wir heute in einer Situation, in der uns keiner mehr was anhaben kann. Wir stellen hochwertige Produkte zu einem anständigen Preis her. Und vor allem sind wir lieferfähig. Das sind Vorteile, die unsere Kunden schätzen."

Bader Glastechnologie: Roboter sichern die Zukunft des Familienbetriebs

Vordächer, Duschen, Autoscheiben oder Schiffsverglasungen – Glas für den privaten und industriellen Einsatz bestimmt das Geschäft der Bader Glastechnologie GmbH. Der Zulieferer mit Firmensitz in Klippenhausen, im deutschen Bundesland Sachsen, gilt bei seinen Kunden als absoluter Klebespezialist und baut diese Expertise stetig aus.
Damit der Zulieferer seinem exzellenten Ruf gerecht wird, muss die Qualität der Produkte jederzeit tadellos sein – auch dann, wenn Aufträge mitunter binnen kürzester Zeit zu bearbeiten sind. Hinzu kommt eine variantenreiche Produktion, die je nach Auftragsart ein schnelles Umrüsten erfordert. Eine echte Herausforderung für das Team. Produktionsleiter David Bader erklärt: "Um unsere Mitarbeiter dort einsetzen zu können, wo sie am meisten bewirken, hatten wir schon vor langer Zeit einen Industrieroboter in unsere Produktion integriert. Dieser ist aber sehr komplex im Handling und in der Programmierung. Zudem hat er eine Menge an Schutzvorrichtungen, die man bei der Steuerung beachten muss."
Für die weitere Automatisierung war Bader daher auf der Suche nach einer Lösung, die einfacher zu implementieren und zu programmieren sein sollte. Fündig wurde das Unternehmen schließlich bei Universal Robots.

Bei Bader Glastechnologie bringen die Cobots Befestigungselemente auf Glasscheiben an.
Bei Bader Glastechnologie bringen die Cobots Befestigungselemente auf Glasscheiben an.

Seit Anfang 2020 sind drei Cobots, zwei "UR10e" und ein "UR16e", im Einsatz. An einer fest installierten Tischkonstruktion kleben sie seitdem gemeinsam Befestigungselemente auf Glasscheiben. Dafür appliziert einer der beiden "UR10e" fein dosierte Mengen Klebstoff auf eine Glasscheibe. Anschließend hebt der "UR16e" die bis zu 14 Kilogramm schwere Scheibe hoch, dreht sich leicht seitwärts und legt die Scheibe auf die andere Tischseite. Dann drückt ein zweiter "UR10e" die zu verklebenden Teile auf die entsprechende Position der Glasfläche. Diese Teile werden mit einer Abweichung von weniger als 0,05 Millimeter positioniert. Hilfe erhält der "UR10e" durch ein Kamerasystem, das an seinem Handgelenk montiert ist. Ausgestattet mit einer 2D-Kamera von Robotiq ist der Cobot imstande, unterschiedlich große und auch willkürlich angeordnete Teile mühelos greifen und ordnen zu können. Und weil der "UR10e"-Cobot mit der Dosiereinheit vernetzt ist, lässt sich immer genau vorhersagen, wie viel Klebstoff eine Verklebeanwendung benötigt.
Dank der Cobots verfügt der Betrieb heute über eine leicht programmierbare, flexible Automatisierungslösung. "Dadurch sind wir auch bei Ad-hoc-Aufträgen in der Lage, schnell zu reagieren und sie in unseren Prozess einzusortieren", erklärt Bader. Das Ergebnis sind zufriedene Kund*innen und Mitarbeiter*innen, die sich über die Unterstützung von Kollege Cobot freuen: Sie können die mühevolle, monotone und fehleranfällige Tätigkeit nun den Robotern überlassen und haben mehr Zeit für andere, wertschöpfendere Tätigkeiten. Auch wirtschaftlich betrachtet ist das Automatisierungsprojekt ein voller Erfolg. Durch die freigewordenen Kapazitäten konnte Bader die Produktionszyklen erhöhen und die Qualität der eigenen Produkte weiter verbessern.
(bt)

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