Bundeslehrlingswettbewerb
Spannend und fair
Nach einer zweijährigen Zwangspause ging der bereits für 2020 geplante Bundeslehrlingswettbewerb in Vorarlberg am 24. und 25. Juni 2022 in Hard am Bodensee endlich erfolgreich über die Bühne. Die zwei Jahre Zusatzzeit, die das Team rund um Landesinnungsmeister Klaus Nenning und Landeslehrlingswart Josef Schertler zur Verfügung hatte, waren kein Schaden – es lief alles perfekt organisiert und bei guter Stimmung ab. Und dieser konnte auch das gewittrige Wetter, das kurzfristig die Lehrlingsvorstellung am Freitag auf der MS Vorarlberg ins Innere des Schiffs zwang, keinen Abbruch tun. Vor allem, weil beim Gruppenfoto am Deck die Sonne im Hintergrund schon wieder mit aller Kraft strahlte.
Positive Spannung
Am Samstag, dem eigentlichen Wettbewerbstag, war – bei wieder bestem Sommerwetter – die positive Spannung in der Sporthalle in Hard dann allgegenwärtig spürbar. Im Gegensatz zu den vorigen Wettbewerben verzichtete man heuer sowohl auf ein im Team zusammengestelltes Stück als auch auf große Maschinen – dadurch lief alles sehr ruhig und fokussiert ab. Für die angesprochene Spannung sorgten eben auch diese neuen Regeln, die die Landeslehrlingswarte gemeinsam mit dem Bundeslehrlingswart erarbeitet hatten. Die Ziele: Den Wettbewerb fairer zu gestalten, die Bedingungen für alle Teilnehmer*innen zu vereinheitlichen und sich wieder mehr auf das Handwerkliche zurückzubesinnen. Ein Fazit vorweg: Der Tenor war einhellig positiv, alle waren begeistert.
Geänderter Modus
Noch beim letzten Bewerb in Rust 2019 fertigten die Lehrlinge ein Stück aus einem vorher bekannten Pool. Dieser Modus machte zwar eine punktgenaue Vorbereitung möglich, allerdings konnten sich nicht alle Jungtischler*innen gleichermaßen Zeit für das Training nehmen. Um dieser "Verzerrung" entgegenzuwirken, waren 2022 die zu fertigenden Stücke komplett unbekannt – nur Bundeslehrlingswart Ludwig Weichinger-Hieden, der diese auch entwarf, kannte sie und verriet im Vorfeld nur die verwendeten Holzarten – Fichte und Buche. Erst am Tag des Wettbewerbs selbst erfuhren zuerst die Betreuer*innen, eine viertel Stunde später die die Teilnehmer*innen, welches Möbel bzw. welche Komponenten zu fertigen sind. Es gab Gelegenheit, die Pläne zu besprechen und bei Unklarheiten nachzufragen, dann ging es auch schon los mit der Erstellung einer Holzliste und schließlich der Herstellung der traditionellen Verbindungen. Auch beim Werkzeug ging man minimalistischer vor als in den vergangenen Jahren: Jedes Lehrjahr durfte nur mit den auf der Liste stehenden Werkzeugen arbeiten und alle Beteiligten hielten sich vorbildlich daran. Die Verantwortlichen hatten sich im Vorfeld darauf verständigt, dass nur die Teilnehmer*innen des zweiten und dritten Lehrjahres mit Handmaschinen arbeiten dürfen. Eine Neuerung gab es auch bei den Hobelbänken. Diese wurden von der Bundesinnung angekauft und werden ab nun jedes Jahr wiederverwendet. Das soll die Wertschätzung erhöhen und die Jugendlichen anregen, die Bänke „gut zu behandeln“, da sie ja im nächsten Jahr von ihren Bundesländer-Kolleg*innen weiterverwendet werden. Nach Ende des Wettbewerbs werden die Hobelbänke abtransportiert und in dem Bundesland, das im Folgejahr für die Organisation zuständig ist, eingelagert – 2023 ist das Oberösterreich, 2024 wird dann Salzburg an der Reihe sein.
Ein gemeinsames Thema
Das ausgegebene Motto war "Alles rund um´s Schlafzimmer". Im ersten Lehrjahr fertigten die Lehrlinge ein Bücherboard. Die Herausforderung lag hier darin, die Dübel exakt in die Platte zu setzen und diese nicht zu durchbohren – kein leichtes Unterfangen für Berufsanfänger*innen. Im zweiten Jahr musste ein Tablett für das gemütliche Frühstück im Bett hergestellt werden. Dieses besteht aus zwei schrägen Seitenteilen, die hinten von einem Steg zusammengehalten werden. "Hier war ein besonders exaktes Arbeiten nötig und meiner Meinung nach handelt es sich bei dem Bett-Tablett um das schwierigste Stück des Wettbewerbs", sagte Bundeslehrlingswart und „Geheimnisträger“ Ludwig Weichinger-Hieden. Das zeigte sich auch daran, dass die Lehrlinge im Durchschnitt am längsten für die Fertigstellung benötigten. Im dritten Lehrjahr schließlich war ein Kleiderboy oder Stummer Diener zu produzieren. Dabei mussten lange, dünne Stangen so fix verbunden werden, dass das Möbel auch unter Belastung stabil bleibt und "die Hose gerade hängt." Bei den Tischlereitechniker*innen im vierten Lehrjahr gab es gesonderte Aufgaben: Im Bereich Planung musste eine Hotel-Rezeption neu bestückt und mittels Rendering visualisiert werden. Im Bereich Produktion lag das Hauptaugenmerk auf der Programmierung von Möbelteilen für die Produktion an der CNC-Maschine.
Viele positive Stimmen
Start für den Bewerb der ersten drei Lehrjahre war um 7.15 Uhr – aufgrund der im Vorfeld unbekannten Stücke gab es eine viertel Stunde länger Zeit als bisher, für jenen der Tischlereitechniker um 7.30 Uhr. Sollabgabezeit war 12 Uhr – für eine bis zu einer halben Stunde längeren Abgabe wurden 300 Punkte gutgeschrieben, bei einer verspäteten Abgabe (maximal eine halbe Stunde) wurden 300 Punkte abgezogen. Das traf vor allem die im zweiten Lehrjahr Angetretenen – sie hatten eindeutig das herausforderndste Stück zu fertigen. "Wir hatten vor Beginn 15 Minuten Zeit, gemeinsam Unklarheiten zu beseitigen, dann musste jeder für sich den Ablauf und die Stückliste vorbereiten. Das fördert die Selbständigkeit und die ist ein wichtiger Aspekt in unserem Beruf. Und dass jeder für sich arbeitet sowie das Fehlen großer Maschinen sorgen für mehr Ruhe und das wirkt sich äußerst positiv aus", so der Tiroler Landeslehrlingswart Helmuth Hehenberger, der hier stellvertretend für viele Funktionärs- und Betreuerstimmen zitiert sei, zu einigen Vorteile des neuen Modus. Und Christoph Grünwald, Landesinnungsmeister im Burgenland und davor langjähriger Lehrlingswart im Burgenland, ergänzt: "Früher war durch den Pool vieles vorgegeben, jetzt heißt es eigenständig Pläne lesen und Material planen. Aber dafür werden unsere Lehrlinge ja ausgebildet und es ist toll, dass sie das jetzt im Wettbewerb zeigen können. So gewinnt jetzt nicht mehr der oder die am besten Trainierte, sondern diejenigen, die sich der Herausforderung an genau diesem Tag am besten stellen. Deshalb ist der Bewerb unberechenbarer und spannender." Ein weiterer Vorteil: Die Fähigkeiten, die man beim Bewerb braucht, sind die, die man im "normalen" Lehrbetrieb lernt, das wochenlange Trainieren der Produktion bestimmter Stücke fällt weg. Und damit sinkt auch die Hemmschwelle sowohl für die Jugendlichen als auch für die Betriebe, sind sich die Innungsvertreter einig. Und last but not least wurde auch die Materialbeschaffung massiv vereinfacht.
"Wir schaffen das"
Die Umfrage unter den Lehrlingen brachte ähnliche Ergebnisse: Auch wenn die Nervosität im Vorfeld aufgrund der unbekannten Aufgabe spürbar war, war diese kurz nach Präsentation der Stücke schnell verflogen: "Das schaffen wir, das ist möglich, das werde ich gut hinkriegen", waren die Reaktionen nach den ersten Blicken auf die Pläne, die auch für das Publikum in der Veranstaltungshalle als Aushang einsehbar waren. Stefan Zamecnik, Landeslehrlingswart in Niederösterreich, kann im Nachhinein gesehen sogar der Corona-Pause etwas Positives abgewinnen: "Wir hatten viel Zeit, über einen neuen Modus nachzudenken. Und auch wenn es zwei Jahrgängen von Lehrlingen leider verwehrt war, an einem Wettbewerb teilzunehmen – die, die jetzt am Start sind, haben alle die gleichen Bedingungen." Und Thomas Helmer, der als Preisrichter fungierte, ergänzt: "Die neue Struktur bringt viel Ruhe hinein, es läuft alles organisiert und ohne Hektik ab – und das fällt äußerst positiv auf." Nach dem Schlusspfiff zu Mittag gingen die Preisrichter ans Werk und die Lehrlinge konnten sich im Freibad erholen, bis es gegen 18 Uhr in die Wirke Spannrahmen in Hard zum feierlichen Galaabend inklusive Siegerehrung ging.
"Es ist vollbracht!"
Die Eröffnung des Abends nahm Landesinnungsmeister Klaus Nenning vor. Dabei war dem Gastgeber die Freude, dass alles gut über die Bühne gegangen war, sichtlich anzumerken "Es ist einfach wichtig, dass es nach den Verschiebungen jetzt endlich losgehen konnte und die Stimmung war und ist ein einfach super." Nenning sprach über Bedenken im Vorfeld, „ob das neue Prozedere auch die Zustimmung aller Bundesländer finden würde. Aber wir haben uns gemeinsam geeinigt und der spannenden Bewerb sowie die vielen positiven Rückmeldungen haben uns recht gegeben. Die Lehrlinge haben alles gegeben, eine intensive Zeit hinter sich gebracht – jetzt dürfen alle gleichermaßen feiern und den Abend genießen – ob sie es jetzt aufs Stockerl geschafft haben, oder nicht.“ Im Anschluss dankte Bundesinnungsmeister Gerhard Spitzbart allen Beteiligten, zeigte sich „angetan von der guten Stimmung und der perfekten Organisation“ und nahm die Gelegenheit für eine besondere Ehrung wahr: Karl Baliko, langjähriger Landesinnungsmeister in Vorarlberg, BIM-Stellvertreter und insgesamt 25 Jahre in der Innung aktiv, erhielt die goldene Ehrennadel – die höchste Auszeichnung, die die Tischler zu vergeben haben.
Gut durchmischt
Gut durchmischt Nach weiteren Ansprachen und Grußworten war es dann soweit: Alle Teilnehmer*innen wurden – nach Lehrjahren gestaffelt – auf die Bühne geholt, Bundeslehrlingswart, Ludwig Weichinger-Hieden verlieh die Urkunden und verkündete gemeinsam mit Sponsor-Partner*innen, wer es auf Platz eins, zwei und drei geschaffte hatte. Eines fiel dabei gleich auf: Es gab diesmal kein dominantes Bundesland, die Gewinner*innen waren „gut durchmischt und über das ganze Land verteilt“. Im ersten Lehrjahr siegte Klemens Reinfried aus Kärnten, vor dem Steirer Christoph Mayer und dem Salzburger Sebastian Huber. Im zweiten Lehrjahr erreichte Tobias Russegger aus Salzburg den ersten Rang, gefolgt von David Tabernig aus Tirol auf Platz zwei und Jonas-David Weber aus Oberösterreich auf Platz drei. Im dritten Lehrjahr feierte Andre Fleisch für das Gastgeberland Vorarlberg seinen ersten Rang. Auf Rang zwei landete Manuel Schulter aus dem Burgenland, auf Rang drei Florian Suntinger aus Kärnten. Bei den Tischlereitechnikern Produktion ging Platz eins an Lukas Weilhartner aus Oberösterreich, Platz zwei an Florian Messner aus Kärnten, Platz drei an Peter Eberle aus Vorarlberg. Bei den Tischlereitechniker*innen Planung waren Manuel Wagner aus Niederösterreich (1. Platz), Katharina Petrisch (2. Platz) aus der Steiermark und Axel Lindorfer (3. Platz) aus Oberösterreich erfolgreich. Als bestes Team übernahm Oberösterreich den Wanderpokal von der Steiermark. Dieser von Tischlermeister Markus Decker designte und angefertigte Pokal wurde zum ersten Mal in Kufstein 2018 vergeben und zweimal von der Steiermark heimgeholt. In Hard wanderte der Mannschaftspokal nach Oberösterreich und man darf gespannt sein, ob das Team den Sieg beim "Heimspiel" im Linzer Designcenter vom 23. bis 25. Juli 2023 wiederholen kann.
Die Ergebnisse des 61. Bundeslehrlingswettbewerbs der Tischler
1. Lehrjahr
Platz 1: Klemens Reinfried, Tischlerei Erschen, Kärnten
Platz 2: Christoph Mayer, Alpe Zimmerei und Tischlerei, Steiermark
Platz 3: Sebastian Huber, Tischlerei Oberreiter, Salzburg
2. Lehrjahr
Platz 1: Tobias Russegger, Johannes Seidl, Salzburg
Platz 2: David Tabernig, Gabriel Forcher Tischlerei, Tirol
Platz 3: Jonas-David Weber, Tischlerei Watzl, Oberösterreich
3. Lehrjahr
Platz 1: Andre Fleisch, Juen Markus Handwerk & Design, Vorarlberg
Platz 2: Manuel Schulter, Erich Schulter, Burgenland
Platz 3: Florian Suntinger, Lindner Möbel und Treppen, Kärnten
4. Lehrjahr/Produktion
Platz 1: Lukas Weilhartner, Tischlerei Gruber, Oberösterreich
Platz 2: Florian Messner, Metrica Austria, Kärnten
Platz 3: Peter Eberle, Schmidinger Möbelbau
4. Lehrjahr/Planung
Platz 1: Manuel Wagner, Bene, Niederösterreich
Platz 2: Katharina Petritsch, Möbeltischlerei Ladinegg, Steiermark
Platz 3: Axel Lindorfer, Reichhart & Partner Tischlerei, OÖ
Teambewerb/Länderwertung
Platz 1: Oberösterreich
Platz 2: Kärnten
Platz 3: Vorarlberg
Eine besondere Trophäe
"Obwohl es ein Wettbewerb ist, wollte ich mit der Form das Gemeinsame und die Gemeinschaft zum zentralen Thema machen", sagt Daniel Versluis, Tischlermeister von der Tischlerei Müller in Altach. Von ihm stammen die Idee und das Design für die Trophäe 2022, die in ihrer Form an einen (Stamm)Baum erinnert. Im Zentrum "schwebt" die Silhouette des austragenden Bundeslandes Vorarlberg. Sie wurde aus Kupfer, Edelstahl und Messing mittels Laser ausgeschnitten, mit Glasperlen gestrahlt und lackiert. Umrahmt wird die Silhouette von den acht Gast-Bundesländern. Die elegant geschwungenen Elemente wurden in schichtverleimtem Nussholz ausgeführt.