Dächer für Jahrhunderte

Creaton
19.12.2014

 
Über dieses Megaobjekt kann man nur in Superlativen sprechen. Wenn 2018 der letzte Bauabschnitt beendet sein wird, werden 18.000 Quadratmeter Dachfläche des Benediktinerstifts Göttweig saniert sein. 630.000 jahrhundertealte Biberschwanzziegel werden dann gegen ebenso viele neue ausgetauscht sein. 

Text: Rainer Balkenhol

Diese Menge erfordert rund 100 Lkw-Züge, die sich mit 1.800 Paletten den steilen Berg hocharbeiten. Bei solchen Zahlen passt es gut ins Bild, dass unter diesen Dächern bald 1.000 Jahre gearbeitet, gelesen und gebetet wird und das Stift zusammen mit dem benachbarten Stift Melk, der Altstadt von Krems und der Kulturlandschaft Wachau seit 2000 zum Unesco-Weltkultur- und Naturerbe gehört. Die Rede ist vom Benediktinerstift Göttweig, dessen Dach im ersten und zweiten Bauabschnitt mit einer Sonderanfertigung des „Ambiente“-Bibers von Creaton saniert wurde.

Neue Ziegel wie alt

Vor 920 Jahren trat der erste Abt des Klosters, Hartmann I., sein Amt an. Heute steht als 65. Abt Columban Luser an der Spitze des Stifts. An der „Spitze“ von Abteikirche und Klostergebäuden gab es weniger Wechsel. Die letzte Dachdeckung erfolgte nach dem großen Brand beim Wiederaufbau des Klosters in den Jahren 1720 bis 1740. Seither kam es immer nur zu Ausbesserungsarbeiten, nie zu einer Neueindeckung. Knapp 300 Jahre später allerdings zeigten die alten Ziegel zunehmend Altersschwächen – eine Generalsanierung des Daches war unabdingbar. Dabei sollten diese natürlich die Qualität moderner, industriell gefertigter Ziegel haben, aber aussehen, als wären sie alt. Die Eigentümer forderten mit Zustimmung des Bundesdenkmalamts, vertreten durch den Landeskonservator für Niederösterreich Dr. Hermann Fuchsberger, naturrote Biberschwanzziegel in der Form der „Wiener Tasche“. Erwünscht war dabei keine sterile Dachfläche, sondern eine Dachfläche, die wie handgemacht aussieht und besonders schnell eine äußerliche Patina ansetzt. 
Creaton-Fachberater Thomas Reiter ließ im Werk Roggden (D) Muster einer Sonderanfertigung des Biberschwanzziegels „Ambiente“ im Geradschnitt herstellen und bestückte einen Musterständer, der überzeugte. Diese Variante wurde schließlich auch umgesetzt: 40 Prozent der Ziegel haben eine gebürstete Oberfläche, 60 Prozent eine aufgeraute. Das fördert die schnelle Wiederherstellung einer optischen Patina. 80 Prozent der Ziegel haben die Länge 390 Millimeter, 20 Prozent sind auf 400 Millimeter verlängert. So ergab sich ein unregelmäßiger Kantenverlauf pro Ziegelreihe. Für die Verlegung der verschiedenen Ziegel gab es für die händische Umschichtung vier verschiedene Mischpläne. Durch die unterschiedliche Beschickung der Paletten erscheint die Verteilung in der Wirkung jedoch chaotisch – wie es einem denkmalgerechten Dach angemessen ist.

Zwei Bauabschnitte beendet

Die Gesamtmaßnahmen der Dachsanierung in Göttweig erstrecken sich über einen Zeitraum von sechs Jahren, gegliedert in sechs Bauabschnitte. 2013 startete der erste Bauabschnitt, die Dachsanierung der Stiftskirche „Mariä Himmelfahrt“ und der Chorkapelle, des Verbindungstrakts zum Ostflügel, in dem sich die Mönchszellen (Klausur) befinden. 2014 wurden weitere Teile des Klausurbereichs saniert: die zweite Hälfte des Kapitelgebäudes, der Osttrakt zwischen den beiden Ecktürmen, der u. a. die berühmte Bibliothek mit ihren 140.000 Büchern beherbergt, und ein Teil des Südtrakts. Ende 2018 soll das Projekt Dachsanierung abgeschlossen sein. Die Leitung der Arbeiten übernahm Baumeister Peter Griebaum (Wien), der sich auch schon bei anderen kirchlichen Großprojekten wie z. B. dem Stift Zwettl einen Namen gemacht hat.

Verlegung nach Plan

Der Auftrag für die Zimmermanns- und Dachdeckerarbeiten ging an das seit 1923 bestehende Kremser Traditionsunternehmen für Dachgewerke Hintenberger Dächer u. Holzbau GmbH. Die Bauleiter Rudolf Hochleitner und Ralph Kalchhauser und ihre Gesellen machten sich abschnittweise an die Arbeit, die historischen Dachziegel abzudecken, ein Notdach zu errichten, den Dachstuhl wo nötig zu reparieren und die Lattung neu aufzubringen. Ein weitergehender Dach­aufbau war weder erforderlich noch von der Denkmalpflege erlaubt. Da die Dachräume ungenutzt sind, besteht das Dach wie in alten Zeiten praktisch nur aus Sparren, Pfetten, Latten und den Taschenziegeln. Letztere zu verarbeiten erforderte aber besondere Sorgfalt. Zum einen wegen der Einhaltung des Verlegemusters mit unterschiedlichen Längen und Oberflächen, stellenweise auch mit Flächen-Lüfterziegeln, dann aber auch wegen der unterschiedlichen Dachformen und der durchgängig exponierten Lage und – zumindest im Bereich der Mansardwalmdächer unterhalb des Mansardknicks – der fast senkrechten Dachflächen. Das heißt, jeder einzelne Ziegel wurde nach Plan verlegt und nicht nur mit der Nase in die Lattung eingehängt, sondern mit Sturmklammern gegen Windsog gesichert und im Steilbereich zusätzlich mit Edelstahlschrauben befestigt. First- und Walmgratziegel wurden denkmalgerecht vermörtelt. Auch im Bereich der Satteldachgauben wurde jeder Ziegel in ein Mörtelbett eingelegt.

Mit Haken und Hölzern

Für spätere Revisionsarbeiten wurden über die ganze Dachlänge regelmäßig Leiterhaken angebracht. Bei einem vielbesuchten Touristenmagneten wie Stift Göttweig ergeben sich allerdings Sicherheitsauflagen, die dem historischen Aspekt der Denkmalpflege entgegenlaufen, nämlich die Installation von Schneefangsicherungen gegen Dachlawinen. 
Der Kompromiss zwischen Denkmalpflege und Personensicherheit: Überall da, wo nicht mit erhöhtem Personenverkehr gerechnet werden muss, wurde auf die Schneefangsicherung verzichtet. Über den Verkehrswegen allerdings wurden Creaton-Rundholz-Schneefangsicherungen angebracht. Die Rundhölzer zeichnen sich durch eine erhöhte Traglast aus und sind auch für schneereiche Gebiete wie den Dunkelsteiner Wald geeignet. Die Stützen der Rundhölzer sind auf Aluminiumgrund­elemente in Form der Geradschnittbiber montiert. Sie sind im selben Farbton wie die Ziegel lackiert, sodass sie sich optisch perfekt in das Dachbild einfügen. Der „Creaton-Schneelast-Assistent“ erledigte die Berechnung der Stützabstände und der Anzahl der Schneefangsysteme.

Denkmalkonservierung par excellence

Der Verfall eines Gebäudes beginnt bekanntlich am Dach. Der Schutz aber auch. Insofern bietet das neue Creaton-Dach die beste Gewähr, dass das fast 1.000 Jahre alte Unesco-Weltkulturerbe Stift Göttweig der Nachwelt noch für weitere zahlreiche Jahrhunderte erhalten bleibt.

Bautafel

Objekt Stift Göttweig
Bauherr: Benediktinerstift Göttweig 
Planung Baumeister 
Peter Griebaum (Wien)
Ausführung Hinten­berger Dächer u. Holzbau GmbH (Krems) 
Produkt Sonderan­fertigung Biber „Ambiente“ naturrot, Geradschnitt, geraut und gebürstet, 
verschiedene Längen
Fläche 18.000 m²
Hersteller Creaton AG, Wertingen (D)

Branchen
Dach + Wand