Quo vadis, Austria?

Österreich hat eine neue Regierung und damit auch ein neues Regierungsprogramm. „Erfolgreich. Österreich.“ heißt es und es betrifft in großem Maße auch die Baubranche.   

Als „ambitioniert, transparent und gerecht“ bezeichnen die Regierungsparteien die Ziele und Pläne des Arbeitsprogramms in Bezug auf baurelevante Themen. Interessenvertretungen sind „mit dem Ergebnis sehr zufrieden“ oder freuen sich darüber, dass versucht wird, „alte gordische Knoten endlich zu lösen“. Die Opposition sieht das anders und spricht von einem „unzulänglichen, unambitionierten und zu wenig bedarfsorientierten“ Plan. Doch was steht wirklich im Arbeitsprogramm der Bundesregierung?

Bindungsängste

Einer der am meisten gelobten Punkte ist die langfristige Absicherung der Wohnbaufördermittel (Bundesbeitrag, Rückflüsse und Landesmittel) sowie deren Zweckwidmung im Rahmen des Finanzausgleichs, die zur Schaffung von leistbarem Wohnraum beitragen soll. „Aus meiner Sicht war es ein schwerer Fehler, dass die Zweckwidmung 2002 unter Schwarz-Blau abgeschafft worden ist“, sagt Ruth Becher, SPÖ-Bereichssprecherin für Wohnen und Bauten.

Sie glaubt an die Wesentlichkeit des Schrittes, auch wenn die Auswirkungen erst in rund 15 Jahren wirklich zu tragen kämen. Wichtig sei es aber, dies gemeinsam mit den Ländern und damit im Rahmen des Finanzausgleichs zu tun. Dieser wird jedoch laut dem Arbeitsprogramm bis 2016 verlängert, zusätzlich wird eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die Reformvorschläge ausarbeiten soll. „Das bedeutet, dass alles im Jahre Schnee sein wird“, kritisiert Gabriela Moser, Bautensprecherin der Grünen, das Vorgehen. „Die Nichtzweckbindung ist damit, entgegen den Versprechen, bis ins Jahr 2016 verlängert. Das Ergebnis der eingesetzten Expertengruppe bleibt erst abzuwarten, und ich erwarte mir deutlichen Widerstand der Bundesländer.“

Diese könnten durch die Maßnahme nicht mehr so frei mit dem Budget agieren und würden sich zusätzlich durch den Bund kontrollieren lassen müssen. 
Auch die Schaffung von Sanierungsanreizen durch die Erweiterung des Sanierungsschecks durch die Kategorie „seniorengerechtes/barrierefreies Wohnen“, die getrennte Möglichkeit zur Förderung für thermische und seniorengerechte Sanierungen und die Etablierung eines steuerlichen Anreizmodells zur Forcierung thermischer Sanierungen sollen zur Schaffung von mehr Wohnraum beitragen. „Uns geht es darum, die notwendigen Mittel aufzustellen, damit wir die 48.000 neuen Wohnungen jährlich, die im Regierungsprogramm verankert sind, umsetzen können“, beschreibt Johann Singer, Wohn- und Bautensprecher der ÖVP, die Situation.  Ebenfalls sollen eine Novellierung des Normengesetzes und die Modernisierung des Baurechts Kosten einsparen.

Rechtlich genormt

„Die Zielsetzung ist ein vereinheitlichtes, länderübergreifendes Baurecht“, führt Singer aus, „bei dem trotzdem noch Platz für einzelne regionale Spezifika bleibt.“ Wichtig sei es laut dem ÖVP-Bautensprecher, dass unter Einbindung aller Länder einheitliche Standards geschaffen werden, die österreichweit gelten. Dabei soll laut Regierungsprogramm auch eine pragmatische Überprüfung der Auflagen für den Neubau und insbesondere für den Umbau im Bestand erfolgen, sofern diesen keine Sicherheits- oder andere gesellschaftlich notwendige Bedenken zugrunde liegen. Was genau gesellschaftlich notwendige Bedenken sind, kommentiert keiner der Regierungspartner.

Einig zeigt man sich auch darüber, dass im Normungswesen Veränderung stattfinden müssen. Einerseits soll eine gesamtösterreichische Normenstrategie durch das Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend geschaffen werden, andererseits sollen Klein- und Mittelunternehmen einen erleichterten Zugang zu Normen und zur Mitarbeit im Normungsprozess erhalten. „Das Allerwichtigste ist jedoch, dass Normen, da sie in vielen Bereichen Gesetzeskraft erlangen, wieder von demokratisch gewählten Personen legitimiert werden müssen“, stellt SPÖ-Bereichssprecherin Becher klar. Zusätzlich sollen Normungen nur mehr auf Antrag erstellt werden, ein Einspruchsrecht gegen Normungsanträge sowie eine Schlichtungsstelle geschaffen werden und eine Neuausrichtung der Finanzstruktur des Normenwesens unter gleichzeitiger Entlastung der Anwender stattfinden. 

Punkte, die auch bei der Opposition Anklang finden. „Durchforstungen, mögliche Vereinheitlichungen, Baustandards, Baunormen, Wohnbaufördervorschriften – ja bitte, sofort!“, stellt Gabriela Moser klar. „Das könnte man bis zum Sommer locker bewältigen. Es gibt ja schon Expertenvorschläge von allen Seiten, es geht nur noch darum, dass man den politischen Willen aufbringt, über den Föderalismus hinwegzublicken und es auch bundesgesetzlich anzugehen.“ Ganz so schnell werden diese Umsetzungen aber dann doch nicht geschehen. Vonseiten der ÖVP heißt es, dass man sich vorstellen kann, Mitte 2015 erste konkrete Umsetzungen vorschlagen zu können, seitens der SPÖ wird „ein größerer Zeitraum“ dafür angedacht. 

Arbeiten, bieten, mieten

Etwas schneller könnten andere Bereiche, die Auswirkungen auf die Branche haben, greifen, zum Beispiel im Arbeitsrecht. So soll die Höchstarbeitsgrenze bei Gleitzeit auf bis zu zwölf Stunden unter Einhaltung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit von 50 Stunden angehoben werden. Dadurch könnte auf Baustellen länger gearbeitet werden, um Fertigungsziele zu erreichen.

Zusätzlich sollen existierende Modelle evaluiert und die Einführung der freiwilligen Zeitwertkonten ab 2014 geprüft werden. Auch eine Überarbeitung des Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz ist vorgesehen, wobei insbesondere Verschärfungen hinsichtlich der Bereithaltung von Lohnunterlagen und der Einbeziehung aller Lohnbestandteile geplant sind. Härter soll auch gegen Scheinanmeldungen vorgegangen und auch das Vergaberecht soll abgeändert werden – vom Billig- zum Bestbieterprinzip.

Wie lange die angekündigte Reform des Mietrechts hingegen braucht, ist fraglich, die beiderseitige Bereitschaft, ein „transparentes, verständliches und faires“ Mietrecht zu erarbeiten, scheint jedoch, zumindest verbal, groß zu sein.
Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt „Ich bin sehr zufrieden“, sagt Ruth Becher. „Im Vergleich zum letzten Regierungsprogramm war es erfrischend, wie viele Möglichkeiten neu andiskutiert worden sind.“

Ähnlich sieht das ihr Regierungspartner Johann Singer: „Gerade im Wohnungsbereich ist eine gute Grundlage geschaffen worden, um in den nächsten fünf Jahren Punkte umzusetzen, die Verbesserung bedeuten, Lösungsansätze für anstehende Probleme bieten sowie die Wirtschaftsleistung stärken können und so Arbeitsplätze sichern werden.“ Trotzdem wissen beide Abgeordneten der Regierungsparteien, dass die Umsetzungen teilweise langwieriger werden, als es jetzt auf dem Papier aussehen mag.

Diese Zufriedenheit der Regierungsparteien teilen jedoch nicht viele. Rund 36 Prozent der Baubranche erwarten laut einer Umfrage der Österreichischen Bauzeitung von der Regierung keine Veränderungen im Bauwesen, rund 38 Prozent glauben auch nicht daran, dass auf die Bedürfnisse der Branchen eingegangen wird, und 27 Prozent erwarten sich gar nichts. Fast jeder Fünfte sagt, dass die Pläne gut klingen, zweifelt aber an deren Umsetzung. Trotzdem gibt es auch optimistische Stimmen in der Branche. Knapp ein Fünftel der Befragten erwarten zumindest fällige Änderungen im Bau- und Mietrecht, fünf Prozent erachten den eingeschlagenen Weg als gut und hoffen, dass dieser weitergegangen wird. 

Klare Worte findet Gabriela Moser zu dem Regierungsprogramm: „Mir fehlt der politische Wille, jetzt wirklich den fachlichen Erfordernissen gerecht zu werden, jenseits jeder machttaktischen Überlegungen.“ Anträge gäbe es schon genügend, nur würden viele davon an den parteilichen Machtapparaten scheitern. Ob diese in einer Legislaturperiode mit zwei Wahljahren überwunden werden können, bleibt abzuwarten. Immerhin forderte Bundeskanzler Werner Faymann schon einen neuen Stil von der Regierung, der „nicht miteinander kuscheln, der nicht miteinander streiten, sondern der konstruktiv und sachlich miteinander zusammenarbeiten heißt“.