Eine Frage der Komplexität

Holzbau
02.12.2015

 
Sven Matt und Markus Innauer sind zwei junge Architekten, die sich 2013 zusammengeschlossen haben, um  gemeinsam vom Bregenzerwald aus Architektur zu schaffen. Matt hat sein Studium in Innsbruck begonnen und in Wien an der TU abgeschlossen. Sein Weg führte über die Arbeit bei Bernardo Bader zurück nach Vorarlberg. Innauer studierte bei Zaha Hadid an der Universität für angewandte Kunst. Ein gewonnener Wettbewerb in Bezau führte ihn wieder zurück nach Vorarlberg. Für das Haus Julia und Björn erhielten sie unter anderem den Vorarlberg Holzbaupreis 2015. Im November wurde das Hauf RF in Graz mit dem steirischen Holzbaupreis ausgezeichnet. Emanuel Bührle im Gespräch mit Markus Innauer und Sven Matt
Das Haus Julia und Björn in Egg, Vorarlberg
Das Haus Julia und Björn in Egg, Vorarlberg

Was ist – auch auf eure bisherige Erfahrung Bezug nehmend – der größte Vorteil von Holz als Baustoff?
Holz ist sehr zugänglich. Wer einen Schrauber bedienen kann, kann auch eine Schraube ins Holz reindrehen. Es braucht nicht unbedingt Fachwissen, um den Baustoff zu verwenden. Dadurch hat Holz eine gewisse Flexibilität. Das wirkt sich auch auf den Bauprozess aus – es sind Toleranzen vorhanden, auf die am Bau reagiert werden kann, etwa wenn nicht absehbare Planungsentscheidungen anfallen. Für einen Durchbruch muss nicht unbedingt der Statiker angerufen werden. Der Baustoff lässt sehr viel zu. Nicht nur während der Bauphase, sondern auch nach der Fertigstellung. Heute ist es ja gängig, dass Häuser vollständig fertig gebaut werden, bis auf die letzte Schraube. Im Vergleich zu früher, wo der Bauprozess eigentlich nie abgeschlossen war. In einem Holzhaus kann auch der Bastler alles selber machen.
Auch was die Kosten betrifft, ist große Flexibilität vorhanden. Je nach Einstellung des Bauherrn, kann mit den richtigen Details und Oberflächen sehr günstig gebaut werden. Nach oben sind die Kosten natürlich offen, wie bei jeder Bauweise.

Ein Vorurteil ist ja, dass Bauen mit Holz teurer ist als massive Bauweise, da Planer und Handwerker gefordert sind, die etwas davon verstehen.
Bauen mit Holz ist komplex. Das ist aber nicht allein ein Manko des Holzbaus, sondern auch des Massivbaus, wie er heute praktiziert wird. Das hat nichts mehr mit dem Häuslbauen von früher zu tun, als Häuser mit einschaligem Mauerwerk ausgeführt wurden. Ein Wärmedämmverbundsystem kann kein Häuslbauer selbst anbringen. Ein einfacher Massivbau ist wie ein Holzbau adaptierbar, ohne thermische Probleme, wenn etwa ein Loch an einer Außenwand gebohrt wird und das ganze Haus fault. Das ist unabhängig vom System eine Frage der Komplexität des Bauens.

In Vorarlberg ist die Qualität des Handwerks herausragend hoch. Würdet ihr auch an einem anderen Ort mit Holz bauen wollen, an dem diese Qualität vielleicht nicht erreicht werden kann?
Matt:
Nein.
Innauer: Ich schon. Wir haben auch schon ein Haus in Graz gebaut, das Haus RF. Es gibt qualitativ keinen großen Unterschied. Man ist als Team Architekt/Handwerker zwar nicht so eingespielt, und es gibt es noch Kommunikationsprobleme, was die Sache ein bisschen aufwendiger und komplizierter macht, aber rein von den handwerklichen Fertigkeiten fehlt nicht viel. Der Anspruch ist nicht ganz so hoch, aber es ist schon einiges machbar.
Matt: Ich habe deshalb gleich Nein gesagt, da ich meine, dass die Qualität nicht jeder liefern kann. Wir finden hier ein sehr hohes Niveau vor, eine Präzision, die sonst nirgendwo erreicht wird. Diese Arbeitsweise hat sich hier entwickelt. Sie funktioniert nach eigenen Regeln und lässt sich nicht leicht auf andere Regionen übertragen.
Ein Grund, warum wir so eine hohe Qualität erzielen, ist sicher, dass sehr vieles mündlich vereinbart werden kann, ohne unbedingt ein Protokoll schreiben zu müssen. Auch die Handwerker selbst haben inzwischen den Anspruch, alles korrekt zu machen. Diese Konstellation lässt sich nicht einfach exportieren. In einer anderen Gegend gibt es keinen so engen Kontakt zu den Handwerkern. Holzbau, wie wir ihn hier in der Region machen, ist eigentlich einfach, jedenfalls für uns. Es sind die richtigen Grundlagen vorhanden. Wenn ein Architekt ein schlechtes Projekt durchzieht, ist er selber schuld. 

Die Handwerker wissen selbst schon, in welche Richtung es gehen soll, da sie selbst bereits einen hohen architektonischen Anspruch haben.
Das Gefühl für die Architektur entwickelt sich aus dem Bewusstsein für Qualität in der täglichen Arbeit. Dieses ist schon so hoch angelegt, dass der Architekt nicht ständig überprüfen muss, ob Qualitätslimits eingehalten werden. Das ist eine Selbstverständlichkeit. Auch der Umgang miteinander ist ein anderer: Jeder kennt jeden, wir sitzen stundenlang zusammen und reden ein Projekt durch, bis alles geregelt ist.

Gibt es etwas an der Vorarlberger Baukultur, das euch missfällt? Was würdet ihr ändern wollen?
Zu allererst die Abstandsregelungen. Diese sind in Vorarlberg ein Phänomen. Etwa in einer Stadt wie Dornbirn gilt über die gesamte Gemeinde die 6/10-Abstandsregel. (In Vorarlberg gilt: Zur Grundstücksgrenze muss ein Gebäude mindestens sechs Zehntel seiner Höhe Abstand halten, Anm. d. Red.) Egal ob am Rand des Siedlungsgebietes oder in der Innenstadt, überall muss diese Regelung eingehalten werden. Wie soll so jemals eine Stadt verdichtet werden? Außerdem sollte man auch über alternative Bauformen wie gekuppelte Bauweise oder Reihenhäuser nachdenken, die bei uns noch nicht oder nur selten vorkommen. Alles, was in Richtung Siedlungsverdichtung geht, ist hier selten vorzufi nden. Es wird weder danach gefragt, noch wird diese unterstützt, obwohl jedem klar ist, dass es in einer Region wie dem Rheintal angebracht ist, in diese Richtung zu denken. Im Rheintal ist es extrem, aber auch im Bregenzerwald wird diese Diskussion anstehen. Die Tendenz, Siedlungsraum und Infrastruktur zu Dezentralisieren, wird im Bregenzerwald immer stärker. Dadurch wird der Landschaftsraum nachhaltig geschädigt. Für mich reichen drei Meter Mindestabstand in der offenen Bauweise. Egal wie hoch. Die Belichtung kann ja extra nachgewiesen werden. Wie viele Wohnungen gibt es zum Beispiel in einer Stadt wie Wien, die nach Norden ausgerichtet sind? Diese Wohnungen sind dann ein bisschen günstiger. Aber auch bei uns sind günstige Wohnungen gefragt. Auf der einen Seite wird immer vom Siedlungsdruck und dem Bedarf an günstigem Wohnraum geredet, aber durch Planung beantwortet niemand diese Fragen. 

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