Bau + Architektur

Hightech-Baustoff Holz

Holzbau
27.05.2021

Selten bringt man den nachwachsenden Rohstoff in Zusammenhang mit Bauwerken großer Dimensionen und komplexer Konstruktionen. Doch Holz ist Hightech.
Mactan Cebu International Airport auf den Philippinen: Die 15 Meter hohe Tragstruktur der Tonnendächer überspannt 30 Meter. Bogenbinder-Hälften aus Brettschichtholz bilden die Konstruktion.
Mactan Cebu International Airport auf den Philippinen: Die 15 Meter hohe Tragstruktur der Tonnendächer überspannt 30 Meter. Bogenbinder-Hälften aus Brettschichtholz bilden die Konstruktion.

Zunächst ist dem Endverbraucher kaum bekannt, dass Holz nicht gleich Holz und nicht jede Holzart fürs Bauen geeignet ist. Bisher hat man überwiegend Nadelholz, genauer gesagt, die Fichte, zum Bauen genutzt. Aufgrund des Klimawandels mit mehr Stürmen, Starkregen und längeren Trockenphasen arbeitet die Forstwirtschaft schon seit Jahrzehnten an einem Waldumbau, das heißt weg von Nadelbäumen, hin zu mehr Laubbäumen. Das hat seinen Grund in der unterschiedlichen Widerstandsfähigkeit der verschiedenen Baumarten gegen klimabedingte Veränderungen. Denn Laubbäume kommen mit steigenden Temperaturen und Dürreperioden besser zurecht als Nadelbäume.

Neue Holzbau-Produkte durch Waldumbau

Der Waldumbau hat zur Folge, dass der Holzindustrie nach und nach weniger Nadelholz zur Verfügung steht. Da die Politik den Holzbau aus Klimaschutzgründen fördert, erlebt diese Bauweise seit ein paar Jahren einen Boom, nicht nur im Hausbau, sondern auch im Industrie- und Gewerbebau. Der damit verbundene Mehrbedarf an Nadelholz steht nun dem Waldumbau diametral entgegen. Das wiederum hat vorausschauende Unternehmer ebenso auf den Plan gerufen wie die (Holzbau-)Forschung und -Entwicklung. Nämlich dahingehend, zu untersuchen, ob und wie Laubholz statt Nadelholz fürs Bauen taugt.
Eines der Ergebnisse ist ein Laubholzprodukt aus Buchenholz, das hochtragfähig ist – genauer gesagt um ein Dreifaches tragfähiger als Nadelholz bzw. ähnlich tragfähig wie Beton. Damit lassen sich gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Zum einen braucht man weniger Holz für die gleichen Bauaufgaben, das heißt, man kommt mit filigraneren Bauteilen aus. Zum anderen ist Buche ausreichend vorhanden und wird es durch den Waldumbau auch in Zukunft sein.
Ganz abgesehen davon speichert Holz beim Wachstum das klimaschädliche Kohlendioxyd (es erzeugt ganz nebenbei unser Lebenselixier Sauerstoff) und reduziert dabei den CO2-Gehalt in der Atmosphäre. Um es in ein Bauprodukt zu verwandeln, wird außerdem wenig Energie benötigt, was wiederum CO2-Emissionen einspart.

Das wie ein Bumerang geformte Malldach des G3 Shopping Resort in Gerasdorf bei Wien hat eine Länge von 740 Metern und misst an der breitesten Stelle, am „Knick“, 80 Meter. Es überspannt das Einkaufseldorado wie eine Riesenwelle.

Holzbau rückt in den Fokus des Interesses

G3 Shopping Resort: Die Y-förmigen „Baumstützen“ tragen die Brettschichtholz-Binder, auf denen die langgestreckte, geschwungene Dachkonstruktion aus Brettsperrholzplatten aufliegt.

Alles Gründe, warum die Politik seit ein paar Jahren viel Geld in den Wald als Klimaschützer und natürliche Kohlenstoffsenke investiert und verstärkt auf Holz als Baustoff setzt. 40 Prozent des gesamten EU-Energieverbrauchs gehen auf den Bausektor zurück. Vor diesem Hintergrund gewinnt der moderne Holzbau im Rahmen der Notwendigkeit ressourcenschonend, energieeffizient und klimafreundlich zu bauen, an Bedeutung.
Auch immer mehr Bauwillige entscheiden sich für Holz – Tendenz steigend. Die Gründe reichen vom Klima- und Umweltbewusstsein bis hin zur angenehmen Atmosphäre und gesundheitlichen Aspekten.
Laut internationalen Studien wirkt sich Holz positiv auf die Gesundheit aus. Eine österreichische Studie fand etwa heraus, dass Holz eine beruhigende Wirkung auf das Herz-Kreislauf-System hat.

Holz: Symbol für nachhaltiges Bauen

Eine ansprechende Architektur, in der man sich gerne aufhält, ist ein weiteres Kriterium – übrigens auch für Unternehmen, wenn sie einen Neubau planen. Mit Wohlfühlfaktoren Mitarbeiter binden, lautet die Devise.
Das positive Image eines Holzbaus trägt zur Entscheidung „pro Holz“ bei. Privatpersonen wie Unternehmen leisten sich einen Holzbau, um ihrer Haltung in Sachen Nachhaltigkeit Ausdruck zu verleihen. Das Gebäude dient der Selbstdarstellung und als Aushängeschild, mitunter als Corporate Identity. Das lässt man sich auch durchaus etwas kosten.

Das Dachtragwerk der fünf Hallenschiffe der 97 Meter langen und 114 Meter breiten Halle der SWG Produktion in Waldenburg (D) bilden jeweils 82 Meter lange, 3,80 Meter hohe Haupt-Fachwerkträger aus Buchen-Furnierschichtholz auf nur einer Zwischenstütze aus. 18,30 Meter lange Neben-Fachwerkträger sind quer dazwischen „eingehängt“.

Ein aktuelles Beispiel ist der Neubau einer Produktionshalle eines Schraubenherstellers mit Büro- und Ausstellungsgebäude im hohenlohischen Waldenburg (D). Nicht nur setzt das Unternehmen auf das erwähnte hochtragfähige Holzbauprodukt aus Laubholz, genauer gesagt auf Buchenholz bzw. Buchenfurnierschichtholz, das unter Baufachleuten als „Baubuche“ bezeichnet wird, sondern schafft damit sogar einen Rekord: Der Hallenneubau erhält das weltweit größte Dachtragwerk aus Baubuche. Der raffinierte Entwurf des Teams rund um den bekannten Vorarlberger Architekten Hermann Kaufmann kommt mit extrem wenigen Stützen aus, sodass der Betrachter bei den Hallendimensionen von 97 Metern auf 114 Metern über die vergleichsweise filigrane Dachkonstruktion staunt. Fragt man die Tragwerksplaner nach den schlanken Balken und Streben, lautet die Antwort, dass das außer mit Stahl nur mit Baubuche zu realisieren war, bzw. eigentlich nur mit Baubuche, da Stahl viel schwerer gewesen wäre, was teure Folgen für die Fundamente gehabt hätte. Auch Spannbeton – wie im Brückenbau – war ganz am Anfang kurz im Gespräch, wurde aber schnell wieder verworfen: Viel zu groß, viel zu schwer und kaum herstell- und transportierbar.
Dieser Hallenneubau aus Buchenfurnierschichtholz zeigt beispielhaft, wie sich gesellschaftliche Entwicklungen, Zeitgeist und Politik in einem Bauwerk niederschlagen.

Ein Dach mit Hebungen und Senkungen überspannt kurvenreich das 130 Meter lange und 40 Meter breite Gebäude der neuen städtischen Sportanlage in Paris-Clamart (F). Über dem Leichtathletikbereich bleibt das Dach ausgespart.

Internationale Großprojekte zeigen weltweiten Trend

Das gitternetzartige Holztragwerk der Sportanlage in Paris-Clamart ist hochkomplex aufgrund seiner vielen verschiedenen Krümmungen, ansteigenden und abfallenden Bereichen sowie der großen Dachöffnung.

Damit Bauen mit Holz als Hightech-Bauweise zukünftig so selbstverständlich werden kann wie es bisher der Beton- und Stahlbau ist, braucht es also Weitsicht. Dass der Holzbau aus all den genannten Gründen gesellschaftsfähig wird, zeigt sich inzwischen weltweit. Internationale Großprojekte wie Stadien, Freizeitbauten, Konferenz- und Flughafenhallen sowie Einkaufsmalls geben beeindruckende Beispiele ab. Dieser Trend setzt sich fort.
Die Vorstellung, dass Holz zum Baustoff Nummer eins wird, ist allerdings nicht uneingeschränkt erstrebenswert. Mal ganz abgesehen davon, dass jeder Baustoff seine Stärken und Schwächen hat und entsprechend materialgerecht eingesetzt werden sollte, könnte ein übergroßer Holzbedarf zum Raubbau an der Natur, zur Plünderung der Wälder führen. Vielleicht weniger in den deutschsprachigen Ländern, wo das Prinzip der nachhaltigen Forstwirtschaft gilt – es wird nur so viel geerntet wie nachwächst –, aber in anderen Ländern.
Daher sollten Bauherren immer darauf achten, nur nachhaltiges, möglichst heimisches Holz zu nutzen. Und sie sollten es nicht um jeden Preis einsetzen, sondern vor allem da, wo es sinnvoll ist und seine Eigenschaften am besten zum Tragen kommen.