Interview

Die Stimmung ist nicht schlecht, aber auch nicht berauschend

Dachbranche
16.02.2023

Zum Start in die neue Bausaison steht der Vorstand der Bundesinnung der Dachdecker, Glaser und Spengler Rede und Antwort zu den Herausforderungen der Baubranche, liefert mögliche Lösungen für aktuelle Probleme und äußert Wünsche an die Politik und an die Kolleg*innen.
Der Bundesinnungsvorstand der Dachdecker, Glaser und Spengler: Bundesinnungsmeister Walter Stackler (Mitte), Bundesinnungsmeister-Stv. Alexander Eppler (links) und Bundesinnungsmeister-Stv. Roman Moosbrugger.
Der Bundesinnungsvorstand der Dachdecker, Glaser und Spengler: Bundesinnungsmeister Walter Stackler (Mitte), Bundesinnungsmeister-Stv. Alexander Eppler (links) und Bundesinnungsmeister-Stv. Roman Moosbrugger.

Die herausfordernden Zeiten nehmen kein Ende. 2022 lief trotzdem recht gut für die Dachbranche. Was erwarten Sie vom neuen Jahr?

Alexander Eppler (Bundesinnungsmeister-Stellvertreter der Spengler, aus Wien): Die Zurückhaltung bei Großprojekten kommt in unserer Branche ja immer mit einer gewissen Verzögerung an. Heuer rechne ich damit, dass unsere Branche wahrscheinlich ohne spürbare Umsatzrückgänge durch das Jahr kommen wird. Bei der Entwicklung der Materialpreise bin ich weniger optimistisch, hier erwarte ich, dass es weiterhin eine Tendenz nach oben geben wird.

Roman Moosbrugger (Bundesinnungsmeister-Stellvertreter der Dachdecker, aus Vorarlberg): Ich erwarte mir für unsere Branche 2023 keine wesentlichen Änderungen. Viele Betriebe sind bereits jetzt schon bis in die Sommermonate ausgebucht.

Im Baugewerbe ist allgemein ein kräftiger Rückgang bei den privaten und gewerblichen Aufträgen zu bemerken. Retten Sanierung und das Klimafitmachen von Dächern und Fassaden das Dachhandwerk über die Flaute?

Alexander Eppler: Die geplanten Sanierungs- und Klimamaßnahmen werden sicherlich einiges kompensieren. Ein heißes Thema aber wird dabei sein, wie sich der Gesetzgeber die Zuständigkeit für z. B. die Montage von PV-Anlagen vorstellt. Aus meiner Sicht kann dies nur in einer Kooperation Elektrotechniker/Dachdecker/Spengler erfolgen.

Roman Moosbrugger
Roman Moosbrugger

Roman Moosbrugger: Sanierungen waren und werden immer ein wichtiger Aspekt für die Dachbranche sein. Sehr viele unserer Kollegen haben das schon vor Jahren erkannt und sind heute Profis in diesem Bereich. Ein wichtiges Thema sind, wie schon angesprochen, die PV-Anlagen. Unsere Branche spielt hier eine wesentliche Rolle, denn nur durch unsere Fachbetriebe können langfristige dichte Dächer trotz verschiedener Anlagen auf dem Dach sichergestellt werden.

Worin sehen Sie die größten Bremsen für die Baukonjunktur?

Alexander Eppler: Dass Großprojekte zurückgestellt werden oder gar nicht zur Ausführung kommen.

Roman Moosbrugger: Wie bereits erwähnt, wird der Wohnbau zurückgehen. Ein Blick über den Tellerrand bringt aber die eindeutige Erkenntnis, dass dichte Dächer immer gebraucht werden.

Laut aktueller Konjunkturumfrage der KMU Forschung Austria im Gewerbe und Handwerk starten nur 13 Prozent der befragten Betriebe mit positiven Erwartungen in das erste Quartal 2023. Wie empfinden Sie die Stimmung im Dachdecker- und Spenglerhandwerk zu Beginn der neuen Saison?

Alexander Eppler: Gott sei Dank sind für viele Kollegen noch genügend Restarbeiten aus dem Vorjahr offen. Jedoch bleibt die Sorge bezüglich rückläufiger Neuprojekte, vor allem beim privaten Häuslbauer, aber auch im geförderten Wohnbau. Diese Tendenz ist leider allgegenwärtig.

Roman Moosbrugger: Im Westen Österreichs ist die Auftragslage für das erste Halbjahr gut. Wie schon gesagt, erwarte mir für unsere Branche 2023 keine wesentlichen Änderungen. 

Die Industrie verspricht großteils Lieferfähigkeit der gängigen Produkte. Wie sieht es in der Praxis aus: Kämpfen die Unternehmen noch mit Materialengpässen?

Alexander Eppler: Allgemein kann gesagt werden, dass man einen Großteil der bestellten Waren erhält, aber über alle Produktgruppen verteilt gibt es immer wieder Lieferverzögerungen.

Roman Moosbrugger: Das wird die Praxis weisen. Aus heutiger Sicht verspricht die Industrie viel – was eingehalten wird, können wir Ende des Jahres sehen. Womit aus meiner Sicht jedenfalls zu rechnen sein wird, sind längere Lieferzeiten.

Wie schwierig ist es, die teilweise enormen Preissteigerungen bei Baumaterial an Kund*innen weiterzugeben? Ist das Verständnis dafür inzwischen gewachsen?

Alexander Eppler: Verständnis ist meiner Ansicht nach das falsche Wort. Die Kunden glauben einem halt, dass es so ist. Denn prinzipiell steht immer der Verdacht im Raum, dass der Unternehmer unnötig hohe Gewinne erhalten will. Aber die Problematik – Energiekosten, Preissteigerungen etc. – ist ja allgegenwärtig.

Roman Moosbrugger: Leider kommen von einigen Lieferanten Preissteigerungen sehr kurzfristig. Hier kann nur mit Anzahlungen und sofortiger Bestellung der Materialien entgegengewirkt werden. Kunden verstehen das und sind froh, überhaupt "altpreisiges" Material zu erhalten.

Auch die Unternehmen selbst sind von den allgemeinen Preissteigerungen, vor allem im Energiesektor, betroffen. Nutzen Sie und Ihre Kolleg*innen den Energiekostenzuschuss?

Alexander Eppler: Nein, weil unsere Energiekosten nicht diesen Kriterien entsprechen.

Roman Moosbrugger: Das ist für unsere Branche eigentlich kein Thema. Nach Rücksprache mit einigen Kollegen wurde mir mitgeteilt, dass auch sie keinen Energiekostenzuschuss beantragt haben. Natürlich gibt es einige Kollegen, die sogar auf Förderungen und Zuschüsse angewiesen sind.

Was würden Sie sich von der Regierung wünschen, um die Kostensteigerungen der Betriebe abzufedern und die allgemeine Konjunktur anzukurbeln?

Alexander Eppler
Alexander Eppler

Alexander Eppler: Wenn die soziale Hängematte etwas straffer gespannt werden könnte, sodass die Bereitschaft bei potenziellen Arbeitsuchenden erhöht wird, wieder einer Arbeit nachzugehen. Und, weil es gerade aktuell ist, dass sich die Jugend zum Klimawandel äußert und engagiert, ist löblich. Dieses Engagement in allen Ehren, aber: Schön wäre es, wenn die jungen Menschen, anstatt sich auf die Straße zu kleben, einen Beruf lernen oder ausüben würden, der definitiv den Klimawandel bekämpft – Dachsanierung, Wärmedämmung, PV-Anlagen montieren, seien hier als Beispiele genannt. Ich möchte es vielleicht auch so ausdrücken: Wer etwas Positives bewirken will, klebt sich nicht auf die Straße, um andere zu blockieren, sondern schraubt etwas aufs Dach, um etwas (gegen den Klimawandel) zu bewirken!

Roman Moosbrugger: Kurz zusammengefasst: Ehrlichkeit, Transparenz, Lohnkostensenkung und Bürokratieabbau.

Wie kann die Bundesinnung ihre Mitglieder angesichts der zahlreichen aktuellen Probleme unterstützen?

Walter Stackler
Walter Stackler

Walter Stackler (Bundesinnungsmeister der Glaser, aus Tirol): "Nach drei Jahren Krise ist die Stimmung verständlicherweise nicht berauschend, aber auch nicht schlecht", so ein Zitat des Tiroler Wirtschaftskammerpräsidenten Christoph Walser. Unsere Branche hat die schwierige Zeit sehr gut gemeistert und wird auch in Zukunft ihre Chancen nutzen. Das Thema Fachkräftemangel steht allerdings seit mehreren Jahren im Brennpunkt. Hier soll nun mit einer österreichweiten Kampagne Werbung für alle drei Lehrberufe gemacht werden. Ziel ist es, unsere Berufe Dachdecker, Glaser und Spengler mit einem bundeseinheitlichen Erscheinungsbild stärker in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit zu rücken und Jugendliche zu einer Ausbildung zu animieren. Die zentrale, selbstbewusste Aussage der Kampagne lautet "Ich bin ein Macher." – sprich ein Meister meines Handwerks, ich brenne für meinen Beruf. Potenzielle Lehrlinge werden vor allem über Social-Media-Kanäle in Jugendsprache angesprochen. Und selbstverständlich werden wir unsere Mitglieder bei allen aktuellen und künftigen Entwicklungen unterstützen und die damit verbundenen Herausforderungen gemeinsam meistern.

Alexander Eppler: Beim Thema Fachkräftebedarf sind wir mit der Kampagne "Ich mach das." auf einem guten Weg. Es ist nun endlich gelungen, bundesweit einen einheitlichen Auftritt zu etablieren, der – so der Plan – unser Zielpublikum, die Jugend, anspricht. Es muss uns gelingen, die Bevölkerung auf unsere großartigen, krisensicheren und auch für den Klimaschutz sinnvollen Berufe – Stichworte Sanierung, Dämmung, Photovoltaik, Dachbegrünung etc. – aufmerksam zu machen.

Roman Moosbrugger: Aus meiner Sicht haben wir nicht nur einen Fachkräftemangel, wir haben viel mehr einen "Arbeitermangel". Wir müssen es schaffen, dass unsere Arbeit wertgeschätzt wird, den Jungen den goldenen Boden des Handwerks nahebringen und die Mitarbeiter für ihre geleistete Arbeit gerecht entlohnen. 

Eine Botschaft zum Schluss: Was möchten Sie Ihren Kolleg*innen für das Jahr 2023 mitgeben?

Walter Stackler: Es ist unserer Branche gelungen, die großen Herausforderungen der letzten Jahre zu meistern. Ich gehe zwar weiterhin von anspruchsvollen Zeiten aus, sehe unser Berufe aber gut gerüstet, um in Zukunft ein gesundes Wachstum zu erreichen. Und eines stimmt mich dabei optimistisch: In der Krise wurde dem Handwerk wieder mehr Wertschätzung entgegengebracht. Man versteht allmählich, dass das Handwerk ein unverzichtbarer Partner für die Zukunft ist.

Alexander Eppler: Mehr den je gilt ein Miteinander als einzig sinnvoller Weg. Wir werden immer gebraucht werden, und der Kuchen ist für alle seriösen Kolleg*innen groß genug.

Roman Moosbrugger: Ich wünsche mir und uns allen wieder echte Werte: Seriosität, Menschlichkeit und Zuversicht.

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