Bodenversiegelung

Bodenangriff der Gemeinden

Bodenversiegelung
17.04.2024

Der Gemeindebund schlägt strenge Maßnahmen gegen den Bodenverbrauch vor. Unter anderem: Rückwidmungen und Rückgabe von Grundstücken, falls das Baurecht über einen gewissen Zeitraum nicht genutzt wird.

Zum Antrittsbesuch brachte der Präsident ein besonderes Präsent mit. Ob sich Umweltschutzministerin Leonore Gewessler darüber gefreut hat, ist nicht überliefert. Es darf aber bezweifelt werden. Denn bei dem Mitbringsel, das Johannes Pressl, der neue Chef des Österreichischen Gemeindebundes, Frau Gewessler Anfang April überreichte, handelt es sich um ein umstrittenes Dokument – den sogenannten „Kommunalen Bodenschutzplan“.

Das Papier ist Teil eines politischen Manövers, das die Politikerin der Grünen verstimmt hat. Zum Hintergrund: Bund, Ländern, Städte und Gemeinden ringen im Rahmen der Österreichischen Raumordnungskonferenz (ÖROK) seit geraumer Zeit um eine Strategie zur Eindämmung des Bodenverbrauchs. Unter Bodenverbrauch versteht man die Versiegelung des Bodens durch Bauwerke wie Straßen oder Gebäude, sodass kein Niederschlag  mehr in ihn eindringen kann.

In Österreich sind 7,9 Prozent der besiedelbaren Fläche versiegelt. Damit liegt Österreich im europäischen Mittelfeld. In Deutschland beträgt der Wert beispielsweise 9,8 Prozent. Die Behauptung, Österreich sei Weltmeister beim Bodenverbrauch, wird des Öfteren gemacht, stimmt aber nicht. „Österreich ist bei weitem nicht zubetoniert“, meint auch der Marktforscher Andreas Kreutzer, der sich intensiv mit der Materie befasst hat (siehe Bauzeitung 18/2023). Dennoch bekennen sich alle politischen Akteure und die Vertreter der Bauwirtschaft zum sparsameren Gebrauch des Bodens.

Kommunaler Plan

Zurück zum erwähnten Polit-Manöver: Ministerin Gewessler drängt auf konsequente Schritte. Sie hat im Vorjahr den Vorschlag gemacht, den täglichen Bodenverbrauch von derzeit rund 11 Hektar auf 2,5 Hektar zu reduzieren. Über diese Forderung wird seitdem heftig im Rahmen der ÖROK zwischen Bund, Ländern, Städten und Gemeinden diskutiert. Ohne Ergebnis – jedenfalls bis vor kurzem. Denn im März haben Ländern und Gemeinden im Alleingang „die Bodenstrategie der ÖROK“, beschlossen. Das verkündete jedenfalls der Gemeindebund in einer Presseaussendung. Experten weisen zwar darauf hin, dass dies ohne Beisein des Bundes gar nicht möglich sei. Das hält den Gemeindebund aber nicht davon ab, zu dem Thema weiter in die Offensive zu gehen – das Mittel dafür: der Kommunale Bodenschutzplan, den man entwickelt hat.

Eine Limitierung des täglichen Bodenverbrauchs findet sich in dem Dokument nicht. Dafür enthält es aber eine Reihe von Vorschlägen, die für Diskussion sorgen. „Wir bekennen uns ganz klar dazu, sorgsam und verantwortungsvoll mit der Ressource Boden umzugehen. Dazu brauchen die Gemeinden aber einen praktikablen Werkzeugkoffer“, so Gemeindebund-Präsident Johannes Pressl. „Wir wollen Altliegenschaften und brachliegendes Bauland mobilisieren, Ortskerne und Innenstädte verdichten und Leerstände wieder nutzen. Dazu fehlen uns bislang die praktikablen Instrumente.“

Bei der Auflistung der Instrumente steht das Thema „Rückwidmung“ an erster Stelle. „Es geht uns hier um Baulandüberschüsse, die über einen längeren Zeitraum von 40 bis 50 Jahren nicht konsumiert werden“, erläutert Pressl. Der Gemeindebundpräsident weiter: „Die Gemeinden benötigen einen klaren Rechtsrahmen, um in derartigen Fällen das gewidmete Bauland rückwidmen zu können. Bislang gibt es diese klaren Regelungen nicht.“

Diese Forderung ist durchaus brisant. Das ist Pressl bewusst. Denn durch eine derartige Rückwidmung verliert das betroffene Grundstück in der Regel deutlich an Wert. Pressl: „Wenn jemand im Vertrauen auf eine Widmung als Bauland ein Grundstück gekauft hat und dieses dann umgewidmet wird, steht ihm eine Entschädigung zu.“ Der Gesetzgeber müsse nun die Bedingungen dafür festlegen. Und: Es muss sich jemand finden, der diese Entschädigung zahlt. „Wir werden uns das als Gemeinden nicht leisten können“, meint Pressl. „Es ist aber vorstellbar, dass andere Gebietskörperschaften dies übernehmen.“

Bei einem weiteren Instrument geht es um Neuwidmungen von Bauland: „Neuwidmungen in Zukunft nur mehr ins öffentliche Eigentum bzw. mit öffentlicher Verfügungsmöglichkeit“, heißt es stichwortartig im Bodenschutzplan. Darunter ist ein Vorschlag zu verstehen, der nicht jedem gefallen wird: Es gehört zum Alltag, das eine Umwidmung zu Bauland beantragt wird, der Widmungswerber aber dann die geplante Baumaßnahmen nicht durchführt – aus welchen Gründen auch immer. Die Gemeinden möchte nun das Recht erhalten, dass ihnen der Widmungswerber, in so einem Fall das Grundstück zu einem fix vereinbarten Preis verkaufen muss oder die Gemeinde das Grundstück am Markt anbieten darf. Pressl: „Damit können die Gemeinden ein effizientes Flächenmanagement betreiben.“ In einigen Bundesländern wie Niederösterreich haben sie dieses Recht bereits – Stichwort: Vertragsraumordnung. In anderen Bundesländern existiert es noch nicht. Der Gemeindebund wünscht sich eine flächendeckende Regelung.

Dem Gemeindebund-Präsident ist bewusst, dass Ideen wie diese Diskussionsstoff bieten. Er will sie daher auch als „Vorschläge“ verstehen. Pressl: „Wir sind offen für die inhaltliche Diskussion. Wenn jemand andere Vorschläge macht, hören wir gerne zu.“

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