Land in Sicht für Österreichs Bauwirtschaft

Wifo
09.04.2018

Erstmals seit Beginn der Wirtschaftskrise 2006 nimmt die Bauwirtschaft so richtig Fahrt auf und schafft neue Impulse für die gesamte Branche.
Die Krane drehen sich auf den österreichischen Baustellen: Das Baugewerbe hat momentan nur wenig zu klagen.
Die Krane drehen sich auf den österreichischen Baustellen: Das Baugewerbe hat momentan nur wenig zu klagen.

Nach der Krise ist vor der Konjunktur: 2018 stellt sich sowohl prognostisch als auch realwirtschaftlich schon jetzt für das Baugewerbe als ein sehr erfolgreiches Jahr dar. Die Zahlen sprechen für sich: Das Österreichische Institut für Wirtschafts­forschung (Wifo) prognostiziert auf Basis des europäischen Bauforschungsnetzwerks Euroconstruct für das aktuelle Jahr gesamteuropäisch einen Zuwachs von 3,5 Prozent. Die Baunachfrage steigt in allen 19 befragten Ländern, was die regionale Basis des Aufschwungs unterstreichen soll. Bis 2020 ist kumuliert mit einem weiteren Anstieg von sechs Prozent zu rechnen. Im Wohnungsbau sowie im sonstigen Hochbau werden sich die Zuwachsraten gemäß Prognose etwas abschwächen, während der Tiefbau mittelfristig zum Wachstumsführer wird (je vier Prozent Wachstum 2018 und 2019). Auch hierzulande darf sich die Branche über volle Auftragsbücher freuen: Mit einem Zuwachs von 2,8 Prozent entwickelt sich das österreichische Bauwesen sehr dynamisch – und orientiert sich dabei im Wachstum am gesamtwirtschaftlichen Aufschwung. Ausgehend von den derzeitigen Rahmenbedingungen ist auch für die kommenden Jahre mit einem weiteren, aber etwas gedämpften Wachstum in der Bauwirtschaft auszugehen. Aber wie schlägt sich der positive Trend wirklich im Alltag der ausführenden Unter­nehmen nieder? Wir haben quer durchs Land nachgefragt.

Breite Basis

„Wir stellen eine konjunkturelle Erholung auf breiter Basis in ­Österreich für die Bauwirtschaft fest", konstatiert Thomas Oberholzner,­ Direktor-Stellvertreter der KMU Forschung Austria im Gespräch mit der Bauzeitung. Auf Basis der Daten, die für 2017 schon gesamtheitlich vorliegen, sei der Grundtrend sehr positiv. „Ein wesentlicher Indikator ist der Auftragsbestand. Im Bauhauptgewerbe konnte das Arbeitsvolumen im vierten Quartal 2017 schon ein Plus von 6,3 Prozent im Vergleich zum vierten Quartal 2016 aufweisen", so Oberholzner. In direkten Zusammenhang damit ­stehen dabei die Geschäftslage und der sogenannte Zufriedenheits­indikator, der vonseiten der KMUs im Rahmen der Umfragen erhoben wird. Und dieser ist schon seit Mitte des Vorjahres deutlich am Steigen. „Im vierten Quartal 2017 waren lediglich 15 Prozent der Baumeister unzufrieden in Sachen Auslastung." Der Optimismus für heuer sei also in jedem Fall angebracht, wenngleich sich – wie auch in vielen anderen Gewerbe- und Handwerksbereichen – die Verfügbarkeit von Personal schwierig gestalte; gerade in Zeiten des Aufschwungs.

Überhitzte Konjunktur

„Nicht nur im klassischen Baugewerbe, sondern auch im Baunebengewerbe stellen wir derzeit eine eher überhitzte Baukonjunktur fest", so Thomas Peter, Innungsgeschäftsführer der Sparte Gewerbe und Handwerk in Vorarlberg. „Lediglich in Bundesländern, wo derzeit wenig oder gar keine Förderungen ausgegeben werden, ist das nicht der Fall." Grundsätzlich sei es den Unternehmen natürlich lieber, wenn die Auftragsbücher voll sind, letztlich stelle aber unter anderem die Beschaffung von fachlich qualifiziertem Personal ein wesentliches Problem dar. Einmal mehr sei hier der Fokus auf fundierte Aus- und Weiterbildung wesentlich. „In Vorarlberg sind wir glücklicherweise sehr erfolgreich in Sachen Aus- und Weiterbildung – das duale Ausbildungssystem ist und bleibt hier ein wichtiger Grundstein für den wirtschaftlichen Erfolg unserer Unternehmen", so Peter weiter. Allein in der vom Ländle erfolgreich initiierten Bauakademie werden so jährlich gut 1.000 Teilnehmer im Bereich Erwachsenenbildung rekrutiert. Generell boomt im Westen neben dem Tiefbau auch der Wohnbau besonders, gerade bei den kleineren Betrieben. Der Bereich Neubau von Einfamilienhäusern sei eher rückläufig, was laut Peter auch mit den erhöhten Kosten für Grund und Boden zu tun hat. „Vorarlberg ist ein sehr attraktiver Standort – der Mietwohnungsmarkt ist bei uns ein absoluter Nachfragemarkt." Obwohl der Sanierungsboom, der infolge der Wirtschaftskrise zustande kam, schön langsam abflaut, liegt die Sanierungsrate bei etwa zwei Prozent des Bestands. Zusätzlich habe man sich in Vorarlberg weg vom Gebäudeausweis in Richtung einer Vereinfachung der Neubauspezifika entwickelt, die in zwei Stufen verläuft: „Neben einer Basisförderung im Neubau gibt es unterschiedliche Boni für ökologisches, nachhaltiges und soziales Bauen."

Digitale Herausforderungen

Nichtsdestotrotz ist aus der Sicht des Innungsgeschäftsführers ein Break-even-Point erreicht, der mehrere Ebenen betrifft. „Die Rationalisierungspotenziale werden immer dünner. Und digitale Herausforderungen – gerade in Zeiten des BIM – können nicht von heute auf morgen gemeistert werden." Man müsse zuerst im richtigen Ausmaß investieren, bevor man wirklich schlüssige Erfolge eines voll implementierten BIM zutage fördern kann. „Wesentlich ist, dass alle beteiligten Partner und Gewerke digital auf dem neuesten Stand sind, damit die Zusammenarbeit gut funktioniert." Die Innung bietet in Vorarlberg im April diesbezüglich auch eine große Veranstaltung, die schon jetzt auf große Resonanz trifft. „Unsere Betriebe setzen sich sehr intensiv damit auseinander."

Übervolle Bücher

„Momentan kommen wir mit den Angeboten kaum hinterher", freut sich Baumeister Otto Duswald aus Salzburg, der dem derzeitigen Aufschwung sehr positiv entgegenblickt. „Wir schätzen das heurige Jahr sehr gut ein, die derzeitige Entwicklung ist als wichtiger Impuls anzusehen." Durch die konjunkturelle Stärkung bemerke man dadurch auch eine erhöhte Preissensibilität – auch bei den ausführenden Betrieben. „Die Konsumenten legen wieder mehr Wert auf regionale Qualität, auf die Verlass ist", skizziert der Baumeister die Situation. „Damit können wir auch die Preise besser argumentieren als vorher." Der Familienbetrieb im Salzburger Lamprechtshausen­ beschäftigt in dritter Generation mehr als 50 Mitarbeiter – plus 20 bis 25 Leiha­rbeiter je nach saisonaler Auslastung. Grundsätzlich sieht Duswald bei den Zuwächsen ganz klar den Fokus im Bereich Einfamilienhaus, Neubau und Sanierung folgen knapp dahinter und seien im Steigen. „Nach der Finanzkrise sind die Aufträge für den Bau von Einfamilienhäusern drastisch gestiegen, die Endkunden haben ihr erspartes Geld investiert und für einen Boom gesorgt, der in den Folgejahren wieder abgeflacht ist. Seit Mitte 2017 spüren wir genau hier aber ­wieder einen deutlichen Zuwachs."

Stabiles Preisniveau

In Oberösterreich zeigt sich Baumeister Otto Ettinger zufrieden mit den aktuellen Entwicklungen: „Wir freuen uns sehr, haben aber gleichzeitig schon zu tun, um alle Aufträge gut abwickeln zu können." Mit 25 Mitarbeitern ist der Traditionsbetrieb in Kremsmünster seit fünf Generationen im Bereich Neubau, Sanierung, Gewerbe- und landwirtschaftliche Bauten unterwegs. Dabei ist für den Baumeister der Aufschwung nicht erst seit gestern zu spüren: „Die vergangenen Jahre sind bei uns recht gut gelaufen, man hat gespürt, dass die Endkunden eher bereit sind, ihr Geld zu investieren, statt es anzulegen. Der Fokus auf Qualität und Regionalität kommt uns dabei sehr zugute." Die Bereiche Neubau und Sanierung halten sich laut Ettinger schon die vergangenen Jahre die Waage, da ändere auch die aktuelle Konjunktur nichts. Auch preislich sei derzeit noch Stabilität gegeben, „wir müssen uns im Jahresverlauf anschauen, ob sich da etwas ändert". Die professionelle Planung ist für den jahrelangen Profi dabei das A und O. „Man muss heutzutage mehr als zuvor zeitgerecht und effizient planen, um auch die Partner aus dem Baunebengewerbe zum richtigen Zeitpunkt verfügbar zu haben."

Runter vom Gas!

Auch im Osten Österreichs läuft die Entwicklung auf Basis des konjunkturellen Aufschwungs gut: „Unsere Auftragslage ist zufriedenstellend", so Wilhelm Sedlak, Geschäftsführer der in Wien ansässigen Sedlak-Gruppe. Dabei seien alle Bereiche recht gut ausgelastet – von der thermischen Sanierung bis hin zum Neubau. „Es läuft in allen Bereichen so gut, dass man von einer zu starken Konjunktur sprechen kann, da die Zulieferfirmen immer teuer werden", so Sedlak. Das Preisniveau steige dabei, allein in Wien stünden 4.000 benötigte Wohnungen auf Halde, weil die Umsetzung preislich aus dem Rahmen der Wohnbauförderung falle. Zusätzlich stünden die Subunternehmer in der Bauwirtschaft zum Teil stark unter Druck – das führe zu Lieferschwierigkeiten. „Für die Bauwirtschaft ist das ein Problem, da die Wohnungen dringend benötigt würden", so ­Sedlak weiter. „Man müsste vonseiten der Auftraggeber schön langsam einen Gang zurückschalten und reglementieren, damit das Volumen für alle Gewerke besser bewältigbar ist. Ansonsten bleibt auch die Frage offen, wie lange sich auch Endkunden Preissteigerungen leisten können oder wollen."

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