Interview

Lehrlinge in der Corona-Krise

Berufsausbildung
25.05.2021

Von: Redaktion Metall
Wie sich die Pandemie auf Lehrlinge und Lehrherren auswirkt , wie gut die Fernlehre funktioniert, wann wieder Lehrlingswettbewerbe und Meisterprüfungen stattfinden und wie sich das alles auf den Facharbeitermangel auswirkt, erfahren Sie im nachfolgenden Interview.

Helmut Muralter

Wie gehen die Lehrlinge mit der Corona-Pandemie um? 
Helmut Muralter: In der gesamten Metallbranche ist zu erkennen, dass die COVID- 19-Maßnahmen sehr ernst genommen werden. Die Mitarbeiter der Betriebe halten sich weitestgehend an die Hygienevorschriften und – wo möglich – an die Abstandsregeln. Die Lehrlinge in den Betrieben machen das genauso mit und es ist ein großer Zusammenhalt zu spüren. 

Wie gut funktionierte die „Fern­lehre“? 
Muralter: Viele Lehrlinge nehmen das Distance Learning sehr gut an und können es auch umsetzen. Das zeigt sich bei den Lehrabschlussprüfungen, ich kann bei den Prüfungsergebnissen keinen Unterschied zu „normalen“ Zeiten erkennen. Der Anteil derer, die sich beim Lernen grundsätzlich schwertun, ist gleich geblieben.

Können Lehrlinge auch in Kurzarbeit geschickt werden, verlängert sich dann die Lehrzeit?
Muralter: Lehrlinge können auch in Kurzarbeit geschickt werden. Die dadurch fehlende Ausbildungszeit wird an die Lehrzeit angehängt. Allerdings gibt es in unserer Branche sehr wenige Betriebe, die überhaupt Kurzarbeit machen und dementsprechend kaum Fälle, die auch Lehrlinge betreffen. Allgemein herrscht derzeit Hochkonjunktur, die Auftragsbücher sind voll und die Betriebe müssen eher Arbeiten absagen, weil nicht zu schaffen ist, was derzeit an Anfragen hereinkommt.

Finden momentan Prüfungen (Lehrabschluss, Meisterprüfung) statt?
Muralter: Ja, die finden statt. Zu Beginn der Pandemie waren alle verunsichert, deshalb sind im Frühjahr 2020 einige Prüfungstermine abgesagt worden. Seit Juni vorigen Jahres werden wieder alle Prüfungen abgehalten. Auch hier hat es noch nie Probleme mit der Einhaltung der Maskenpflicht und den Abstandsregeln gegeben. In den Werkstätten, wo die praktische Prüfungsarbeit erledigt wird, stehen die Maschinen weit genug auseinander und bei den Werkbänken wird jeder zweite Platz ausgelassen. Die Fachgespräche finden jetzt in größeren ­Räumen statt.

Werden 2021 Lehrlingswettbewerbe stattfinden?
Muralter: Bei uns in der Steiermark wird gemeinsam mit Innung und Berufsschule Anfang bis Mitte Mai entschieden, ob es den Landeslehrlingswettbewerb im Juni geben wird. Fest steht, dass wenn ja, auch dort nur die absolut notwendigen Personen anwesend sein werden. Der Bundeslehrlingswettbewerb wurde leider schon von der Bundesinnung abgesagt und kann organisatorisch auch nicht so kurzfristig vorbereitet werden wie die Landeslehrlingswettbewerbe.
Die EuroSkills 2021 wurden bereits zweimal verschoben, um jetzt endgültig vom 22. bis 26. September 2021 im Freizeitzentrum Schwarzlsee bei Graz stattzufinden. Es wird daran gearbeitet, dass alle 48 Berufsgruppen antreten dürfen und unter strengsten Maßnahmen bis zu 10.000 Besucher kommen können. Die Austrian­Skills 2021 finden vom 18. bis 21. November 2021 in Salzburg statt, gemeinsam mit der Berufsinfomesse.

Werden Lehrverhältnisse aufgrund der Pandemie und der wirtschaftlichen Schwierigkeiten vermehrt aufgelöst?
Muralter: Bislang gab es keine Auflösungen, die durch die Pandemie begründet wurden.

Gibt es Konzepte, um die Lehrlinge in dieser herausfordernden Zeit noch besser zu betreuen?
Muralter: Spezielle Konzepte gibt es dafür nicht. In den Betrieben sind die Lehrlinge gut eingebunden und bei den Berufsschulen hofft man auf baldige Lockerungen, um den Präsenzunterricht wieder voll anlaufen lassen zu können.

Was sind Ihre Forderungen an die Politik?
Muralter: Ich bin der Meinung, dass unsere Regierung und die Politik im Allgemeinen eine noch nie da gewesene Herausforderung zu stemmen haben. Die vielen Angriffe auf einzelne Politiker kann ich nicht nachvollziehen. Aber natürlich würden wir uns alle klare Vorgaben und Richtlinien wünschen, deren Ende vorhersehbar wäre. Meiner Meinung nach wäre schon längst ein österreichweiter Lockdown notwendig gewesen, der wirklich nur noch die Grundversorgung offen lässt. Nur dafür ist jetzt schon alles zu verfahren. Ich würde mir grundsätzlich von der Politik wünschen, dass vermehrt Fort- und Weiterbildungen an öffentlichen Ausbildungseinrichtungen angeboten bzw. ausgebaut und auch finanziert werden. So fallen zum Beispiel derzeit die zusätzlich angebotenen Schweißkurse mit Zertifizierung der Schweißer an den Berufsschulen aus. WIFI und Bfi hätten aber Kapazitäten, um diverse Ausbildungen abzuhalten.

Wie wirkt sich die Situation auf die Betriebe aus?
Muralter: Gut aufgestellte Betriebe stemmen die Situation recht gut. Schwächelnde Betriebe waren schon bisher eher zurückhalten bei der Lehrlingsausbildung und sind es jetzt noch mehr.

Wie wird sich das Ganze 2021/2022 entwickeln, sehen Sie ein „Licht am Ende des Tunnels“?
Muralter: Mit anhaltenden positiven Entwicklungen, wie wir sie derzeit sehen können, wird sich wohl bis Ende 2021 wieder vieles regulieren. Gute Betriebe werden gestärkt aus der Krise herauskommen. 
Unternehmen, die jetzt nur mit Unterstützung einer Insolvenz entgehen, werden nach der Pandemie wahrscheinlich nicht lange überleben.

Das Schnuppern in Unternehmen oder bei Berufsinformationsmessen ist nicht möglich, wird das den Fachkräftemangel noch weiter verstärken?
Muralter: Ja, und nicht nur das. Da derzeit in den Schulen fast alle Schüler „durchgetragen“ werden, fehlen die Pflichtschulabgänger, die üblicherweise eine Lehre anstreben. Somit kommt zu den geburtenschwachen Jahrgängen für die Wirtschaft auch noch das Problem, dass mehr Jugendliche als je zuvor in weiterführende Schulen gehen statt eine Lehre zu beginnen. Der Fachkräftemangel wird sich somit zukünftig noch viel massiver bemerkbar machen. (uw)

Branchen
Metall