PV-Ausbau

Dunkle Wolken über der Photovoltaik

Photovoltaik
18.04.2024

Die Kurve der Rekord-Ausbauzahlen an Photovoltaik wird abflachen. Denn am Weg zum ambitionierten Netzinfrastrukturplan gibt es große Hürden. Der Verband Photovoltaic Austria fordert dringend höhere Netzkapazitäten, mehr Flächen und neue Gesetze.
Über dem Ausbau von Photovoltaik in Österreich schweben dunkle Wolken. Um die ambitionierten Ziele bis 2030 zu erreichen, braucht es dringend mehr Netze, mehr Flächen und neue Gesetze.
Über dem Ausbau von Photovoltaik in Österreich schweben dunkle Wolken. Um die ambitionierten Ziele bis 2030 zu erreichen, braucht es dringend mehr Netze, mehr Flächen und neue Gesetze.

"Es ist sonnig, aber kalt – das spiegelt unsere PV-Situation in Österreich wider", begrüßt Herbert Paierl, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands Photovoltaic Austria, an einem wettermäßig symbolischen April-Tag zur Pressekonferenz zum aktuellen Stand der Ausbau- und Netzsituation. Letztes Jahr hat die heimische PV-Branche ein all-time high verzeichnet, "sie steht voll am Gas", verkündet Paierl. Ob das im kürzlich präsentierten Österreichischen Netzinfrastrukturplan (ÖNIP) definierte Ziel, den Ausbau der aus Photovoltaik gewonnenen Leistung auf 21 Terrawattstunden bis 2030 zu erhöhen, erreicht werden kann, dazu zeigt er sich allerdings skeptisch. Es mangelt weder an der Technik, an der Verfügbarkeit der Komponenten und auch nicht an den Fachkräftekapazitäten. Was es aber dringend braucht, sind massive Investitionen in den Netzausbau, die Bereitstellung geeigneter Flächen, zeitgemäße Gesetze, die Vereinfachung und Vereinheitlichung der Genehmigungsverfahren.

Ambitionierte Ziele: Die jährlich zugebaute PV-Leistung in Österreich von 2010 bis 2023 – und die erforderliche Leistung bis 2040.
Ambitionierte Ziele: Die jährlich zugebaute PV-Leistung in Österreich von 2010 bis 2023 – und die erforderliche Leistung bis 2040.

Das ElWG – der Bissen Brot

"Wir brauchen das ElWG (Elektrizitätswirtschaftsgesetz) als Rahmen für den Ausbau der Netzinfrastruktur wie einen Bissen Brot", erklärt Paierl. Vera Immitzer, Geschäftsführerin von PV Austria, ergänzt: "Wir kommen aus einer Erfolgsstory. Am Weg für Zubau und Ausbau bis 2040 gibt es aber große Hürden. Wir brauchen Stromnetze, die Anlagen können nicht einspeisen. Wir wissen nicht, wo es in Gemeinden und Städten Netzkapazitäten gibt, wir wissen nicht, welche Anlagen wo zugebaut werden, uns fehlen die essentiellen Informationen. Sie sind das Lebenselixier unserer Branche. Das ElWG muss noch vor dem Sommer beschlossen werden, wir verlieren sonst bis zu drei bis vier Jahre im Ausbau!"
Im Herbst stehen bekanntlich Wahlen an, die könnten alles verzögern. "Zuerst wird gewählt, dann kommen die Verhandlungen, die neuen Minister müssen sich einarbeiten, Gesetze werden evaluiert. Als gelernter Österreicher weiß ich, dass drei bis vier Jahre schnell vergehen", meint Paierl. Diesen Stillstand kann sich die PV-Branche nicht leisten. Der Verband fordert daher den Beschluss des Gesetzes in der letzten Sitzung des Nationalrats im Juli.

Befragt nach den aktuellen Herausforderungen für die Branche, sehen die Mitglieder von PV Austria mit 74 Prozent den fehlenden Netzausbau als Hindernis Nr. 1 für den PV-Ausbau.
Die Mitglieder von PV Austria sehen den fehlenden Netzausbau als Hindernis Nr. 1 für den PV-Ausbau.

Wir brauchen Netze, Netze, Netze! Nicht erst in sieben bis acht Jahren, wie es die Netzbetreiber sehen – wir brauchen schnelle Lösungen! E-Control muss stärkere Muskeln zeigen, damit die Länder mitmachen.

Herbert Paierl, Vorstandsvorsitzender Bundesverband Photovoltaic Austria

Netzausbau als Hindernis Nr. 1

Zentral im ElWG sind: Der rasche Ausbau der Stromnetze und Stromspeicher sowie konkrete Netzentwicklungspläne, aus denen klar und transparent hervorgeht, wann wo welche Einspeisekapazitäten zur Verfügung stehen. Darüber hinaus muss eine aktuelle Darstellung der Einspeisekapazitäten auf den unteren Netzebenen vorliegen sowie klare und verbindliche Fristen für den Netzanschluss. Zudem braucht es endlich eine Stromspeicherstrategie. "Man muss systemisch denken, wir sind dankbar, wenn wir Flächen bekommen – gegen Westen zu wird es diesbezüglich leider sehr flach, sehr düster. Alles steht und fällt aber mit dem Netz und den Speichermöglichkeiten. Anlagen ohne Speicher rechnen sich nicht, die Förderungen müssen sich auch in Richtung Speichermedien bewegen Es wird an Batterie- und Wasserstofflösungen gearbeitet, das geht aber viel zu langsam", moniert Herbert Paierl.
Schlüsselfaktor ist die Netzinfrastruktur: "Wir brauchen Netze, Netze, Netze, nicht erst in sieben bis acht Jahren, wie es die Netzbetreiber sehen, wir brauchen schnelle Lösungen! E-Control muss stärkere Muskeln zeigen, damit von den Ländern, die oft Netzbetreiber sind, mitgemacht wird", so Paierl. Eine aktuelle Umfrage unter den Mitgliedern des Verbandes untermauert diese Aussage. Befragt nach den aktuellen Herausforderungen für die Branche, sehen die Mitglieder von PV Austria mit 74 Prozent den fehlenden Netzausbau als Hindernis Nr. 1 für den PV-Ausbau. Knapp die Hälfte meint, der Fachkräftemangel sei bereits eine große Herausforderung. Auf Platz drei landet die Bürokratie bei Genehmigungen, womit wieder die Länder angesprochen sind.

Föderalismus vs. Vernunft

Dass die Bundesländer stärker in die Pflicht genommen werden müssen, darüber herrscht im Bundesverband PV Austria Einigkeit. "Die Energiewendebremser sind die Länder, es genügt nicht, das ElWG zu beschließen", kritisiert Vera Immitzer. Neun Länder, neun unterschiedliche Gesetzgebungen: Von Bauordnungen über den Naturschutz bis hin zum Elektrizitätsrecht. Während eine PV-Anlage etwa in Salzburg immer genehmigungsfrei ist, sofern sie von einem Fachunternehmen installiert wurde, ist eine PV-Anlage im Nachbarland Tirol bereits ab 50 kW anzeige- und ab 250 kW sogar genehmigungspflichtig.
Herbert Paierl: "Der Föderalismus ist stärker als die Vernunft. Ein Beispiel: Steiermark war im PV-Ausbau lange die Nummer 1, wurde dann von Ober- und Niederösterreich überholt. Der Grund dafür ist ganz einfach: Dächergenehmigungen sind in der Steiermark sehr kompliziert, in Nieder- und Oberösterreich hingegen einfach, das Land ist auf Platz drei zurückgefallen!"

Bundesländer im Vergleich: Die installierte PV-Leistung bis 2022, die erforderliche Leistung bis 2030 und die selbst gesteckten Länderziele. 
Bundesländer im Vergleich: Die installierte PV-Leistung bis 2022, die erforderliche Leistung bis 2030 und die selbst gesteckten Länderziele. 

Wir brauchen dringend das Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungsgesetz, mit Föderalismus werden wir den Ausbau nicht schaffen.

Vera Immitzer, Geschäftsführerin PV Austria

Freiflächen für PV-Ausbau nötig

Apropos verbaubare Flächen: "Wir werden mit PV auf Dachflächen nicht weit kommen, die Ausbauziele nur zur Hälfte erreichen, die andere Hälfte der Anlagen muss auf Freiflächen", hält Vera Immitzer fest. Erst vier Bundesländer (Stmk., NÖ, Bgld., Sbg.) haben sich aktiv dafür entschieden, Flächen für PV auszuweisen bzw. transparent verfügbar zu machen. "Auch unter diesen vier 'Vorreitern' gibt es keine Musterschüler – alle Zonierungen haben teilweise grobe Schwachstellen – zu wenig Flächen, die noch dazu nicht nutzbar sind, weil eine Gemeindezustimmung oder das Stromnetz fehlt", so Immitzer. "Wir brauchen dringend das Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungsgesetz, mit Föderalismus werden wir den Ausbau nicht schaffen."
Weiter verschärft wird die Problematik durch die teilweise überbordenden Anforderungen in Genehmigungsverfahren, die deshalb oft viele Jahre in Anspruch nehmen. "Jetzt sind wir auch vom Artenschutz entdeckt worden! Wir haben große Mühe zu erklären, dass wir kein Gegner des Artenschutzes sind, sondern ganz im Gegenteil, wir sehen uns als Partner. Wir versiegeln keine Flächen. In punkto Biodiversität können wir sehr viel machen", stellt Herbert Paierl klar.

Die Mehrwertsteuerbefreiung ist in der Bevölkerung noch nicht wirklich angekommen. Der Verband PV Austria startet deshalb eine Kampagne für Endkunden.
Die Mehrwertsteuerbefreiung ist in der Bevölkerung noch nicht wirklich angekommen. Der Verband PV Austria startet deshalb eine Kampagne für Endkunden.

"Mach dein Dach zum Kraftwerk"

Herbert Paierl und Vera Immitzer sparen nicht an Kritik, sie sprechen aber auch Lob aus. Die Mehrwertsteuerbefreiung für Photovoltaikanlagen bis 35 kW peak, die sowohl auf den Kauf der Anlage an sich, als auch für die fachgerechte Montage durch einen PV-Profi gilt, sieht der Verband als wichtigen Impuls für den Ausbau in Österreich.
Dazu ist keine Förderantragstellung notwendig, der Fachbetrieb stellt einfach eine Rechnung ohne Mehrwertsteuer aus. "Der Endkunde profitiert von einem doppelten Mehrwert, sowohl die Arbeitsleistung, als auch die Komponenten sind von der Steuer befreit. Die Anlagen sind so günstig wie nie zuvor. Und: die Kapazitäten sind da, Unternehmen können Anlagen jetzt binnen zwei bis drei Monate umsetzen", erklärt Immitzer, die davon überzeugt ist, dass die Förderung von den Unternehmen auch wirklich an die Kunden weitergegeben wird.
Von BMF und BMK ist eine Webseite geplant, die Kostentransparenz für den Endverbraucher schaffen soll. Als Richtgröße nennt Immitzer zu den Kosten 1.200 bis 1.300 Euro pro kW peak all in, also für die komplette Anlage inklusive Installation. Für eine Durchschnittsanlage mit 8 kW peak sind das dementsprechend rund 10.000 Euro.
Die Mehrwertsteuerbefreiung ist in der Bevölkerung offenbar noch nicht wirklich angekommen. Der Verband PV Austria startet deshalb im April und Mai eine Kampagne für Endkunden. Der Slogan lautet "Mach dein Dach zum Kraftwerk" – eingerichtet wurde eine Landingpage unter sonne-ein.at, auf der Interessierte eine Fülle an Informationen wie Checklisten oder eine Profisuche erhalten.
Die Branche erhofft sich auch wirtschaftlich wichtige Impulse. "Acht Jahre in Folge wurde der Zubau gesteigert, heuer wird es schwierig werden", prognostiziert Vera Immitzer. Herbert Paierl sieht die Situation ähnlich. "Bei neuen Anfragen erleben wir einen Sturzflug, wie die gesamte Bauwirtschaft. Noch sind die Betriebe aber gut ausgelastet und können die bestehenden Aufträge abarbeiten."

Strafzölle auf Chinaware – ein Schuss ins Knie

Die Anlagen sind so günstig wie nie zuvor – nicht nur auf Grund der attraktiven Förderungen, sondern auch wegen der preiswerten Module, die aus China importiert werden. Die europäische Industrie kann da nicht mithalten. Sind Strafzölle die Lösung? Herbert Paierl spricht sich ganz klar dagegen aus: "Das ist ein europäisches, kein rein österreichisches Thema. Uns tut es weh, aber wir können auf diese günstigen Importe nicht verzichten. Strafzölle bringen nichts, damit schießen wir uns ins eigene Knie. Wir müssen hinterfragen: Warum sind die chinesischen Module so günstig? Wir arbeiten in Europa mit denselben Maschinen, die Produktion ist nicht personalintensiv, es gibt auch in Europa billige Standorte. Ich weiß nicht, warum Europa im Vergleich so teuer ist? Wird die PV-Branche in China subventioniert? Dann müssen wir das ausgleichen, aber nicht durch Strafzölle."

Fazit: Rahmenbedingungen müssen passen

Das Fazit zu den Aussagen von Vera Immitzer und Herbert Paierl ist klar: Es gilt in der PV-Branche jetzt die richtigen Weichen zu stellen, die Aufträge an Bund und Länder wurden deutlich formuliert. Denn ohne die passenden Rahmenbedingungen sind die geplanten Ausbaupläne nicht zu erreichen.

Mitarbeit: Birgit Tegtbauer