Tageslichtplanung: Lernen leicht gemacht

Tageslichtplanung
02.06.2020

 
Die Volksschule Bütze in Wolfurt bei Bregenz ist ein Paradebeispiel eines zukunftsfähigen Schulbaus, der nicht nur durch den naturbelassenen Charme der Holzfassade besticht, sondern auch aufgrund der hervorragenden visuellen Raumqualitäten überzeugt. von Yoko Rödel 
Im Bildungscampus Bütze setzen Schenker Salvi Weber Architekten  Tageslicht funktional und ästhetisch in Szene.
Im Bildungscampus Bütze setzen Schenker Salvi Weber Architekten Tageslicht funktional und ästhetisch in Szene.

Die Corona-Krise ist weit mehr als nur eine Probe aufs Exempel: Die allgegenwärtigen Herausforderungen im Homeoffice, seit jeher als Kopfgeburt des modernen Zeitalters belächelt, bringen dabei nicht nur die Arbeitnehmer an ihre Grenzen, sondern sind derzeit auch die bittere Realität zahlreicher Schüler. Die mühsame Heimarbeit derselben zeigt einmal mehr die Relevanz einer visuell ansprechenden Lernatmosphäre. In weiser Voraussicht widmete sich das „Turn-On-Festival“ Anfang März dieses Jahres im Rahmen eines Werkvortrags dem Thema Tageslicht im Schulbau. Anlässlich dessen erzählten der Architekt ­Michael ­Salvi von Schenker Salvi Weber Architekten sowie der Velux-Tageslichtplaner Heinz Hackl in einem kurzen Vortrag von ihrer erfolgreichen Zusammenarbeit bei den Planungen zur Volksschule Bütze in Wolfurt. Stets den Blick für das Wesentliche wahrend gab Architekt Salvi einleitend einen prägnanten Überblick über die architektonischen Überlegungen zum Erhalt des Bestandsbaus aus den 1960er und 1990er Jahren und seinen denkbar schlechten bauphysikalischen Eigenschaften.

Maximale räumliche Vielfalt

Neben der Sanierung des in die Jahre gekommenen Bauwerks galt es, die Schule entsprechend heutiger Anforderungen zu erweitern und darin einen Kindergarten samt Krippe zu integrieren. Nicht nur die baulichen Hürden, auch der Kostendruck in der Entwurfsphase stellte die Beteiligten vor zusätzliche Herausforderungen. Statt jedoch Schadensbegrenzung zu betreiben, gelang es den Architekten ein Maximum an räumlicher Vielfalt innerhalb eines kompakten Baukörpers zu generieren. Während der Bau aus den 1990er Jahren komplett abgetragen werden musste, wurde jener aus den 1960er Jahren erhalten und in den neuen Erweiterungsbau integriert. Die bestehende Turnhalle im Untergeschoß wurde saniert sowie überbaut und mit einem „Lernteppich“ überspannt – einem sechzig Meter langen und über zwanzig Meter tiefen Neubau als Holztragwerk ausgeführt. Jeweils eine Pergola an den Schmalseiten des Gebäudes ergänzt die Anlage harmonisch zu einem L-förmigen Baukörper mit einem dreiseitig gefassten Hof. Der Holzbau, ausgeführt mit sägerauer Nordischer Fichte, ist ein Skelettbau mit hinterlüfteter, vorgehängter Holzfassade. Die im Schindel-Prinzip nach unten überlappenden Fassadenteile verhindern den Wassereintritt in die Gebäudehülle. Optisch besticht der Bau durch seine exklusive vorvergraute Außenhaut, die mittels High-End-Lasur erreicht werden konnte: Gemeinsam mit dem ausführenden Holzbauer fiel die Entscheidung, die außen liegenden Holzteile mit einer Lasur zu beschichten, die für eine gleichmäßige Vorvergrauung des Holzes sorgt. Man wählte einen warmen Grauton mit natürlicher Anmutung, der speziell auf die Verwendung für Fichtenholz abgestimmt ist. Die ansprechende Holzfassade versteht es nicht nur, den Wechsel zwischen Fuge, Wand und Öffnung taktvoll zu bespielen, sie ist zugleich auch eine Hommage an die Vorarlberger Handwerkskunst: „Die Vorarlberger Architektur zeichnet sich seit jeher durch ihren differenzierten Umgang mit Bauten in Holz aus“, so Michael Salvi. „In der Gemeinde Wolfurt, die aus unterschiedlichen Dorfkernen gewachsen ist, gibt es sehr prägnante geschindelte Häuser und pragmatische Wirtschaftsbauten. Durch den Einsatz von leichten Versprüngen und einer insgesamt ruhigen Fügetechnik haben wir uns diesen Vorbildern angenähert. Dabei öffnet sich das Fassadenprinzip ausgehend von der Regel auf der Längsseite im Bereich der kopfseitigen Pergolen. Hier öffnet sich das Haus, und die Holzkonstruktion entfaltet sich.“

Innenraumqualitäten

Auch im Inneren des Gebäudes kommen unterschiedliche Raumqualitäten zum Tragen: Der Grundriss gliedert sich in vierzehn außenseitige Klassenzimmer und zwölf innen liegende Gruppenräume. Die Übergänge der Räume sind fließend, selbst die notwendigen Korridore mutieren zu multifunktionalen Zwischenräumen. Hierbei trifft behagliche Atmosphäre auf die lokale Handwerkskunst Vorarlbergs: Großzügige Fenster, hochwertiges Parkett sowie ästhetisch und haptisch ansprechende Eichenholz-Möbel, dazu Deckenplattem aus Holzwolle sorgen für eine angenehme Akustik und eine gesunde Lernumgebung mit angenehmen Kontrasten für das Auge. Hierbei geben die in Holz gefassten Fenster der Fassade ihr Gesicht, sie repräsentieren Offenheit und fügen sich als Gesamtkunstwerk in die bauliche Struktur des Schulgebäudes ein. Auch die multifunktionalen Bereiche im Innenraum werden dank der großzügigen Oberlichten mit ausreichend Tageslicht versorgt. „Der Innenraum hat heute eine ganz andere Funktion als noch vor zwei Generationen“, so Heinz Hackl, der außerdem unterstreicht, „Licht ist der stärkste Taktgeber für das Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit der Menschen“. Dank der digitalen Software „Daylight Visualizer“ gelang es auch in Bütze Tageslicht spezifisch zu evaluieren und mittels fotorealistischer Darstellungen zu erproben. „Die wichtigen Begegnungszonen sind hell und die Kontraste angenehm für das Auge“, erläutert Hackl das Ergebnis der Messungen. Anders als bei Kunstlicht ist Tageslicht nicht steuerbar. Ist der Himmel bewölkt, kommt es aufgrund der diffusen Belichtung zu einem verminderten Lichteinfall – andererseits besteht während der strahlungsintensiven Sommermonate die Gefahr einer Überhitzung. Gegen letztere schafften die Planer mittels externer Sonnenschutzelemente Abhilfe. „Die Oberlichtelemente werden mit einem außen liegenden, elektrisch gesteuerten Sonnenschutz verschattet. Somit gibt es bezüglich einer sommerlichen Überhitzung keine Probleme“, versichert Michael Salvi. Die Sonne als natürliche Lichtressource wird zum integralen Bestandteil des Gebäudes, in dem das Fenster letztlich weit mehr ist als ein bloßes Tor zur Außenwelt. Auch im Inneren des Schulbaus werden die unterschiedlichen Tagesstimmungen für die Schüler erlebbar. Zahlreiche Öffnungen und Durchbrüche schaffen Blickbeziehungen innerhalb eines vielfältigen Raumgefüges und zeigen einmal mehr die Relevanz der Gleichzeitigkeit unterschiedlicher Räumlichkeiten und deren Einfluss auf die Qualität der Lehre im modernen Bildungsbau.

PROJEKTDATEN

Volksschule Bütze Wolfurt, Vorarlberg

Auftraggeber Gemeinde Wolfurt, Bezirk Bregenz
Architekten Schenker Salvi Weber
Auftragsart EU-weiter Wettbewerb, 1. Rang (2015)
Realisierung 2017–2018
BGF 4.150 m2
Energieeffizienz Passivhausstandard
Konsulenten
Statik Hämmerle – Huster Statik
Brandschutz IMS Brandschutz
Bauphysik IBO – Österreichisches In­stitut für Bauen und Ökologie
Gebäudetechnik GMI – Ing. Peter Messner GmbH
Lichtplanung Designbüro Christian ­Ploderer
Landschaftsplanung DnD Landschaftsplanung
Holzbau Dobler, Röthis
Holzlasur „Greywood“, Farbton wurde „Forrest 01“ von Danske 
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