Tageslichtplanung: Licht macht sichtbar

Tageslichtplanung
05.06.2019

 
Tageslicht beeinflusst unser Wohlbefinden und damit unsere Gesundheit, ihm verdanken wir unser Gefühl für Zeit und Raum. Tageslicht sollte daher bereits in der Planungsphase Berücksichtung finden. FORUM hat der Tageslichtplanerin Christina Brunner bei einem Impulsvortrag zum Thema im Architekturbüro mia2 über die Schulter geschaut und erfahren, was es bei der Planung mit Tageslicht zu beachten gilt. von Christine Müller
Eine Evaluierung der Ressource Tageslicht anhand von Modellen zu Beginn der Planung ist ein guter Ansatz.
Eine Evaluierung der Ressource Tageslicht anhand von Modellen zu Beginn der Planung ist ein guter Ansatz.

In der Architektur wird Tageslicht meist als nur quantitatives Phänomen gesehen. Selbst Planungs- und Bauvorschriften regeln nur ein Mindestmaß für Lichteinfall oder Fenstergröße und vergessen dabei auf maximale Lichtmengen und Lichteigenschaften wie Orientierung, Lichttemperatur, Lichtfarbe oder Reflexionsgrad. Das Tageslichtplanungstool „Daylight Visualizer“*) von Velux, das Architekten kostenlos und zum Download zur Verfügung steht, ermöglicht eine Berechnung der Lichtverhältnisse bereits im Planungststadium. Im Rahmen eines mittäglichen Workshops möchte Velux über Tricks und Tücken der Tageslichtplanung informieren und dabei dazu anregen, bereits in der ersten Planungsphase die Möglichkeiten der Gestaltung mittels Tageslichts mitzudenken. Die entspannte Atmosphäre mit anschließendem gemeinsamem Lunch hilft dabei, Schwellen abzubauen und gleichzeitig zu erkennen, dass effektive Tageslichtplanung als integraler Bestandteil der Architektur auch ein bestimmtes Grundwissen voraussetzt, das man eben in lockerer Atmosphäre zu vermitteln sucht.

Christina Brunner beginnt anhand ihrer Präsentation mit einem kurzen geschichtlichen Abriss, der illustriert, wie Tageslicht seit jeher eingesetzt wurde, um Stimmung zu erzeugen, Anziehungspunkte zu schaffen, Neugierde beim Betrachter zu wecken. Grenzen zwischen Kunst- und Tageslicht sind nicht immer leicht auszumachen, manche Bauten spielen sogar mit dieser offensichtlichen Täuschung. „Am Beginn eines Diskurses über Tageslichtplanung steht stets die Technik und eine Erklärung darüber, woraus sich Tageslicht überhaupt zusammensetzt“, beginnt die Lichtplanerin. „Ultraviolettes Licht zeichnet verantwortlich für die Pigmentierung unserer Haut, mehr Sonne bedeutet auch mehr Pigmentierung.“ Infrarotlicht hingegen ist für Wärme verantwortlich, die auch Glas durchdringt. Im Mittelpunkt steht dabei das sogenannte sichtbare Licht das wir über unseren Körper und unsere Augen wahrnehmen. Dieser sichtbare Bereich zeigt sich morgens als kälteres bläuliches Licht, abends als warmes rötliches Licht. Die Herausforderung an die Planung liegt nun darin, dass sich ein Raum durch die ständig wechselnde Dynamik von Licht über den Tag und entsprechend den Jahreszeiten verändert und somit – und das ist mit dem Ausblick wesentlich verbunden – über das Jahr hinweg stets unterschiedliche (Licht-)Situationen aufweist.

Lichtintensität, Leuchtdichte
„Licht macht sichtbar“, ist die wichtigste Maxime, wenn es um Tageslichtplanung geht. „Schon während meines Architekturstudiums hat mich das Thema gefesselt und nicht mehr losgelassen. Seit mittlerweile acht Jahren berate ich Planer und besuche Architekturbüros, um über Lichtplanung zu sprechen. Der erste Ansatz, wenn nicht genügend natürliche Lichtressource vorhanden ist, ist es, die mit Kunstlicht zu ergänzen“. Diese nicht sehr erfreuliche Bilanz führt Christina Brunner dann zur ersten Frage an die Workshopteilnehmer: „Welche lichttechnischen Grundgrößen kennen Sie? Die Antwort folgt blitzschnell: „Lux“. Die perfekte Einleitung für die Lichtplanerin, denn Messgeräte helfen zu berechnen, wie viel Lux auf einer bestimmten Fläche auftreffen. Was versteht man aber nun unter Lux? An einem sonnigen Tag können im Außenraum bis zu 100.000 Lux zur Verfügung stehen. Im Vergleich dazu misst man in einem Operationssaal um die 10.000 Lux. Die Architektin und Tageslichtforscherin Renate Hammer hat sich die Mühe gemacht, von Jänner bis Dezember zu beobachten, wie viel Licht im Außenraum zur Verfügung steht. Entscheidend dafür, wieviel davon im Innenraum ankommt, sind Architektur, Materialitäten und Orientierung „Wie sieht es nun aber aus, wenn alles rundherum dunkel ist, auch die Wände schwarz sind, unterscheidet sich die hier gemessene Lichtintensität mit jener in einem weißen Raum?“, so eine Frage aus der Architektenrunde. „Grundsätzlich wird Licht durch schwarze Wände absorbiert“, antwortet die Lichtplanerin, „eine schwarze Wand reflektiert weniger. Matte, helle Wände liefern zusätzliche Reflexion, die die Lichtsituation verbessert. Ob ein Raum nun einen schwarzen oder hellen Fußboden aufweist, die Lux-Menge ist immer die gleiche.“
Die Leuchtdichte hingegen ist jener Lichtstrahl, den wir wahrnehmen, der auch unsere Raumwahrnehmung beeinflusst. Hierbei ist sehr wohl relevant, ob der Raum einen dunklen oder hellen Fußboden hat, denn eine helle Fläche reflektiert mehr Licht, und wir nehmen den Raum automatisch heller und auch großzügiger wahr. 

Tageslichtquotient
Der Tageslichtquotient ist der wichtigste Kennwert zur Berechnung von Tageslicht. Man hat außen 100 Prozent Licht zur Verfügung, egal ob 20.000, 30.000 oder 5.000 Lux, und im Innenraum eine gewisse Luxanzahl. Aus dem Verhältnis beider Angaben errechnet sich der Tageslichtquotient. Wichtig dabei: Der Tageslichtquotient kann nur bei bedecktem Himmel berechnet werden, denn dann ist der Lichteinfall von allen Seiten her gleich intensiv. 

Die ÖNorm EN 17037, die seit Februar dieses Jahres in Kraft ist, behandelt nunmehr die Tageslichtzufuhr und die Beurteilung von Aussicht und Sonnenlichexposition sowie den Schutz vor Blendung. Auch im Anwendungsbereich wird nicht mehr zwischen Büro oder Wohnraum unterschieden, es geht nun grundsätzlich um Räume, die über eine längere Zeit von Menschen benützt werden, und es ist wichtig, in diesen Räumen möglichst eine natürliche Belichtung sicherzustellen. Mehr Glas heißt aber nicht mehr Licht, wie Messungen zeigen. Die Position der Fenster ist wesentlich, Lichtquellen sollten daher im Raum verteilt und unterschiedlich orientiert sein.

Ein Tageslichquotient etwa mit einem Wert von 0,6 Prozent TQ entspricht 100 Lux, 1,9 Prozent 300 Lux. 100 Prozent der Fläche sollte zumindest 100 Lux haben und 50 Prozent 300 Lux, so die Mindestanforderung der Norm. Als mittlere Belichtungsqualität gelten 50 Prozent mit 750 Lux, als hohe Belichtungsqualität um die 1.000 Lux. Diese Bemessung gilt bei horizontalen Flächen, denn Licht vom Zenit ist dreimal so intensiv wie Licht, das von der Seite kommt.

Mit dem Daylight Visualizer kann man im Grundriss gut überprüfen, wie hoch der TQ ist und dies  auch in entsprechenden Visualisierungen darstellen, etwa auch um Vorher-Nachher-Effekte zu illustrieren. Gearbeitet wird mit Grundriss, 3D-Ansicht und Schnitt in möglichst einfach dargestellten importierten Modellen. Im Tool können die unterschiedlichen Positionen der Lichtquellen miteinander verglichen werden, unter Berücksichtigung von außen liegenden Verschattungen. Auch die Falschfarbendarstellung kann zur Überprüfung herangezogen werden. Bei Direktlichteinfall können so die Kontraste besser wahrgenommen werden.  

Beleuchtungsqualität
Ein großer Glasanteil an der Fassade wird oft fälschlicherweise mit viel Lichteinfall in Zusammenhang gebracht. Nach 1,5 Metern Abstand zur Lichtquelle veringert sich die Lichtmenge bereits enorm. „Wenn Fenster so platziert sind, dass nahe liegende Wand- oder Deckenflächen zur Lichtreflexion genutzt werden können, entstehen Lichteffekte, die angenehm wahrnehmabres Diffuslicht generieren“, betont Brunner. Die Sonnenlichtexposition empfiehlt 1,5 Stunden Direktlicht in einem der Räume, stets sollte ein Bezug zur Außenwelt und Direktbesonnung erreicht werden. Mit dem Daylight Visualizer ist mittels Video der Direktlichtverlauf in einem Raum über einen Tag oder sogar über verschiedene Jahreszeiten hinweg simulierbar. „Nicht immer wird die Norm erfüllt werden können, vor allem nicht im Geschoßwohnbau oder städtischen Bereichen, wo es viel Verschattung gibt, aber es ist eine Annäherung“, schließt Christina Brunner und ergänzt: „Es wäre ein guter Ansatz, mit der natürlichen Ressource Tageslicht zu arbeiten. Sehr effizient sind auch analoge Modelle, um zu beobachten, wie sich ein Raum verändert, denn letztlich entspricht keine Bildschirmdarstellung der Realität”. 

*) Der VELUX Daylight Visualizer ist ein Programm für die Animation und Analyse verschiedener Tageslichtsituationen in Gebäuden. Es können genauso gut Räume im Programm gebaut werden, wie auch 3D-Modelle importiert werden. In diesen virtuellen Modellen lassen sich Tageslichtquotient, Belichtungsstärke und Leuchtdichte ermitteln, und es können beliebige Lichtszenarien ausgewertet und Tageslichteinfälle – auch über den Tagesverlauf – realistisch dargestellt werden.

Detaillierte Informationen unter: http://www.velux.at/tageslichtplanung

Kostenloser Download unter: http://viz.velux.com

Der Beitrag ist in der Printausgabe Architektur & Bau FORUM 05/19, S.13 zum Thema Tageslichtplanung erschienen.

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