Abgeltung des entstandenen Nachteils bei Abbestellung von Auftragsteilen

Claim-Management
15.02.2013

Von: Redaktion Bauzeitung
Erteilte Aufträge können vom Auftraggeber jederzeit und ohne Grund ganz oder teilweise abbestellt werden. 

Erteilte Aufträge können vom Auftraggeber jederzeit und ohne Grund ganz oder teilweise abbestellt werden. Oft kommt es so auf Auftragnehmerseite zu finanziellen Einbußen, da der Auftragnehmer mit der vollständigen Erfüllung des Bauauftrags gerechnet hat: Gerätemieten oder Entgelt für Arbeitnehmer müssen schließlich bezahlt werden, obwohl der Auftrag storniert wurde. 

Sowohl das Gesetz als auch die ÖNorm B 2110 sehen für diesen Fall eine Nachteilsabgeltung vor: Der Auftragnehmer hat einen Anspruch auf Bezahlung des vollständigen Werklohns, abzüglich dessen, was er sich durch das Unterbleiben der Werkerstellung erspart oder durch anderweitige Verwendung erworben oder zu erwerben absichtlich versäumt hat (§ 1168 ABGB).

Die ÖNorm B 2110 schränkt diesen Anspruch insoweit ein, als der Auftragnehmer nur dann einen Anspruch auf Nachteilsabgeltung hat, wenn der Auftraggeber Leistungen im Wert von mehr als fünf Prozent der Gesamtauftragssumme (inklusive USt.) abbestellt und der Nachteil nicht durch neue Einheitspreise oder andere Entgelte abgedeckt ist. Berechnung des Nachteils: Der Auftragnehmer ist in wirtschaftlicher Hinsicht so zu stellen, wie er stünde, wenn der Auftrag tatsächlich ausgeführt worden wäre. Eine Abbestellung des Werks soll den Auftragnehmer also weder schlechter- noch auf Kosten des Auftraggebers besserstellen. 

Beispiel: Vereinbart ist in einem Einheitspreisvertrag eine Gesamtauftragssumme von 300.000 Euro. Nach Vertragsabschluss bestellt der Auftraggeber einige Positionen ab, die nach dem Vertrag insgesamt 50.000 Euro ausmachen. Der Auftragnehmer erspart sich durch die Abbestellung Materialbeschaffungen von 30.000 Euro und Personalkosten von 8.000 Euro. Darüber hinaus erspart er sich eine Kranmiete für 4.000 Euro. Der Auftraggeber hat dem Auftragnehmer also einen Nachteil von 8.000 Euro zu ersetzen.

In der Praxis ist die Nachteilsberechnung zumeist komplexer, weshalb die ÖNorm B 2110 die Möglichkeit einer „pauschalierten“ Nachteilsabgeltung vorsieht: Der entstandene Nachteil kann im Einvernehmen pauschal durch die Vergütung des kalkulierten Anteils der Geschäftsgemeinkosten an den entfallenen Leistungen ersetzt werden. Die Betonung dieser Bestimmung liegt auf „Einvernehmen“. Wenn sich Auftragnehmer und Auftraggeber nicht auf diese Art der Abgeltung einigen, kann der Auftragnehmer den Nachteil auch anders ermitteln und fordern. So können für Auftragnehmer bei einer Minderung oder bei Entfall von Leistungen unter anderem nachfolgende Nachteile entstehen: 

  • entgangene kalkulierte Geschäfts­gemeinkosten; 
  • geringere Auslastung des Personals und der Geräte;
  • frustrierender Aufwand für Materialbeschaffung oder Vorproduktionen;
  • schlechtere Einkaufskonditionen für Material und Fremdleistungen.

Beweislast für Ersparnis: Was sich der Auftragnehmer durch die Abbestellung erspart hat, ist vom Auftraggeber zu beweisen. Wenn der Auftragnehmer z. B. infolge des Freiwerdens der Kapazitäten einen Ersatzauftrag annimmt, so ist dieser Ersatzauftrag als Ersparnis anzurechnen. In der Praxis ist es für Auftraggeber allerdings zumeist mangels Kenntnis der vom Auftragnehmer nach Abbestellung des Werks getätigten Maßnahmen sehr schwer zu beweisen, welche Ersparnisse sich der Auftragnehmer anrechnen lassen muss. Hier ist der Auftragnehmer, was die Beweislast betrifft, jedenfalls im Vorteil.

Fazit

Die Nachteilsabgeltung ist ein Anspruch des Auftragnehmers bei teilweiser oder gänzlicher Abbestellung eines Auftrags durch den Auftraggeber. Auftraggeber sind daher gut beraten, vor Abbestellung von Teilen der Leistung zu prüfen, wie sich die Abbestellung wirtschaftlich auswirkt. Aufseiten der Auftragnehmer wiederum sollte diesem Anspruch größere Beachtung geschenkt werden. Eine Abbestellung von Auftragsleistungen geht nicht notwendigerweise mit finanziellen Einbußen einher, sondern berechtigt zur Geltendmachung des entstanden Nachteils. 

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