Interview

„Nur eines geht nicht: nicht wohnen!“

Interview
07.05.2024

Porr-Boss Karl-Heinz Strauss spricht im Interview mit der Bauzeitung über die Zukunft der Bauwirtschaft – über eine Blase, die es nicht gibt und über etwas, auf das man nicht verzichten kann.
DC 2 Tower: Porr-Projekt

Herr Strauss, die Bauwirtschaft steckt in der Krise. Wie schlägt sich die Porr in diesem Umfeld?
Karl-Heinz Strauss:
Der Porr geht es ausgezeichnet. 2023 war ein sehr gutes Jahr für uns. Und 2024 hat die Chance, noch besser zu werden.

Das überrascht.
Strauss:
Man muss bei der Beurteilung der aktuellen Lage der Bauwirtschaft differenzieren. Alles, was mit Tiefbau und Infrastruktur zu tun hat, läuft sehr gut. Im Wohnbau schaut es anders aus: Das privat finanzierte Bauträgergeschäft ist fast völlig zum Erliegen gekommen. Ähnlich ist es beim Bau von Einfamilien- oder Zweifamilienhäusern. Darunter leiden nicht nur die ausführenden Baumeisterbetriebe, sondern auch das Baunebengewerbe.

Aber nicht die Porr?
Strauss:
Wir können das ausgleichen. Die Porr ist sehr breit aufgestellt. Es gibt kaum einen anderen Baukonzern unserer Größe in Europa, der so breit aufgestellt ist wie wir. Vom Tunnelbau über Abwasser bis zu Investitionen in die Energiewende wie Pumpenspeicherkraftwerke, Windkraftwerke oder Photovoltaik-Anlagen: Wir sind in unsere Heimmärkten sehr gut positioniert.

Eine Blase, die keine ist

Kommen wir noch einmal zurück zum Wohnbau. Wo sehen Sie das Problem?
Strauss:
Der Bestand, der bereits gebaut wurde, ist derzeit nur sehr schwer zu verwerten. Der starke Anstieg der Zinsen und der Baupreise hat zu hohen Endpreisen geführt. Und die werden nicht sinken. Die Preise für Stahl und Holz gehen zwar nach unten, aber bei den Lohnabschlüssen haben wir für 2024 wieder ein Plus von mehr als sieben Prozent. Dazu kommt in Österreich die KIM-Verordnung…

…die den Banken hohe Auflagen bei der Vergabe von Immobilienkrediten macht. Sie erfreut sich in der Bauwirtschaft keiner allzu großen Beliebtheit.
 Strauss:
Zurecht. Die KIM-Verordnung kommt einer Besachwaltung der Banken gleich. Sie ist gänzlich abzulehnen. Man glaubt, damit eine Blase verhindern zu müssen, die weit und breit nicht sichtbar ist.

Was erwarten Sie sich vom Wohnbaupaket der Bundesregierung?
Strauss:
Die beschlossenen Maßnahmen sind ein guter Ansatz. Jetzt hängt es von den Bundesländern ab, dass sie zügig umgesetzt werden. 

Die Länder lassen sich allerdings gerade ziemlich viel Zeit.
Strauss: Ich
weiß nicht, worauf sie warten. Das sind ja alles keine neuen Themen, die beschlossen wurden. Das hat es in Österreich alles schon gegeben.

Verlassen wir die aktuelle Wohnbauflaute und werfen wir einen Blick in die Zukunft. Wie beurteilen Sie die mittelfristigen Aussichten der Branche?
Strauss:
Ich mache mir für die nächsten fünf bis sieben Jahren für die Bauwirtschaft überhaupt keine Sorgen. Im Gegenteil: Ich sehe riesige Chancen. Allein der Megatrend der Urbanisierung erfordert massive Investitionen. Wohnraum und die entsprechende Infrastruktur müssen geschaffen werden.

Welche Auswirkungen haben die steigenden Anforderungen zum Thema Nachhaltigkeit?
Strauss:
Auch hier sehe ich enorme Chancen: Der Altbestand von Gebäuden muss saniert werden. Die Klimaerwärmung erfordert Lösungen zur Beschattung und Dämmung von Gebäuden. Grünflächen müssen geschaffen werden, damit das Leben in den Städten lebenswert bleibt. Für die Energiewende ist der Ausbau der erneuerbaren Energie erforderlich. Im Kampf gegen den Bodenverbrauch sind Maßnahmen zur Flächenverdichtung in den Städten gefragt…

Das klingt ganz danach, als wenn Sie die Aussichten der Bauwirtschaft nicht nur mittelfristig recht positiv bewerten.
Strauss:
Richtig. Man kann vieles im Leben tun. Man kann das Essen reduzieren, den Konsum einschränken und auf den Urlaub verzichten. Nur eines geht nicht: nicht wohnen.  

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