Coronavirus: Wer trägt das Risiko einer Störung der Leistungserbringung?

Covid-19
18.03.2020

Das Coronavirus stellt unsere Gesellschaft vor eine beispiellose Situation. Aufgrund der verordneten Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie steht das öffentliche Leben praktisch still. Betroffen ist auch die Bauwirtschaft. Im vorliegenden Beitrag wird die Frage behandelt, wer das Risiko einer Störung der Leistungserbringung aufgrund von „COVID-19“ trägt.

Um die Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie auf laufende Bauvorhaben zu beurteilen, sind zunächst die rechtlichen Grundlagen zu klären. Beim Bauvertrag handelt es sich um einen Werkvertag (§§ 1151, 1165 ff ABGB). Das Werkvertragsrecht ist von einer spezifischen Risikoverteilung geprägt. Danach schuldet der Auftragnehmer die Herstellung des Werkes und hat bis zur Übergabe die Gefahr eines zufälligen Untergangs oder einer Verschlechterung der Leistung zu tragen („Erfolgshaftung“ des AN).

Ausgehend davon sind drei Fallkonstellationen denkbar: 1. Es liegt ein ABGB-Vertrag vor, 2. es wurde die Geltung der ÖNorm B 2110 vereinbart, 3. Auftraggeber (AG) und Auftragnehmer (AN) haben eine vom ABGB bzw. der ÖNorm B 2110 abweichende vertragliche Vereinbarung getroffen (im Folgenden wird nur auf die Fälle 1. und 2. eingegangen).

ABGB-Vertrag

Wurde weder die ÖNorm B 2110 vereinbart noch eine individuelle vertragliche Regelung getroffen, sind die Gefahrtragungsregelungen des ABGB anzuwenden. Nach dem ABGB trägt der AN bis zum Zeitpunkt der Übergabe die Gefahr (siehe vorhin) und muss bis dahin leistungsbereit sein. Eine Ausnahme besteht nur, falls die Störung der Leistungserbringung auf einen Umstand in der Sphäre des AG zurückzuführen ist. In diesem Fall hat der AN gemäß § 1168 Abs 1 Satz 2 ABGB einen Anspruch auf Bauzeitverlängerung und Vergütung von Mehrkosten. COVID-19 bzw. die aufgrund des Ausbruches der Pandemie verhängten Maßnahmen werden hierbei als höhere Gewalt einzustufen sein („neutrale Sphäre“) und fallen nicht in die Sphäre des AG. Beim ABGB-Vertrag trägt also grundsätzlich der AN das Risiko. Er kann daher für entsprechende Erschwernisse grundsätzlich keine Mehrkosten geltend machen, also keine Anpassung des Vertrages verlangen.

Aber auch hier empfiehlt sich eine Prüfung des Einzelfalls. Unterbleibt als Folge von COVID-19 etwa die Ausführung einer Vorleistung (z.B. Mitarbeiter eines vom AG beauftragten Unternehmers dürfen nicht nach Österreich einreisen) oder ist der AG bzw. ein von ihm beauftragter AN für die Untersagung der weiteren Bautätigkeit verantwortlich, liegt sehr wohl ein Umstand in die Sphäre des AG vor.

Die Tatsache, dass der AN beim ABGB-Vertrag das Risiko für die neutrale Sphäre trägt, bedeutet nicht automatisch, dass der AN aufgrund einer allfälligen Überschreitung von vereinbarten Terminen schadenersatzpflichtig wird. Der AG kann Schadenersatzansprüche nur dann erfolgreich durchsetzen, wenn dem AN am Verzug ein Verschulden trifft. Wenn kein Verschulden im Sinne einer subjektiven Vorwerfbarkeit vorliegt, z.B. wenn Mitarbeiter des AN aufgrund des aktuell ausgesprochenen Betretungsverbots gemäß der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (auf Grundlage von § 2 Z 1 des COVID-19-Maßnahmengesetzes), nicht auf der Baustelle arbeiten dürfen, wird der AN auch nicht schadenersatzpflichtig.

Vereinbarung der ÖNorm B 2110

Anders stellt sich die Rechtslage dar, wenn die Geltung der ÖNorm B 2110 vereinbart wurde. Pkt 7.2.1 ÖNorm B 2110 enthält eine vom ABGB abweichende Sphärenzuordnung, und zwar insoweit als, Ereignisse, welche die vertragsmäßige Ausführung der Leistung objektiv unmöglich machen, der Sphäre des AG zuzurechnen sind. Dasselbe gilt für Ereignisse, die zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht vorhersehbar waren und vom AN nicht in zumutbarer Weise abgewendet werden können. Nach der ÖNorm B 2110 trifft also grundsätzlich den AG das Risiko aus der aktuellen Covid-19 Pandemie. Der Auftragnehmer kann in diesem Fall Mehrkosten nach Kapitel 7 der ÖNorm B 2110 geltend machen und eine Anpassung der Bauzeit verlangen.

Fazit

Die aktuelle Covid-19 Pandemie bzw. die zur Eindämmung verhängten Maßnahmen sind als höhere Gewalt zu qualifizieren. Beim ABGB-Vertrag trägt grundsätzlich der AN das Risiko einer Störung der Leistungserbringung. Wurde die ÖNorm B 2110 vereinbart, ändert sich die Risikoverteilung. Aufgrund von Pkt 7.2.1 ÖNormB 2110 fällt das Risiko in die Sphäre des AG.

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