Epidemiegesetz: Die Uhr tickt …

Coronakrise
07.05.2020

 
Unklar ist, ob die Aushebelung des Epidemiegesetzes verfassungsrechtlich hält. Betroffene Unternehmen müssen aber in jedem Fall binnen sechs Wochen nach Wiedereröffnung einen Antrag stellen, um ihre Ansprüche später (vielleicht) durchsetzen zu können.  

Dass es die Bundesregierung mit der Verfassungsmäßigkeit ihrer Covid-19-Maßnahmen nicht immer ganz genau genommen hat, ist kein Geheimnis. Zuletzt sorgte etwa Bundeskanzler Sebastian Kurz mit seiner lapidaren Aussage für heftige Kritik, wonach der Verfassungsgerichtshof die erlassenen Vorschriften selbstverständlich kontrollieren könne, diese dann aber ohnehin nicht mehr gültig seien. Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck legte dann noch einmal nach, indem sie den Unternehmen empfahl, sich auf die Wiedereröffnung vorzubereiten und „ihre Zeit nicht mit Anwälten zu verschwenden“. Das stimmt so allerdings nicht ganz. Beispielsweise wird sich vor dem Verfassungsgerichtshof zeigen, ob das Epidemiegesetz nicht doch noch zur Anwendung kommt.

Mit dem Corona-Hilfspaket, das der Nationalrat am 16. März in einer sonntäglichen Hauruckaktion verabschiedet hat, wurde auch das bis dahin gültige Epidemiegesetz ausgehebelt. Zum Nachteil jener Betriebe, die geschlossen werden mussten. Das Epidemiegesetz aus dem Jahre 1950 sieht nämlich einen Entschädigungsanspruch (§ 32) für Arbeitnehmer und Arbeitgeber vor, deren Betrieb aufgrund des Auftretens bestimmter Krankheiten behördlich geschlossen wurde. Ihnen muss vom Staat der Verdienstentgang ersetzt werden. Dieser Anspruch wurde mit dem Covid-19-Gesetz allerdings außer Kraft gesetzt. Stattdessen wurde ein Krisenbewältigungsfonds eingerichtet und die Betroffenen damit quasi von Anspruchsberechtigten zu Bittstellern degradiert.

Zwischen den Juristen ist nun ein Streit entbrannt, wie mit dieser Situation umzugehen ist. Es stellt sich etwa die Frage, ob der Anspruch gemäß § 32 Epidemiegesetz überhaupt für alle Unternehmen gegeben gewesen wäre oder ob es etwa nur für Unternehmen gelte, die vor dem Covid-19-Gesetz geschlossen werden mussten. Das Epidemiegesetz ziele auf Einzelfälle ab, sagt etwa Verfassungsrechtler Peter Bußjäger, der Tiroler Rechtsanwalt Christian Schöffthaler, der diesbezüglich bereits zwei Individualanträge beim Höchstgericht eingebracht hat, sieht das anders. Das Epidemiegesetz und seine Vorläufer seien demanch ein „gesetzlicher Ausfluss“ der Spanischen Grippe, die von 1918 bis 1920 grassierte. Wie auch immer, die Entscheidung wird in jedem Fall vor dem Verfassungsgerichtshof fallen.

Anträge müssen bald eingebracht werden

Keine Zeit verschwenden sollten jene Unternehmen, die darauf zählen, dass der Verfassungsgerichtshof die Bestimmung des Covid-19-Gesetzes kippt. Um den Anspruch auf Entschädigung nicht verfallen zu lassen, MUSS BINNEN SECHS WOCHEN nach Wiedereröffnung des Betriebes (etwa am 13. April), bei der Bezirksverwaltung (Bezirkshauptmannschaften bzw. Magistrate) ein entsprechender Antrag eingebracht werden. Ein Musterantrag ist unter anderem auf der Webseite des Sozialdemokratischen Wirtschaftsverbandes (www.wirtschaftsverband.at) zu finden. „Im Grunde kann dieser Antrag von jedem Unternehmer selbst eingebracht werden. Danach muss man den Bescheid abwarten, der mit Verweis auf das Covid-19-Gesetz natürlich negativ sein wird. Diesen wird man dann aber beeinspruchen“, erklärt Rechtsanwältin Michaela Hämmerle im Gespräch mit dem Elektrojournal. „Diesen Weg muss jeder gehen, es reicht nicht abzuwarten, bis sich jemand durchgekämpft hat und dann darauf zu verweisen.“

Auch einige Prozessfinanzierer (z. B. www.coronaklage.at) und Plattformen für Sammelaktionen (z. B. www.cobin­claims.at) sind inzwischen auf den Zug aufgesprungen und bieten Unternehmen ihre Dienste an. Hier hat man den Vorteil, dass man einen überschaubaren Aufwand bzw. festgelegte Kosten (bei corona­klage.at sind das etwa 1.000 Euro für die Einbringung des Entschädigungsantrags – bei Cobin Claims muss das selbst erledigt werden, Anm.) hat, freilich muss dann allerdings auch ein Anteil der möglichen Entschädigung abgeliefert werden.