„Herr Bundeskanzler, bitte handeln Sie jetzt!“

Christoph Hauzenberger, Österreichische Bauzeitung
19.03.2020

In einem offenen Brief wandte sich der GBH-Bundesvorsitzende Josef Muchitsch an die Bundesregierung. Die Bitte: ein sofotiger, genereller Baustopp.

Seit einer Woche laufen aktuell die Gespräche der Sozialpartner mit der Bundesregierung, um eine eine offizielle Lösung für die Baubranche zu erarbeiten. Seit dem hat sich wenig geändert, Rechtssicherheit für die Unternehmen sowie deren Angestellte gibt es wenig. Die Firmen reagieren unterschiedlich auf die aktuelle Situation, der Schutz der Mitarbeiter stehe aber immer an erster Stelle.

Nun wandte sich der GBH-Bundesvorsitzende Josef Muchitsch in einem offenen Brief direkt an Bundeskanzler Sebastian Kurz, in dem er einen „generellen Baustopp“ fordert. Hier der Brief im Wortlaut:

Advertorial

Herr Bundeskanzler, bitte handeln Sie jetzt!

Wir brauchen sofort eine Verordnung im Kampf gegen das Coronavirus auf Baustellen. Seit letzten Samstag führen wir als Gewerkschaft mit Ihrer Regierung, der Wirtschaftskammer und verschiedenen Bauherrn Gespräche, um eine gemeinsame Lösung zu finden. Das ist seit gestern Nacht hinfällig.

Insgesamt 780.000 Menschen sind derzeit durch die flächendeckende Quarantäne in Tirol und weiteren Regionen in Österreich in Quarantäne und das macht das Arbeiten auf Baustellen nun ohnehin nicht mehr möglich. Wie soll ein Arbeiter aus einem anderen Bundesland auf seine Baustelle nach Tirol fahren? Oder wie gar nach Vorarlberg? Wie sollen die Firmen in diese Bundesländer Materialien anliefern? Über Deutschland oder Italien? Wie soll eine Mischanlage wirtschaftlich überleben, wenn nur mehr zehn Prozent Auslastung da ist? Das gilt auch für alle anderen Branchen auf Baustellen und in überfüllten Werkshallen, wo ein Sicherheitsabstand von einem Meter einfach praktisch nicht machbar ist.

Die Menschen begrüßen Ihre Maßnahmen, wie zum Beispiel das Schließen von Hotels, Gastronomiebetrieben und Spielplätzen zum Schutz aller Menschen und unserer Kinder und Ihren Appell, zu Hause zu bleiben. Aber Sie verstehen in der jetzigen Situation nicht, wie das ist, wenn Bauarbeiter auf engstem Raum mit vielen Kollegen auf Baustellen weiterhin arbeiten müssen und dann Abends verunsichert zu ihren Kindern und Familien nach Hause fahren. Viele Ehefrauen haben Angst um ihre Ehemänner und darüber, sich selbst mit ihren Kindern zu infizieren.

Die Pandemie schreitet voran. Das Virus macht keinen Bogen um die Baustellen. Bekämpfen wir doch bitte mit weiteren Maßnahmen das Virus, statt diesem weiterhin Raum auf Baustellen zu geben. Das Beispiel Tirol zeigt uns, was ein zu spätes Handeln auslöst. Wenn wir jetzt nicht vernünftig und rasch handeln, müssen wir noch mehr Geld im Kampf gegen das Virus aufwenden. Machen Sie die Baustellen zumindest bis 13. April mittels Verordnung dicht, bevor es zu spät ist! Fahren wir jetzt auf den Baustellen runter, damit wir dann wieder Österreich gemeinsam aufbauen können.

Nachdem viele Baufirmen das Kurzarbeitsmodell wählen, stehen diese in Notsituationen zur Aufrechterhaltung unserer Infrastruktur und Versorgung der Menschen mit ihren Beschäftigten jederzeit zur Verfügung. Abschließend meine Bitte: Stellen Sie den Schutz der Menschen in dieser Situation vor alles andere.

Danke im Namen aller Betroffener und deren Familien.

Bundesvorsitzender der Gewerkschaft Bau-Holz Josef Muchitsch