KMU-Forscher Oberholzner zur Corona-Krise: „Eine Welle an Effekten“

Coronakrise
02.04.2020

Trotz einer Situation, die sich täglich ändert, wagt Thomas Oberholzner, Leiter der KMU Forschung Austria, einen Blick in die Zukunft und analysiert die möglichen wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise. 
Thomas Oberholzner ist Leiter der KMU Forschung Austria
Thomas Oberholzner ist Leiter der KMU Forschung Austria

Tischler Journal: Prognosen zu den Auswirkungen des Coronavirus auf unsere Wirtschaft sind schwer möglich, da sich die Situation laufend ändert. Dennoch bitten wir Sie um eine Einschätzung der Folgen für KMU und im speziellen für Tischlereibetriebe.
Thomas Oberholzner: Die Maßnahmen bzw. Einschränkungen und ihre Effekte laufen in verschiedenen Phasen ab. Derzeit sind Betriebe im Dienstleistungsbereich durch die angeordneten Schließungen am meisten betroffen. Darauf folgt die Phase der Ausstrahlung dieser Totalschließungen auf andere Branchen. Dazu zählen auch zunehmend kleinere Betriebe, etwa Zulieferer im produzierenden Bereich. Dieser leidet u. a. unter Lieferschwierigkeiten, die auch durch die Grenzschließungen verstärkt werden. Daher kann es schwierig werden, die Produktion – auch wenn alle Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit ergriffen werden – aufrechtzuerhalten. Kleinere Tischlereien hingegen, die ihre Rohmaterialien lokal beschaffen, könnten davon etwas weniger betroffen sein.

Wie lange wird dieses Ausstrahlen an­halten?
Das ist die große Frage. Eine seriöse Antwort ist schwierig, da sie von der Dauer der Beschränkungen abhängt. Klar ist: Je länger der „lock down“ dauert, desto stärker wird die Welle an Effekten wie steigende Arbeitslosigkeit, Einkommenseinbußen, Konsum- und Investitionszurückhaltung und schwacher Tourismus sein und desto nachhaltiger werden die negativen Folgen sein. Auch die internationalen Entwicklungen sind für ein stark exportorientiertes Land wie Österreich entscheidend. 

Wie lange kann Österreich diese Einschränkungen halbwegs verkraften?
Zum jetzigen Zeitpunkt sind die Restriktionen bis Dienstag nach Ostern angekündigt, das sind dann vier Wochen. Wobei vieles auf eine Verlängerung eines Teils der Maßnahmen hindeutet. Das ist machbar, aber nicht ohne Weiteres zu verkraften. So werden nur wenige der von den Einschränkungen betroffenen Betriebe ohne staatliche Finanzhilfen über die Runden kommen. Diese Hilfen sind wichtig und gut dotiert. Wie sie in der Praxis wirken, wird sich aber auch erst in ein paar Wochen zeigen. Zudem kommt es auf die Art der Wiederinbetriebnahme an: nämlich ob diese plötzlich – was ich mir eher nicht vorstellen kann – oder schrittweise erfolgt. 
Wie sich die Krise auf Tischlereien auswirkt, hängt von ihrer Ausrichtung ab. Also ob sie mehr auf Privat- oder Geschäftskunden fokussiert sind, woher sie ihre Rohstoffe beziehen, inwieweit sie ihre Produkte exportieren. Hier muss jeder Betrieb einzeln betrachtet werden.

Die Devise ist, trotz dieser nicht so rosigen Aussichten, optimistisch zu bleiben und nach Chancen durch die Krise zu suchen. Welche positiven Aspekte könnte man für Tischler erkennen? 
Natürlich birgt jede Krise auch ihre Chancen. So kann die globale Dimension ein Umdenken bewirken: Man besinnt sich mehr auf die Regionalität und versucht, Produktionsbereiche wieder nach Österreich zu verlegen. Diese Veränderungen können Betriebe, die auf Regionalität, Umweltschutz, Gesundheitsaspekte u. Ä. setzen, durchaus einen Schub bescheren. Auch Nachholeffekte wie die Vergabe aufgeschobener Projekte oder das Wiederauffüllen von Lagern können positive Auswirkungen haben. Ebenso entscheidend wird sein, wie sich die öffentliche Hand – die ja durch die Zusatzausgaben sehr stark belastet ist – verhält. Werden z. B. öffentliche Bauvorhaben auf Eis gelegt oder – was wichtig wäre – „jetzt erst recht“ forciert. 

Sehen Sie noch weitere Lerneffekte, die die Krise bewirken kann?
Die Digitalisierung rückt aktuell durch das Arbeiten und Lernen von zu Hause und den verstärkten Onlinevertrieb noch mehr in den Fokus. Das bedeutet für Betriebe, sich zu überlegen, wie sie E-Commerce für sich nützen können, wenn dies bisher noch nicht der Fall war. Zudem zeigt eine Krise immer auch Abhängigkeiten auf, wie z. B. von Lieferketten oder Kunden. Erkennt ein Betrieb nun solche, dann kann eine größere Diversifizierung zweckmäßig sein. Denn je diverser die Lieferanten-, Kunden- und Vertriebsstrukturen aufgestellt sind, desto weniger ist man von einzelnen Einschränkungen betroffen.

Wie beurteilen Sie die bisher von der Regierung angekündigten Unterstützungsmaßnahmen? 
Durch verschiedene Instrumente wie Liquiditätshilfen, Kurzarbeit und Zuschüsse über einen Härtefonds ist die Hilfe sehr breit aufgestellt, das ist sehr sinnvoll. All diese Maßnahmen sind derzeit allerdings defensiver Natur: Sie minimieren die momentanen Probleme und sollen den absehbaren Schaden so gut wie möglich ausgleichen. 

Und wie sieht es mit der Zeit danach aus?
Wahrscheinlich wird die Wirtschaft nicht von heute auf morgen wieder rund laufen, eine Konsum- und Investitionszurückhaltung wird zu spüren sein. Noch ist es zu früh, aber wenn das Ende der Krise absehbar ist, wird es offensive Maßnahmen brauchen, um ein rasches Anspringen zu unterstützen. Dazu zählen branchenspezifische Investitionsanreize, die die Nachfrage wieder steigern. 

Was können Unternehmer jetzt tun, um spätere Auswirkungen abzufedern?
Es gilt, auf jeden Fall den Kundenkontakt durch Information, Ansprache und konkrete Angebote aktiv zu pflegen. Dann ist der Betrieb schnell in der Lage, gestoppte Vorhaben wieder aufzugreifen. 
Zudem bietet sich die Chance, Punkte zu identifizieren, die den Betrieb besonders verwundbar machen oder sich Innovationen zu überlegen. Natürlich ist es nicht leicht, in diesem unsicheren wirtschaftlichen Umfeld über langfristige Strategien und neue Geschäftsmodelle nachzudenken. Aber die Erfahrung zeigt, dass in Zeiten mit gedämpfter Nachfrage die am besten bestehen, deren Produkte sich von anderen abheben – also eine besondere Differenzierung bieten. Und da haben die heimischen Tischler gute Karten in der Hand. 

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Tischlerei