Normen bringen Installateure zum Schwitzen

Norm
02.10.2014

 
Mehr Anwenderfreundlichkeit und ­Praxisnähe bei Normen fordert nicht nur ­Bundesinnungsmeister KR Ing. Michael ­Mattes. Die „Gebäude Installation“ nahm dazu die neue ÖNorm H 7500-3 unter die Lupe.

Autorin: Bettina Kreuter

Es sind viele Vorschriften, die ein Installateur bei seiner täglichen Arbeit kennen und umsetzen muss. „Niemand kann über alle im Detail Bescheid wissen. Wendet ein Kollege eine Norm aber nicht an, kann er rechtlich schnell in die Defensive geraten“, weiß Bundesinnungsmeister-Stellvertreter Karl Pech. In 99 Prozent aller Fälle gibt es keine Probleme. Allerdings kann es durchaus vorkommen, dass die Heizungsanlage falsch ausgelegt ist oder nicht funktioniert. Geht der Kunde dann zu Gericht und wird ein Sachverständiger bestellt, kann es eng werden. Es wird genau überprüft, ob der Installateur sich an alle Vorschriften gehalten hat und z. B. die Berechnung normgerecht erfolgt ist.
Seit 1. Juli 2014 ist die ÖNorm H 7500-3 in Kraft, sie soll eine Erleichterung in der Praxis bringen. Ihr genauer Titel lautet immerhin „Heizungssysteme in Gebäuden: Vereinfachtes Verfahren zur Berechnung der Norm-Gebäudeheizlast“, und sie kommt dann zum Einsatz, wenn nur die gesamte Gebäudeheizlast (und nicht jene heruntergebrochen auf die einzelnen Räume) benötigt wird. Dies gilt, wenn z. B. der Einbau eines neuen oder die Überprüfung der Dimensionierung eines bestehenden Heizsystems (Wärmepumpe, Kessel, Fernwärme o. Ä.) ansteht. Sie ist quasi die Nachfolgenorm zur ÖNorm B 8135, die bereits vor zehn Jahren zurückgezogen wurde. Von vielen wurde sie dennoch angewendet, da es nichts Vergleichbares gab. Die neue Norm wurde in Anlehnung an die ÖNorm H 7500 und die EN 12831 entwickelt. 

Wärmeverluste durch die Hülle

Im Gegensatz zur ÖNorm H 7500 wird in Teil 3 nicht die Gebäudeheizlast über die einzelnen Räume berechnet, sondern nur der Wärmeverlust durch die Hülle (Hüllflächenverfahren). Das Gebäude wird dabei als einziger großer Raum betrachtet, dadurch ist die Berechnung einfacher und schneller. Sieht man sich allerdings die vorgegebenen Verfahren samt zugehörigen Formeln an, hat man das Wort „vereinfacht“ rasch vergessen. 
„Normen sind praxisfern, sie müssten verständlicher formuliert werden“, fordert BIM-Stv. Pech. Dieses Problem kennt auch Bundesinnungsmeister KR Ing. Michael Mattes: „Die Anwenderfreundlichkeit fehlt vor allem auch, weil zu wenige von uns an den Normen mitarbeiten.“ Die Bundesinnung hat deshalb einen Budgettopf geöffnet, der Installateuren die Teilnahme an Normensitzungen erleichtern soll. Mittlerweile sind nicht nur Wiener Installateure, sondern auch einige aus den Bundesländern in verschiedenen Normenarbeitsgruppen aktiv.
Sie können vielleicht schon im Vorfeld aufzeigen, was DI Michael Pokorny, Inhaber von Pokorny Technologies und Partner des Austrian Standards Institute (Österreichisches Normungsinstitut), bei einem Vortrag vor Installateuren beobachtete. Als die Formeln zur Berechnung der Gebäudeheizlast an die Wand projiziert wurden, stöhnten wohl etliche Teilnehmer innerlich anhand der Komplexität auf. „Es stimmt, dass die Rechenverfahren immer komplizierter werden. Das liegt daran, dass die Zusammenhänge 
(z. B. rund um das thermische Verhalten eines Gebäudes) immer genauer nachvollzogen werden können – und müssen! Schließlich wird die Technik, die in ein Gebäude eingebaut wird, immer vielfältiger, daher wird auch die nötige Planung inklusive Formeln immer aufwändiger“, ist Pokorny überzeugt. 
Doch es sind nicht nur die Berechnungen, die den Prozess langwierig machen. Wer die Gebäudeheizlast händisch ermitteln will, muss erst etliche Daten zusammensuchen. Es gilt, Wandaufbau, U-Werte, Bodenbeschaffenheit und Temperaturen des Ortes zu kennen. Sind diese nicht vorhanden, gibt es unterschiedliche Quellen, wo sie nachgeschlagen werden können. „Wir haben gerade bei der ÖNorm H 7500-3 hart daran gearbeitet, eine möglichst vollständige und eigenständige Norm zu entwickeln. Leider sind durch die Vorschriften für die Entwicklung von Normen Verweise auf andere Normen nicht ganz vermeidbar. Es dürfen nämlich Inhalte von anderen Normen nicht kopiert werden“, erzählt DI Michael Pokorny. 
Ist man schließlich zum Ergebnis gekommen, kann noch die Kesseldimensionierung nach ÖNorm H 5151 berechnet werden. Hinter vorgehaltener Hand wird gemunkelt, dass sie die wenigsten kennen und anwenden. Manchmal lässt sich die Norm nicht so leicht ignorieren, nämlich dann, wenn ihre Anwendung behördlich vorgeschrieben wird (z. B. bei der Beantragung von Förderungen).

Details zum Rechenverfahren

Es handelt sich in Teil 3 der Norm wie bei H 7500 um ein statisches Rechenverfahren. Dabei ist die Heizlast gleich der Summe aus Transmissionswärmeverlusten, des Lüftungswärmeverlustes und eventuell der Aufheizleistung. Es werden nur die Wärmeverluste durch die Hülle des konditionierten Bereichs eines Gebäudes eingerechnet. Bei diesem Hüllflächenverfahren werden die Wärmeströme innerhalb des Hauses also nicht berücksichtigt. Es ist aber auch die Berechnung von Gebäudezonen möglich, wenn Teile anders genutzt werden (z. B. Wohnräume und Büros) oder die Bauweise unterschiedlich ist. 
Für die Transmissionswärmeverluste braucht man die U-Werte der Bauteile, diese sind im Bestand aber oft nicht vorhanden. „In der Norm werden hierfür Werte vorgeschlagen, die man einsetzen darf“, weiß DI Michael Pokorny, der selbst an der Norm H 7500-3 mitgearbeitet hat. Die Lüftungswärmeverluste beziehen sich nur auf jene durch natürliche Lüftung, der Luftwechsel wird beeinflusst durch die Nutzung, die Bauweise und den Standort. Mechanische Lüftungen kommen bei der Heizlast nicht zum Tragen, sondern erst bei der Dimensionierung des Wärmebereitstellungssystems nach ÖNorm H 5151-1.
Die Aufheizleistung ist nur dann zu berücksichtigen, wenn die Anlagentechnik an kalten Tagen (mit –5 °C und darunter) nicht für einen durchgehenden Heizbetrieb sorgt. Die errechnete Heizlast kann für die Dimensionierung nach H 5151-1 verwendet werden. Dabei können auch Warmwasserbereitung und mechanische Lüftung berücksichtigt werden.

Vorteile der H 7500-3

Es liegen nun Klimadaten für ganz Österreich (7.847 Orte) vor. Abhängig von der Nutzung des Gebäudes sind die Innentemperaturen (z. B. Wohnhaus 20 °C, Pflegeheim 22 °C) und die Luftwechselzahlen neu. Ebenso gibt es neue Temperaturen für angrenzende Gebäudeteile. Für erdberührte Teile sind jetzt statt Diagrammen Formeln anzuwenden, dies erweitert die Einsatzmöglichkeit. Außerdem wurde klargestellt, dass nur die natürliche Lüftung zu berücksichtigen ist.

Schneller mit Software

Um zu schnellen Ergebnissen per Knopfdruck zu kommen, entwickelte DI Pokorny eine eigene Software für die H 7500-3. Die „Gebäude Installation“ hat sie getestet. Daten, die vorliegen, werden in vorgegebene Felder eingetragen. Jene, die man nicht weiß, kann man im Programm auswählen. Hier ist alles hinterlegt, was man bei der händischen Berechnung lange zusammentragen müsste. 15 Minuten hat es gedauert, bis das Ergebnis schließlich am Bildschirm aufschien. Nach weiteren fünf Minuten war auch das Wärmebereitstellungssystem ausgelegt. Man ist also auf der sicheren Seite, ohne die neue Norm im Detail zu kennen. Der Software- und Normenspezialist zieht einen Vergleich zu Schraubenschlüssel: „Diese sind auch genormt, ohne dass sich der Installateur darüber Gedanken machen und die Normen dazu genau kennen muss. Genauso ist es mit Planungswerkzeugen. Der Installateur erhält derart die Möglichkeit, einfach und schnell zu planen.“

Informationen zu Normen

In Wien und der Steiermark haben die SHK-Innungen gemeinsam mit dem Normungsinstitut spezielle Pakete geschnürt. „In Wien stellen wir den Mitgliedern 40 für sie relevante Normen zur Verfügung. Über ihren WKO-Zugang sind sie hier immer auf dem aktuellsten Stand“, informiert BIM KR Ing. Michael Mattes. Der Onlinezugang ist rund um die Uhr von überall möglich. Sobald sich etwas ändert, erfolgt die Aktualisierung automatisch. In diesen beiden Bundesländern bekommt man die Informationen also zugestellt. 
In Niederösterreich wird momentan nichts ausgeschickt. Es gibt allerdings Gespräche innerhalb der Innung, wie man mit diesem Thema in Zukunft umgeht: „Wenn wir die Informationen auf die Homepage stellen, dann informieren sich auch nur zehn Prozent“, vermutet BIM-Stv. Karl Pech. Auch zu den Schulungen würden nur jene Kollegen kommen, die sich ohnehin immer informieren.
Wenn neue Normen in die Begutachtung gehen, hat übrigens jeder ein Mitspracherecht. Allerdings nur dann, wenn er sich den Normentwurf im Vorfeld kauft. 

NORMEN IN VORBEREITUNG

Heiznormen: Die ÖNorm H 7500-1 Verfahren zur Berechnung der Norm-Heizlast wird in den kommenden Monaten modernisiert.
ÖNorm H 5160: Flächenheizung und -kühlung, erscheint voraussichtlich 2015 Wärmeschutz-Normen (bis 15. September 2014 in Entwurf):
Die OIB-Richtlinie 6 bildet in Österreich die Grundlage für entsprechende baurechtliche Vorschriften der einzelnen Bundesländer und schreibt unter anderem die Kennziffern und Berechungsgrundlagen für den Energieausweis fest. Um die OIB-Anforderungen umsetzen zu können, war eine Überarbeitung  dieser Standards notwendig.
ÖNORM B 8110-6 WÄRMESCHUTZ IM HOCHBAU – TEIL 6: Grundlagen und Nachweisverfahren – Heizwärmebedarf und Kühlbedarf: Ergänzungen zur Ermittlung  des Referenz-Heizwärmebedarfs und des erneuerbaren Anteils auf Nutzenergieebene, zusätzlich wurde die Beschreibung der  Wärmerückgewinnung modifiziert.
ÖNorm H 5050 Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden – Berechnung des Gesamtenergieeffizienz-Faktors: 
Neufassung ÖNorm H 5056 Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden – Heiztechnik-Energiebedarf: Präzisierungen und neue Berechnungsmethoden 

www.austrian-standards.at

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