Botschaft in Bangkok: Paradebeispiel energieeffizienten Bauens

Nachhaltigkeit
08.01.2020

 
Die österreichische Botschaft in Bangkok sorgt im doppelten Sinne für ein gutes Klima: Das 2017 eröffnete Gebäudeensemble der Botschaft und des Konsulats der Republik Österreich in  der thailändischen Hauptstadt ist das Siegerprojekt eines EU-weiten Wettbewerbs und mittlerweile ein international mehrfach preisgekröntes Bauwerk des Architekturbüros Holodeck architects. Bereits der Wettbewerbsbeitrag fokussierte auf das holistische Zusammenspiel von Architektur, Bautechnik und Gebäudetechnik  mit dem Ziel, ein ästhetisches, robustes und umfassend nachhaltiges Gebäude zu schaffen.  von Peter Holzer
Die österreichische Botschaft in Bangkok von Holodeck architects ist ein Paradebeispiel energieeffizienten Bauens.
Die österreichische Botschaft in Bangkok von Holodeck architects ist ein Paradebeispiel energieeffizienten Bauens.

Die geplanten Qualitäten wurden konsequent umgesetzt. Heute, nach zwei Jahren Betrieb, kann eine rundum positive Bilanz des Erreichten gezogen werden. Grund genug, das Gebäude mit seinen vielfältig integrierten Nachhaltigkeitsaspekten genauer vorzustellen. 

Kontextuelle Architektur

Die österreichische Botschaft in Bangkok zeigt einen sensiblen Umgang im Kontext, umfassenden Umweltschutz, maximale Energieeffizienz und Steigerung der Lebensqualität bei gleichzeitiger Ressourcenschonung. Der Gebäudeentwurf reagiert auf die klimatischen Besonderheiten des Standorts, die durch hohe solare Einstrahlung, extreme Regenmengen, hohe Außentemperaturen und hohe Luftfeuchtigkeit gekennzeichnet sind. Durch das Analysieren traditioneller Bauweisen wurden Eigenschaften vorhandener Strukturen gefunden, die als Grundlage für das innovative Gebäudekonzept dienen. Ausgewogenheit im Anspruch – Suffizienz – ist ein zentrales Element nachhaltiger Gesellschaftsentwicklung. Das Gebäudeensemble der österreichischen Botschaft kann als ein Exempel dieser Ausgewogenheit gesehen werden: Unaufdringlich und zurückhaltend in Dimension und Gestaltung, erfüllt es seine Aufgabe elegant und ohne Verschwendung. 
Alle Fassadenmaterialien werden vor Ort gewonnen, weiterverarbeitet und innovativ eingesetzt. Sie sind bereits in der Klimaregion erprobt, dementsprechend klimagerecht und klimaresistent. Teakholz wird nachhaltig gegen Holzbefall geschützt und die Sichtbetonbereiche mit biologischem Nanomaterial gegen Wassereindringen behandelt. Extreme Regenmengen werden mittels zügiger Weiterführung in darunterliegende Ebenen gleichmäßig verteilt, wodurch möglichen Überschwemmungen maximal entgegengewirkt werden kann. 
Wirksame Beschattung ist die Basis für energieeffizientes Bauen, besonders in den Tropen. Durch gezielte Nutzung schattenspendender Bäume werden die innenhofseitigen Verglasungen wirksam vor direkten solaren Wärmeeinträgen geschützt. Eine weitere Reduktion der Wärmeeinträge wird durch den Einsatz des traditionellen Elements des unterlüfteten Daches erzielt, das in zeitgemäßer Interpretation kon­struk­tiv einem Flugzeug nachempfunden umgesetzt wird. Eine mit Photovoltaikpaneelen belegte Stahlkon­struktion spannt sich ähnlich einem Segel über die Flachdächer und schützt das gedämmte Sichtbetondach mit Membrandeckung wirksam vor Erwärmung durch Sonnenstrahlung. 

Klimagerechte Fassade 

Mit dem spezifisch entwickelten Fassadenkonzept der Geschlossenheit, Transparenz und Durchlüftungsoffenheit entspricht das Ensemble traditionellen Erkenntnissen mit innovativem Materialeinsatz in den Bauteilen. Ausgeführt wurden diese als hinterlüftete Fassadenelemente aus örtlichen, natürlich belassenen und verwitterungsfähigen Materialien. Speziell abgestimmte und vor Ort industriell produzierte Isoliergläser in hochisolierten Aluminiumrahmen bieten eine exzellente Tagesbelichtung in den zum Innenhof orientieren Aufenthaltsräumen. 

Hohes europäisches Qualitätsniveau

In der Bautechnik wird auf hohem europäischem Qualitätsniveau gearbeitet, wobei die Materialwahl, Art der Konstruktionen und nicht zuletzt der Wärme-, Feuchte- und Sonnenschutz den klimatischen Gegebenheiten angepasst und von überlieferten, traditionellen Gepflogenheiten inspiriert sind. Mittels thermischer Gebäudesimulation werden die Wechselwirkungen von Außenklima, Fassade, Gebäudenutzung und Gebäudetechnik vorausschauend analysiert und optimierende Maßnahmen zugunsten von Nachhaltigkeit, Nutzungskomfort und Energieeffizienz getroffen. Die luftexponierten Bauteile von Dach und Wand sind mit einer klimatisch optimierten Dämmstärke von im Durchschnitt zehn Zentimetern ausgeführt und würden somit auch dem Passivhausstandard für Bauen in den Tropen entsprechen. Zum Einsatz kommen feuchteresi­stente, rein mineralische Dämmplatten. Alle Verglasungen werden in Zweischeiben-Sonnenschutzverglasung mit hoher und farbneutraler Tageslichttransmission ausgeführt. (g=37%, τvis=68%)1 Durch den guten Eintrag an natürlichem Licht in den Aufenthaltsräumen kann die in Bangkok weitverbreitete, künstliche Tagesbeleuchtung entfallen.

Effektive Gebäudetechnik

Weniger ist mehr. Der Auftraggeber hat angemessene und klimaorientierte Komfortziele vorgeschrieben: 25 Grad Celsius Lufttemperatur bei 55 Prozent Luftfeuchte. Die Aufenthaltsräume werden im hygienisch definierten Maß über eine zentrale Lüftungsanlage mit hocheffizient vorkonditionierter Außenluft versorgt. Für die bedarfsgerechte Raumkühlung und Raumentfeuchtung sorgen Umluftkühler in den abgehängten Decken der Korridore. Sie stellen mit geräuschfreier und zugfreier Lufteinbringung die Komfortparameter in den Aufenthaltsräumen sicher. Mit dieser Kombination aus einer Grundversorgung mit Außenluft und ergänzender bedarfsgerechter Raumkonditionierung werden die Außenluftvolumenströme und mit ihnen der Energiebedarf für Lüftung und Entfeuchtung minimiert. Es wird nur verbraucht, was auch tatsächlich gebraucht wird. Die funktionale Anbindung der Höfe bleibt als Qualität erhalten, ohne dass eine offene Tür das gesamte technische System außer Betrieb setzt.2 Es war nicht zuletzt dieses konsequent robuste Klimatisierungssystem, das vom tropen­erfahrenen Wettbewerbsjurymitglied Klaus Daniels besondere Würdigung erfuhr. Das Gebäude ist mit hocheffizienter LED-Beleuchtung und Bürotechnik ausgestattet, womit nicht nur unmittelbar Betriebsstrom, sondern auch mittelbar Kühlenergieaufwand vermieden wird.
Auf dem unterlüfteten Dach ist die integrierte, netzkoppelbare PV-Anlage von insgesamt 75 kWpeak oder knapp 590 Quadratmetern Modulfläche installiert. Der sofortige Verbrauch des tagsüber gewonnen Stroms für die Kühlung der Büroräumlichkeiten und den gesamten Energieverbrauch machen Batterien obsolet und das Energiekonzept maximal nachhaltig.

Niedrige Energiebilanz

Das Gebäude erweist sich im Betrieb als besonders robust und ist bei seinen Nutzern und Besuchern überaus beliebt. Auch hinsichtlich seines niedrigen Energiebedarfs erfüllt das Gebäude die hochgesteckten Ziele der Planung aufgrund der konsequenten Umsetzung in der Realisierungsphase: 
Der Endenergiebedarf für Raumkühlung, Luftentfeuchtung, Luftförderung, Beleuchtung, Warmwas­ser­aufbereitung und Büroausstattung war mit 67 kWh/m²a prognostiziert. Im Realbetrieb ergibt sich als Ergebnis laufender Betriebsoptimierung derzeit ein gemessener Wert von ca. 65 kWh/m²a. Die Sollwerte werden demnach treffsicher eingehalten.3 
Mit diesem realen Stromverbrauch wird die aktuelle thailändische Bauordnung mit ihrem Grenz­wert von 175 kWh/m²a um 60 Prozent unterschritten. Ebenso werden der ambitionierte thailändische „Higher Energy Performance Standard (HEPS)“ und der „Economic Standard (ECON)“ deutlich unterschritten.
Die prognostizierte Energieproduktion der im Dach integrierten 75-kWpeak-PV-Anlage beträgt 95 MWh/a, bereits unter realistischer Berücksichtigung der Lufttrübung und der spezifischen Beschattung am Standort. Tatsächlich bleibt aber die Stromproduktion der Anlage mit 43 MWh/a um zirka 50 Prozent unter den Erwartungen. Die Ursache liegt in der schwachen Netzstruktur in Bangkok und an der Gesetzesänderung nach der Projekteinreichung, keinen Strom in das öffentliche Netz zurückführen zu dürfen, und somit in der Drosselung der Anlage, um Überkapazitäten jenseits der Eigenstromnutzung jederzeit zu verhindern. An einer Lösung dieser unbefriedigenden Situation für die Bevölkerung und für die Nutzer, besonders im Hinblick auf die Zukunft, wird gearbeitet.

Modellcharakter

Die ausgeführten Innovationen am Bauwerk des österreichischen Botschaftsareals in Bangkok liefern zum Thema Ganzheitlichkeit und holistisches Bauen in der Architektur viele Erkenntnisse und haben Modellcharakter. Das Gebäudeensemble zeigt einen sensiblen Umgang im Kontext und eine wirksame und respektvolle Transformation traditioneller Erkenntnisse in eine zeitgemäße und zukunftsorientierte Architektur.

PROJEKTDATEN

Österreichische Botschaft Bangkok

Eigentümer Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (BMEIA)
Bauherr Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (BMEIA)
Generalplaner HOLODECK architects
Architektur HOLODECK architects
Bauleitung HOLODECK architects, Four Aces Bangkok
Tragwerk ghp-zt Vienna
Gebäudesimulation IPJ Ingenieurbüro P. Jung Vienna
PV-Dach Aero Bangkok
Haustechnik PGG Graz, PSMC Bangkok
Bauzeit 2015-2017
Grundstücksfläche 1.740 m²
Bebaute Fläche 961 m²
Geschoßfläche 1.271 m²

Internationale Preise
Iconic Award Best of Best 2019 for Innovative Architecture 2019
Green Good Design Award 2018 for Architecture 
Austrian Green Planet Building Award 2018 
Award Nominee Mies van der Rohe Award 2019
Leaf Awards 2019 Shortlisted for Best ­Achievement in Environmental Performance
Architizer A+ AwardD 2019 Finalist for ­Institutional Government 
Austrian Green ­Planet Building Award 2018
The Plan Award 2019 Honorable Mention for Research and Innovative Project

Zur Person

Dipl.-Ing. Dr. Peter Holzer

1994–1996 Forschungstätigkeiten im ­Bereich Gebäude- energiesysteme und Biomassefeuerungen

seit 1996 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Department für Bauen und Umwelt der Donau-Universität Krems und von 2008 bis 2012 dessen Leiter

seit 2009 PHI-zertifizierter Passivhausberater

2009 Promotion an der TU Wien (Architektur). 

seit 2011 Geschäftsführer der  Wiener Niederlassung des Ingenieurbüros IPJ 

seit 2012 Gesellschafter des Institute of Building Research & Innovation, Wien

Branchen
Architektur