Klima

Dicke Luft in den Schulklassen

Wohnraumlüftung
17.09.2020

Von: Redaktion Gebäudeinstallation
Bekanntlich brauchen wir viel Sauerstoff, um uns gut konzentrieren zu können. Doch genau das ist an vielen Schulen mangels unzureichender Lüftung nicht immer gewährleistet. Dies birgt gerade in Zeiten von COVID-19 besondere Brisanz.

Bereits vor fünf Jahren zeigte eine Studie des Fraunhofer-Institut für Bauphysik, dass in Klassenzimmern nur selten optimales Raumluftklima vorzufinden ist. Lediglich in zehn Prozent der Schulen seien raumlufttechnische Anlagen verbaut. 

„Zur Vermeidung der Übertragung durch Aerosole sind in geschlossenen und dicht besetzten Räumen Abstandsregeln, Hygienemaßnahmen und Masken allein nicht ausreichend“, verweist Dr. Thomas Schräder, Geschäftsführer des Fachverbandes Allgemeine Lufttechnik, auf Untersuchungen des Hermann-Rietschel-Instituts. „Ohne effektiven Luftaustausch besteht grundsätzlich die Gefahr einer kritischen Ausbreitung von virenbehafteten Aerosolen im Raum. Die Empfehlung der mehrmaligen Stoß- beziehungsweise Querlüftung durch vollständig geöffnete Fenster, kann hierbei nur eine kurzfristige Maßnahme darstellen, zumal die Effektivität des Luftaustausches stark von äußeren Witterungsbedingungen abhängt.“ Eine dauerhafte Lösung sieht Schräder im Betrieb moderner Lüftungs- und Klimaanlagen, die das definierte Einbringen von frischer Außenluft und das Abführen belasteter Raumluft gewährleisten.

In diesem Zusammenhang bietet die Informationsschrift „Betrieb und Nutzung von lüftungstechnischen Anlagen in Zeiten von COVID-19“ des Arbeitskreises Luftfilter im VDMA einen Überblick über die wichtigsten Aspekte zur Risiko-Minimierung der Ausbreitung von COVID-19 durch richtige Nutzung lüftungstechnischer Anlagen. 

Welches Risikopotenzial Standard-Klassenzimmer in sich bergen und welchen Stellenwert eine mechanische Lüftung hat, haben Wissenschaftler der RWTH Aachen anhand einer vereinfachten Modellrechnung und dem Vergleich mit einer Wohnung aufgezeigt. Hierbei ergeben analoge Luftwechselraten in Klassenzimmer und Wohnung, für einen mit 35 Personen vollbesetzten Klassenraum – verglichen mit der Wohnung - ein zwölfmal höheres Infektionsrisiko. Bei Belegung mit nur 18 Personen und einem dreifachen Luftwechsel pro Stunde wäre das relative Infektionsrisiko in beiden Fällen – Klassenraum und Wohnung - gleich hoch. Die Analyse zeigt, dass in Klassenräumen, in Anbetracht der hohen Belegungsdichten und Aufenthaltsdauern, hohe Luftwechselraten erforderlich sind, um ein niedriges Infektionsrisiko zu gewährleisten. Kurzfristig sollte in der Praxis zumindest eine CO2-Ampel als Indikator für die personenbezogene Außenluftmenge verwendet werden. Bei allen neuen Schulen und bei Sanierungsmaßnahmen ist der Einbau einer ausreichend bemessenen Lüftungstechnik dringend anzuraten.

Es herrscht Handlungsdruck
Der Sanierungsbedarf vieler deutscher Schulen ist seit langem bekannt. Die derzeitige Pandemie führt die bestehenden Missstände jedoch nochmals klar vor Augen und erfordert aktives Handeln. Eine große Herausforderung, denn die erforderlichen Maßnahmen sind umfangreich und werden Jahre in Anspruch nehmen.

Eine Option, kurzfristig und wirksam Aerosole aus der Luft herauszufiltern, stellen Umluftreinigungsgeräte mit HEPA-Schwebstofffilter oder basierend auf UV-Strahlung dar. Diese erzeugen eine eher lokal wirkende turbulente Mischlüftung, wobei Anforderungen an Schallschutz, Behaglichkeit und Lüftungseffektivität zu berücksichtigen sind. Allgemeingültige Definitionen und Hinweise zu geeigneter Positionierung oder Installation fehlen jedoch aktuell und sollten daher durch die kompetenten Unternehmen am Markt schnellstmöglich entwickelt werden.

„Ad-hoc Lösungsansätze dieser Art dürfen nicht über den tatsächlichen Sanierungsbedarf an Sanitär- und Lüftungstechnik in deutschen Schulen hinwegtäuschen“, gibt Prof. Dr. med. Dipl.-Ing. Hans-Martin Seipp, Technische Hochschule Mittelhessen, zu bedenken. „Denn langfristig gibt es zu raumlufttechnischen Anlagen keine Alternative, will man effektiv und kontrolliert die Be- und Entlüftung dicht besetzter Räume gewährleisten, um jahreszeiten- und witterungsunabhängig eine angemessene Innenraum-Luftqualität zu erhalten“. 

Weiterführende Infos: www.vdma.org

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