Planung im Wandel

"Österreich könnte ein bisserl Gas geben"

Digitalisierung am Bau
29.09.2021

Wo es in Sachen Digitalisierung noch hakt und warum ein Ende des unsäglichen Claim-Managements nah ist. Thomas Wetzstein von Vasko + Partner im Gespräch.
Thomas Wetzstein  ist Ingenieurkonsulent für Bauingenieurwesen und Partner und geschäftsführender Gesellschafter von ­Vasko + Partner.
Thomas Wetzstein ist Ingenieurkonsulent für Bauingenieurwesen und Partner und geschäftsführender Gesellschafter von ­Vasko + Partner

Seit über eineinhalb Jahren prägt Corona das tägliche Leben. Welche ­Auswirkungen hat die Pandemie auf den Planungs­prozess? Kann Corona als Digitalisierungsbooster auch etwas Positives bewirken? Und wie gehen Planer mit dem ­aktuell brennenden Thema der Preissteiger­ungen und Material­engpässe um? Thomas ­Wetzstein, geschäftsführender Gesellschafter bei Vasko + ­Partner, ­berichtet über die vergangenen Monate.

Auch wenn langsam wieder eine leichte Entspannung zu verspüren ist, waren in den vergangenen Monaten die Material­engpässe und Preiser­höhungen das beherrschende Thema. Wie ist es Ihnen bei Ihren Projekten damit ergangen?

Thomas Wetzstein: Natürlich haben auch wir bei unseren Projekten die Auswirkungen deutlich gespürt, und es kam zu Preiserhöhungen und Material­engpässen. Vor allem bei Dämmstoffen erlebten wir in der Fertigstellungsphase eines großen Projekts unsere Wunder. Der bestellte Dämmstoff war plötzlich nicht mehr verfügbar. Aber letztlich haben wir dann ein qualitativ gleichwertiges und auch vom Preis her identes Alternativmaterial gefunden. Aber klar, da sind alle Projektbeteiligten gefordert, und da sieht man dann gleich auch, wie gut die Zusammenarbeit innerhalb eines Projekts funktioniert.

Die gute Zusammenarbeit steht derzeit unter dem Schlagwort "Kooperative Projektabwicklung" schon seit längerer Zeit im Zentrum der Aufmerksamkeit. Künftig sollen auch alternative Vertragsmodelle die Zusammenarbeit weiter verbessern. Konnte Sie schon Erfah

Wetzstein: Alternative Vertragsmodelle zwingen quasi alle Projektpartner an einen Tisch, aber ob dadurch die Zusammenarbeit wirklich besser läuft, hängt – wie immer – letztlich von jeder einzelnen Person ab. Meine Erfahrung ist jedoch, dass diese Philosophie des "gemeinsam in einem Boot zu sitzen" entscheidend dazu beiträgt, dass einfach eine bessere Stimmung untereinander herrscht und das ­Jeder-gegen-jeden-Prinzip nicht mehr gelebt wird. Zudem erleben wir positiv, dass mit kooperativen Planungen die Zusammenarbeit mit den Bauherren viel klarer, viel effizienter funktioniert. Wir haben kaum nachträgliche Korrekturen, weil alles bereits im Vorfeld offen besprochen wird. Da sehen wir, wenn Sie so wollen, das Ende des unsäg­lichen Claim-Managements. Und wenn es ein Thema gibt, dann setzen wir uns auch sofort an einen Tisch und tüfteln an einer Lösung. Wichtig dabei ist Vertrauen. Wenn wir das Vertrauen unserer Auftraggeber genießen, dann können wir auch selbstständig arbeiten und dann funktioniert die Zusammenarbeit einfach perfekt.

Wird über alternative Vertragsmodelle diskutiert, wird auch im selben Atemzug häufig Kritik an der herkömmlichen Trennung von Planung und Ausführung geübt. Haben Sie Sorge, dass bei diesen neuen Ansätzen die Rolle der Planer in den Hintergrund rückt?

Wetzstein: Nein, die Befürchtung habe ich nicht. Innerhalb eines Projekts entwickelt der General­planer ein Projekt baureif, inklusive aller behördlichen Genehmigungen – also vom Vorentwurf bis zur Ausschreibungsplanung. Die Arbeit des Planers ist die Basis für alternative Vertragsmodelle. Erst darauf aufbauend wird ein Generalunternehmer gesucht – auf Basis der Ausschreibungsgrundlagen mittels eines mehrstufigen Vergabeverfahrens mit ­Präqualifikation und dann Exklusivverhandlung (GU mit Fixpreis und Fixtermin als Ziel, Anm.) oder ein Verhandlungsverfahren mit Einbeziehung der verschiedenen Bieter hinsichtlich Ideenfindung oder GU-plus-Verfahren mit Abschluss der Leistungen und vollkommener Übergabe der Planungsagenden an die Ausführenden. 

Sprechen wir über den derzeitigen Planungs­prozess. Der Umstieg von Planungs- und Bau­besprechungen Face to Face auf Remote-Arbeiten war im vergangenen Jahr für alle ein einschneidendes Ereignis. Wie hat die Umstellung bei Vasko + Partner funktioniert?

Wetzstein: Wir haben unser Büro in wenigen ­Tagen komplett auf Remote-Arbeiten umgestellt, und das hat dank unserer IT-Abteilung hervorragend geklappt. Es gab ab März 2020 bei uns sowohl intern als auch extern ausschließlich Videokonferenzen und -besprechungen. Da waren wir schon sehr überrascht, wie gut dieses doch für die Planer- und Baubranche ­völlig neues ­Arbeiten funktioniert hat. Und ganz sicher: Die Pandemie hat trotz des ­monatelangen virtuellen ­Arbeitens die Kolleg*innen als auch die Beziehungen mit unseren Auftraggebern und Projektpartnern intensiviert. Die neuen Rahmenbedingungen haben vor allem dazu beigetragen, dass effizienter gearbeitet wurde, also dreistündige Besprechungen sind Vergangenheit, und ich bin davon überzeugt, die ­kommen auch nicht mehr. 

Das klingt ausschließlich positiv. Gibt es für Sie gar keine Nachteile oder mögliche Fehlerquellen? 

Wetzstein: Warum Fehlerquelle? Das sehe ich nicht. Fehler passieren – die digitale Welt ist sicher kein Stolperstein. Aber auch die Besprechungen betreffend: Wir machen ohnehin immer Protokolle von jeder Besprechung, damit erhält jeder klar die nächsten Planungsschritte oder eben aktuelle Entschei­dungen etc. Ein Teil der Besprechungen wird weiterhin digital stattfinden, davon bin ich überzeugt, und das wurde mir bereits auch von einigen Kolleg*innen und Bauherr*innen signalisiert. Was man aber schon sagen muss: Als eine der wesentlichsten Komponenten der digitalen Besprechungen – sowohl intern als auch extern – hat sich tatsächlich die Abwicklung mit Bild herausgestellt. Das klingt im ersten Moment zwar selbstverständlich, es bürgert sich leider oft ein, dass die ­Videoübertragungen abgeschaltet werden – dies führt dann zu suboptimalen Besprechungsergebnissen.

Die Corona-Pandemie wird gerne als Digitalisierungsbooster betitelt. Würden Sie das für die ­Planerszene bestätigen?

Wetzstein: Ja, sicher, wobei wir als Generalkonsu­lent da immer schon recht gut unterwegs waren und die digitale Planungswelt für uns ohnehin bereits ganz normal war.

Neben der Schnittstellenproblematik bei Building Infor­mation Modeling ist auch die digitale Baueinreichung ein Thema, bei dem Österreich ein bisserl Gas geben könnte.

Thomas Wetzstein, Vasko + Partner

Wo sehen Sie in puncto Digitalisierung noch den größten Aufholbedarf? 

Wetzstein: Wir arbeiten nahezu ausschließlich mit BIM, da sehen wir, dass die Schnittstellenproblematik immer noch ein Thema ist. Das ist schade, denn wir haben ja eine starke Gebäudetechnikabteilung, und da immer alles neu zeichnen zu müssen widerspricht der Arbeitsmethode BIM. Und natürlich ist auch die digitale Baueinreichung ein Thema, da könnte Österreich schon ein bisserl Gas geben.

Weil Sie das Thema digitale Baueinreichung gerade ansprechen: In Wien gibt es ja seit einiger Zeit die Möglichkeit dazu. Ist dadurch eine große Verbesserung eingetreten? 

Wetzstein: Ja, das begrüßen wir sehr, und das ist auch dringend notwendig. International sind digitale Baueinreichungen längst State of the Art. ­Unsere Erfahrungen sind gut, wenn auch noch nicht alles so wie gewünscht wirklich auf Knopfdruck klappt. ­Lästig war in der Corona-Zeit natürlich die Terminvergabe, wenn man doch mal persönlich vorbeikommen wollte, da hat man dann schon mal eine Zeit gewartet, aber gut, das ist Vergangenheit, und wir sehen die massiven Bemühungen der Behörde, hier noch serviceorientierter zu arbeiten.

Inwieweit wird Arbeiten mit BIM schon von Auftraggebern gefordert?

Wetzstein: Von den öffentlichen Auftraggebern voll – wobei es auch hier darauf ankommt, wie das Projekt aufgesetzt ist. Ein Beispiel ist das Biologiezen­trum Universität Wien, das wir in einer Arge mit den Architekten Backhaus als Generalkonsulent geplant haben. Es war für unseren Auftrag­geber, die Bundes­immobiliengesellschaft, von Anbeginn völlig klar, dass wir mit BIM arbeiten, und das hat auch tadellos funktioniert.

Was sind Ihrer Meinung nach die größten Hemmschwellen bei BIM?

Wetzstein: Wie gesagt, die Schnittstellenthemen. Es wird zukünftig einfach keine Frage mehr sein, die Planer- und Baubranche muss mit BIM arbeiten – sonst überholen uns die großen Baukonzerne, und die brauchen dann bald keine Ziviltechniker für das ­Planen mehr. Grenzübergreifende Dienstleistungen sind für uns ein Muss, es gibt keine Sprach- oder Landesbarrieren mit BIM, wie es die nordischen oder auch asiatischen Länder ja gut vorzeigen.

Wie funktioniert mittlerweile die Zusammen­arbeit mit Fachplanern in BIM-Modellen? 

Wetzstein: Grundsätzlich gut, aber eben, die Schnittstellen – die Gebäudetechnik, der Brandschutz: Hier müssen die Systeme miteinander funktionieren. Mit Sicherheit muss jedoch noch am Verständnis gearbeitet werden. Wenn es dann klappt, wie wir selbst bei unseren Projekten wie zum Beispiel Biozentrum oder Vienna Twenty Two erleben, ist das Arbeiten, wie es eigentlich sein sollte: Transparenz bis ins kleinste Detail, jederzeit abrufbar und adaptierbar. 

Sie decken als Generalkonsulent diverse Planungsleistungen im eigenen Haus ab – welche Vorteile ergeben sich daraus für BIM?

Wetzstein: Unsere Abteilungen kommunizieren laufend miteinander, bei neuen Projekten werden sofort alle Disziplinen miteinbezogen – und klar, auch wieder ein Vorteil durch das digitale Arbeiten, egal wo der ­Kollege / die Kollegin sitzt, man steigt ein und sieht auf Knopfdruck Schnittstellenproblematiken wie etwa, dass eine Leitung quer über eine Wand läuft, die leitungsfrei sein sollte etc. Die Haustechnik-Software-Produkte, die verwendet werden, besitzen keine funktionierenden Schnittstellen. Die momentan vorherrschende Schnittstelle übernimmt das digitale Gebäudemodell nicht vollständig, und das erfordert eine mehr oder weniger aufwendige Nachbearbeitung beziehungsweise Reparatur. Da wir immer gemeinsam Themen durchdiskutieren, brauchen wir keine aufwändigen Termine, sondern gehen quasi ins Nebenzimmer, um die aufgezeigte Problematik zu besprechen.

3D, 4D, 5D, 6D: Mit wie vielen Dimensionen bieten Sie BIM-Modelle an?

Wetzstein: Wir arbeiten natürlich in allen Dimen­sionen und gehen von 6D aus, je nachdem, wie die Projektpartner aufgestellt sind. Apropos: Willkommen in der nächsten Dimension! Vasko + Partner feiert heuer seinen 45. Geburtstag – Corona-bedingt leider nur virtuell. Deshalb einfach vorbeischauen auf unserer ­Website.

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