Energiesparen

Sonnenschutz als Schlüsseltechnik

Beschattung
27.02.2023

 
Vor mehr als eineinhalb Jahren - am 29. Juli 2021 - trat das Europäische Klimagesetz in Kraft. Damit verpflichtet sich die EU, bis 2030 ihre Netto-Treibhausgasemissionen um mindestens 55 Prozent gegenüber 1990 zu senken.
Sonnenschutz

Die dafür notwendige Dekarbonisierung der Energieversorgung stellt eine enorme Herausforderung dar. Der Bundesverband Sonnenschutz (BVST) weist in diesem Zusammenhang immer wieder auf den Sonnenschutz als wesentliche Schlüsseltechnik hin.  Es gelte, sehr rasch alle Optionen auszuschöpfen, um das wichtige Ziel zu erreichen.

Demgegenüber stehen u.a. die Prognosen der Internationalen Energieagentur (IEA) zur aktiven Raumkühlung: Diese schätzt nämlich in ihrem "Business-as-usual"-Szenario, dass in Europa die Anzahl an Klimageräten von derzeit 115 Mio. auf 275 Mio. Einheiten im Jahr 2050 ansteigen werde. Dazu BVST-Sprecher Johann Gerstmann: " Wir müssen bereits bestehende und bewährte Technologien verstärkt nutzen. Dynamischer Sonnenschutz ist eine passive Maßnahme, mit der man beim Kühlen Energie spart."

Bewährte, passive Maßnahmen

Haupttreiber für den steigenden Kühlbedarf dürfte zum einen die zunehmende Überwärmung von Gebäuden aufgrund des Klimawandels, aber zum anderen ebenso der gestiegene Komfortbedarf der Gebäudebenutzer*innen sein. Mehr Klimaanlagen benötigen jedoch mehr Strom, und das wirkt sich auch auf die Treibhausgasemissionen aus, da nur ein Teil der Anlagen mit erneuerbarer Energie betrieben wird. Dazu kommt, dass sich die Außentemperatur - speziell im urbanen Gebiet - durch die entstehende Abwärme stark erhöht. Gerstmann hält es daher für entscheidend, das Potenzial bewährter Maßnahmen voll auszuschöpfen, um Gebäude vor Überhitzung zu schützen und so den Energiebedarf für Raumkühlung so gering wie möglich halten.

Temporäre Außenbeschattung von Fenstern und Fassaden sei dafür eine Schlüsseltechnik, die die Überhitzung von Gebäuden vermeiden könne und so den Einsatz von Kühlgeräten hinsichtlich Dimensionierung und Betriebsdauer zu minimieren helfe.

Ganzheitlich planen rechnet sich

Der Schutz vor Überwärmung müsse in der Planung stets ganzheitlich betrachtet werden, damit keine Rebound-Effekte in Kauf genommen und Einsparpotenziale beim Kühlen nicht oder nur teilweise genutzt würden. Werden transparente Flächen mit intelligent gesteuerten Sonnenschutzsystemen beschattet, könnten in der Heizperiode die solaren Gewinne genutzt und die Fenster zusätzlich gedämmt werden, sagen die Sonnenschutzexperten des Bundesverbandes. Abgesehen davon maximiere eine variable Beschattung die Tageslichtversorgung von Innenräumen.

Zum einen erreiche man auf diese Weise eine Reduktion des Heizenergieverbrauchs und zum anderen werde die Tageslichtautonomie ganzjährig verbessert, was sich positiv auf den Energieverbrauch der Beleuchtung auswirke - aber vor allem den Wohnkomfort steigere.

Dreifachnutzen

Durch den dreifachen Nutzen bei Kühlen, Heizen und Beleuchten zeige sich, dass ein automatisierter, dynamischer Sonnenschutz die Energieeffizienz wesentlich optimiere und die Emissionen deutlich mindere, so der BVST in einer Aussendung.

Allerdings seien weniger als 50 Prozent der Gebäude in der EU mit Raffstoren, Rollläden oder Markisen ausgestattet, klagt Johann Gerstmann. Und ein großer Teil davon sei nicht dynamisch oder automatisiert. "Dieses Potenzial gilt es zu heben!", sagt der BVST-SprecherEine Studie der European Solar Shading Organisation (ES-SO) zeigt auf, dass mit effektivem Sonnenschutz der Energieverbrauch für die Raumlühlung - im Vergleich zur Kühlung ohne Beschattung - auf deutlich niedrigerem Niveau gehalten werden könne. Das könne bis 2050 mehr als 14 Mrd. Euro pro Jahr einsparen.

Energiespar-Tipps von Experten

Effiziente Sonnenschutzmaßnahmen können Einiges bewirken - und zwar nicht nur im Sommer, sondern das ganze Jahr über! Die Experten des Bundesverbandes Sonnenschutztechnik (BVST) haben dazu einige wertvolle Tipps und Beispiele, wie rasch sich Investitionen in Sonnenschutz rechnen:

1. Passives Kühlen

Effektive Beschattung schützt gegen Überwärmung. Sie kann die Sonneneinstrahlung in Räume um bis zu 95 Prozent reduzieren.

Ein Rechenbeispiel erklärt den Unterschied zwischen passiver Kühlung (automatisierte Außenbeschattung) und aktiver Kühlung (effiziente Multi-Split-Klimaanlage) sehr eindrucksvoll: Eine dreiköpfige Familie lebt in einem modernen Haus mit ca. 100 m2 Nutzfläche, das einen offen gestalteten Wohnraum mit Küche im Erdgeschoss und drei weitere Zimmer umfasst. Die Investition in einen effektiven Sonnenschutz kostet in diesem Fall etwa so viel wie der Einbau einer Klimaanlage vom Fachmann – da lässt sich also kaum etwas sparen. Der große Unterschied liegt allerdings bei den Betriebskosten: Eine Sonnenschutzanlage benötigt im Jahr ca. 1 bis 2 kWh. Ein Wert, der bei einem durchschnittlichen Stromverbrauch von 4.000 kWh kaum ins Gewicht fällt. Verzichtet man jedoch auf die Beschattung und kühlt das Haus stattdessen zur Gänze mittels Klimaanlage, dann könnte sich bei 500 Betriebsstunden der Energieverbrauch des Haushalts sogar verdoppeln! Rechnet man die fast Verdreifachung des Strompreises ein, würden die Stromkosten unseres Musterhaushaltes von vorher 700 auf rund 4.000 Euro steigen.

2. Keine Heizwärme verschenken!

Das zweite Energiesparpotential betrifft den Winter. Eine Vielzahl von Wohnungen und Häusern haben noch keine Wärmeschutzverglasungen. Vor allem bei Fenstern im Altbestand können außen- und innenliegende Beschattungen den Wärmeverlust um 20 bis 30 Prozent reduzieren. Sofern die Fenster einigermaßen dicht sind, können so bei üblichen Fensterflächen und konsequentem Schließen der Behänge nach Sonnenuntergang 4 bis 10 Prozent der Heizenergie gespart werden. Bezogen auf eine 70-m2-Altbauwohnung würde das eine Energieeinsparung von 500 – 1.000 kWh bedeuten. So kann man sich selbst einen "Energiebonus" von 150 bis 300 Euro erwirtschaften!

Bei neuen energieeffizienten Gebäuden reduziert sich diese energiesparende Wirkung der Beschattungen deutlich, da die modernen Verglasungen den Wärmestrom vom warmen Innenraum in den kalten Außenraum massiv reduzieren. Dafür nutzt man die großzügigen und nach Süden ausgerichteten Glasflächen zur Versorgung der Räume mit kostenloser Sonnenenergie fürs Heizen: Weil allerdings bei solch einem Fenster der Verlust an Heizwärme geringer ist als die von der Sonne eingestrahlte Energie, wird es zu einem Solarkollektor und reduziert den Energieverbrauch – was sich bei den Heizkosten positiv bemerkbar macht.

Die Höhe der erzielbaren solaren Wärmegewinne hängt dabei von der Ausrichtung, der Größe, der Verschattung und vom g-Wert der Verglasung der Fenster ab. Es ist daher entscheidend, ob der Sonnenschutz starr oder flexibel ausgeführt wird. Jede Fixverschattung minimiert die kostenlose Sonnenwärme, während variable Beschattungen wie Fenstermarkisen, Raffstore oder Läden unter Tags ein Maximum an Heizwärme generieren und in der Nacht die Fenster zusätzlich gegen Auskühlen des Raumes schützen. Variable Beschattungen beseitigen zudem einen unangenehmen Nebeneffekt hochwirksamer Wärmeschutzverglasungen – das Beschlagen und Vereisen der Fensteraußenseiten.

3. Tageslicht nutzen und Stromkosten sparen

In Innenräumen wird tagsüber viel mehr Kunstlicht zugeschaltet als je zuvor. Der Energieverbrauch hat auch durch die Umstellung auf LED zu keinem signifikanten Energieeinspareffekt geführt. Denn die Anzahl der Leuchten und die durchschnittliche Beleuchtungsstärke haben sich deutlich erhöht (und damit einhergehend das Nutzerverhalten). Zum anderen lassen stark gegliederte Fassaden trotz großzügiger Verglasungen immer weniger freien Lichteinfall zu - und erfordern somit, selbst zu Zeiten mit ausreichend Tageslicht im Außenraum, die Zuschaltung von Kunstlicht.

Wie bei den solaren Gewinnen ist es auch bei der Tageslichtnutzung entscheidend, dass eine Beschattung dem freien Lichteinfall (außer bei direkter Sonne) nicht im Wege steht. Jede Art einer Fixverschattung in Form von Sonnenschutzglas oder baulicher Verschattung geht immer zu Lasten der Tageslichtversorgung - je variabler eine Beschattung auf das Außenklima reagieren kann, umso höher ist der Tageslichtertrag.

Bereits ab 2 Prozent mittlerem Tageslichtquotient (Verhältnis von Innenbeleuchtungsstärke zur Außenbeleuchtungsstärke bei bedecktem Himmel) lässt sich ein Innenraum ausreichend natürlich beleuchten. Eine entsprechend optimierte Planung setzt hierbei flexible Sonnenschutzsysteme voraus. Damit lässt sich der Energieverbrauch für die Beleuchtung um 30 bis 50 Prozent reduzieren – das spart in Haushalten immerhin bis zu 5 Prozent% der Stromkosten. Lichtdurchflutete Innenräume haben zudem einen entscheidenden Mehrwert, denn Tageslicht sorgt für ein gesünderes Raumklima und mehr Wohlbefinden. [gr]

www.bvst.at

METALL-Thema Sonnenschutztechnik

Lesen Sie dazu unseren Themenschwerpunkt "Sonnenschutz" ab 23. März in METALL 2/2023.

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