Projektabwicklung

Mehr Teamarbeit am Bau

Projektmanagement
26.03.2024

Die Kritik an den traditionellen Arbeitsformen bei Bauprojekten ist groß – vor allem an der strikten Trennung zwischen Planern und Ausführenden. Bei anspruchsvollen Projekten werden neue Projektformen getestet, die stärker auf Kooperation setzen. Eines davon ist die IPA.

Das Dokument ist durchaus umfangreich. Bis es fertig war, hatten die Beteiligten alle Hände voll zu tun. Das Ergebnis: Ein gemeinsamer Vertrag, der von allen sieben Projektpartnern unterschrieben worden ist. Bei diesem Projekt handelt es sich um den Ausbau des Nordabschnitts der Gäubahn in Schwaben, der vom Flughafen Stuttgart Richtung Westen nach Böblingen führt. Die elf Kilometer lange Bahnstrecke, die einen Tunnel beinhaltet, ist ein wichtiger Bestandteil der Verbindung zwischen Zürich und Stuttgart.

Das Besondere an dem Vorhaben ist aber nicht seine Topografie, sondern die Form der Zusammenarbeit, mit dem es in den kommenden Jahren realisiert werden soll: Beim Ausbau der Gäubahn kommt ein sogenannte IPA-Modell zum Einsatz. IPA steht für „Integrierte Projektabwicklung“. Diese Form der Abwicklung von Bauprojekten wurde vor rund zehn Jahren in Australien erstmals verwendet und gewinnt im angelsächsischen Raum zunehmend an Bedeutung. In Österreich wurde es noch nicht eingesetzt.  

Heimische Unternehmen sind allerdings maßgeblich am Gäubahn-Projekt beteiligt. Dazu zählen die Planungsbüros FCP, IC Consulenten und Geoconsult, die eine Arbeitsgemeinschaft gebildet haben, sowie die beiden Bauunternehmen Rhomberg und Swietelsky. Sie haben als Bietergemeinschaft vom Auftraggeber, der Deutschen Bahn, den Zuschlag für den Oberbau und die Stromversorgung der Bahnstrecke erhalten.

Die IPA soll eine Antwort auf ein grundlegendes Problem geben, das bei anspruchsvolleren Bauvorhaben immer wieder auftritt. „In den vergangenen 50 Jahren hat sich gezeigt, dass die klassische Projektabwicklung zu enormen Reibungsverlusten führt“, meint FCP-Geschäftsführer Robert Schedler. „Die Frage lautet daher: Wie kann man es besser machen, damit die Auftraggeber*innen zu ihrem Ziel kommen – und zwar sichere Kosten und sichere Zeitvorgaben.“

Viele Experten kritisieren die traditionelle Form, wie Bauvorhaben bis heute umgesetzt werden. Der Vorwurf: Planung und Ausführung sind strikt voneinander getrennt. Die Ausführenden werden oftmals erst nach der Planungsphase in das Projekt einbezogen. Anstatt bereits während der Planung ihr Know-how einzubringen, werden sie mit fertigen Plänen konfrontiert, die sie umzusetzen haben. Zwischen den einzelnen Ausführenden schaut es ähnlich aus. Die unterschiedlichen Gewerke arbeiten oftmals aneinander vorbei. Die Zusammenarbeit hält sich in Grenzen. Dafür gibt es auch keinen finanziellen Anreiz. „Jeder Ausführende hat seinen bilateralen Vertrag mit dem Auftraggeber. Den erfüllt er. Ein gemeinsames Projektziel gibt es de facto nicht“, erläutert FCP-Geschäftsführer Schedler.

Bei relativ einfachen Projekten wie dem Bau eines Einfamilienhauses, ist das in der Regel kein Problem. Frank Lulei, Professor für Bauwirtschaft und Baumanagement an der TU-Wien, der sich seit Jahren mit alternativen Projektmodellen beschäftigt: „Solange die Projekte überschaubar sind, haben die klassischen Modelle sich durchaus bewährt – man kann alles in Ruhe vorplanen, die Aufgaben sind sauber verteilt, Pflichten und Risiken eindeutig zugewiesen.“

Anders, schaut es aus, wenn das Projekt anspruchsvoller werde: Mit steigender Zahl der Beteiligten erhöht sich die Zahl der Schnittstellen. Kurze Fristen schaffen Zeitdruck und Stress. Schwierige Rahmenbedingungen wie offene rechtliche Fragen oder unvorhergesehene bautechnische Anforderungen bereiten Probleme: In solchen Fällen stößt das klassische Modell oftmals an seine Grenzen. Es rächt sich, dass es kein gemeinsame Projektziel gibt. Lulei: „Da sagt der eine dem anderen dann schnell: Das Problem kann ich dir schon lösen, aber den Aufwand musst du mir extra bezahlen.“ 

Kooperative Projektmodelle wie IPA setzten genau hier an. Der Grundgedanke ist, die wichtigsten Projektbeteiligten auf ein gemeinsames Ziel einzuschwören – Auftraggeber, Planer und Ausführende. Dafür haben sich freundliche Worte bewährt, aber handfeste vertragliche und monetäre Regelungen als ebenso nützlich erwiesen. Die Basis für ein IPA-Projekt bildet ein gemeinsamer Vertrag, den die wichtigsten Projektpartner nach einem öffentlichen Vergabeverfahren miteinander abschließen. „Das ist ein zentrales Element“, so FCP-Mann Schedler. „Es werden nicht einzelne bilaterale Verträge zwischen der Auftraggeber*in und den einzelnen Auftragnehmer*innen abgeschlossen, sondern ein Mehrparteienvertrag, der für alle bindend ist.“

Nach Abschluss dieses Vertrages wird wie bei anderen Projekten die Entwurfs- und Genehmigungsplanung durchgeführt, jedoch mit enger Einbindung aller Projektbeteiligten. Dabei – und das ist das zweite wesentliche Element der IPA –legen sie gemeinsam einen sogenannten „Zielkostenpreis“ fest. Gelingt es den Auftragnehmern bei der Umsetzung dieses Ziel zu unterschreiten, erhalten sie eine vorher vereinbarte Bonuszahlung. Überschreiten sie das Ziel, teilen sie sich einen Malus. „So ist vertraglich sichergestellt, dass die Beteiligten ein gemeinsames Ziel haben“, meint Schedler.

Die enge Kooperation in der gemeinsamen Projektorganisation ermöglicht zudem, Synergien zu erschließen, die bislang auf den Baustellen selten oder gar nicht realisiert wurden. „Leistungen, die in der Vergangenheit jeder Partner für sich selbst erbracht hat, können gemeinschaftlich erbracht und vorgehalten werden. Das kann beispielsweise die Einrichtung der Baustelle sein oder im Tunnelbau das Vorhalten der Bauprovisorien wie Baubeleuchtung, Personenortung oder der Baustrom“, erläutert Bettina Bogner, Teamleiterin bei Swietelsky. Sie hat ihrer Dissertation zum Thema „Kooperative Bauausführung“ geschrieben und arbeitet am Gäubahn-Projekt mit. Bogner ist überzeugt davon, dass kooperative Modelle wie IPA greifbare Vorteile bieten: „Dadurch, dass die wichtigsten Beteiligten frühzeitig zusammenarbeiten, wird die Planung sowie die Bauabwicklung optimiert. So kann man große Projekte schneller und mit niedrigeren Kosten umsetzen.“

In Österreich wurden bislang zwar noch keine IPA-Projekte umgesetzt. Die großen Infrastruktur-Auftraggeber Asfinag und ÖBB testen derzeit aber ähnliche kooperativen Projektformen – sogenannte „Allianz-Modelle“. Wie IPA sehen auch Allianz-Modelle eine frühzeitige Einbindung der wichtigsten Auftragnehmer und die Bildung einer kooperativen Projektorganisation vor. Der Unterschied: Allianz-Modelle beinhalten in der Regel keinen gemeinsamen Mehrparteienvertrag, sondern wie gehabt bilaterale Verträge der einzelnen Planer und Ausführenden mit dem Auftraggeber.

Die ÖBB setzt aktuell beim Bau des Rohbaustollens Angath“ ein Allianz-Modell ein. Dabei will man „erste Erfahrungen“ sammeln, wie Gerald Zwittnig, Leiter Projektumsetzung Projekte Neu-/Ausbau bei ÖBB-Infrastruktur AG sagt. „Diese werden nach Vorliegen entsprechend stabiler Daten auch mit den Erkenntnissen anderer öffentlicher Auftraggeber abgeglichen.“ Die Motivation der öffentlichen Auftraggeber, sich mit diesen alternativen Projektformen zu befassen, liegt nicht zuletzt darin, dass die Zahl der rechtlichen Auseinandersetzungen zwischen den involvierten Parteien bei Großprojekten in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen hat. Im Fachenglisch ist hier von „Claim- und Anticlaim-Management die Rede“. Dazu ÖBB-Manager Zwittnig: „Das eigentliche Ziel eines Bauprojekts – das Erschaffen eines Bauwerks – trat dabei nicht selten in den Hintergrund.“

Die Experten sind sich einige, dass kooperative Projektformen wie IPA oder Allianzverträge vor allem bei komplexen und risikobehafteten Vorhaben vermehrt zum Einsatz kommen. Der konzeptive Vorteil ist für FCP-Geschäftsführer Schedler offensichtlich: „Die Partner investieren ihre Zeit und Energie dafür gute Qualität in der vereinbarten Zeit und zu den vereinbarten Kosten zu liefern, anstatt sich vor Gericht darüber zu streiten, wer was falsch gemacht hat.“

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