Baurecht

Nachträgliche Vertragsänderungen

12.06.2025

Nachträgliche Änderungen eines Vertrags sind vergaberechtlich begrenzt zulässig. Der Europäische Gerichtshof hatte aktuell über die Zulässigkeit einer Änderung in einem interessanten Fall zu entscheiden.

Die Grenzen dieser Zulässigkeit sind in den österreichischen Vergabegesetzen festgelegt, in Umsetzung der EU-Vergaberichtlinien für öffentliche Auftraggeber, Sektorenauftraggeber und Konzessionsvergaben.

Der Anlassfall

In Deutschland wurden vom Bund zwischen 1996 und 1998 Konzessionsverträge über den Betrieb von Autobahntankstellen etc. abgeschlossen, und zwar mit einer dem Bund (mittelbar) gehörenden Firma. Die Firma wurde danach privatisiert. 2022 wurde eine Ergänzung der Konzessionsverträge für Schnellladeinfrastruktur vereinbart. Diese Änderung wurde von Konkurrenten gerichtlich bekämpft.

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Die Entscheidung

Fraglich war zunächst, welche EU-Richtlinie anwendbar wäre, denn 1998 gab es noch keine eigene EU-Vergaberichtlinie für Konzessionen. Dennoch ist laut EuGH diese Richtlinie für die Frage der Zulässigkeit der Änderung im Jahre 2022 anzuwenden, weil die Richtlinie da bereits in Geltung stand und es sich inhaltlich um Konzessionen handelt.
Dann war zu klären, ob die Frage der Rechtmäßigkeit der ursprünglichen Konzessionsvergaben 1996 bis 1998 (Stichwort „In-House“-Vergabe) relevant wäre, und auch der Umstand, dass zum Zeitpunkt der Änderung 2022 jedenfalls keine „In-House“-Vergabe mehr vorlag, weil der Konzessionär schon längst privatisiert war.
Dazu sagte der EuGH, dass die Frage der Rechtmäßigkeit der ursprünglichen Vergabe nicht mehr geprüft werden muss, wenn die im nationalen Recht dafür vorgesehenen Anfechtungsfristen bereits abgelaufen sind (und wenn diese nationalen Bestimmungen dem EU-Recht entsprechen). Der EuGH leitete dies aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit ab.

Ausnahmetatbestand mit Voraussetzungen

Blieb noch die Frage, ob die Änderung 2022 nun zulässig war oder nicht. Diese beantwortete der EuGH nicht explizit, sondern verwies darauf, dass das nationale Gericht das zu prüfen hat. Er machte aber zum Ausnahmetatbestand der unvorhersehbaren Änderungen einige grundsätzliche Aussagen.
Dieser Ausnahmetatbestand hat vier Voraussetzungen: Erstens muss es sich um eine für einen sorgfältigen Auftraggeber unvorhersehbare Änderung handeln; zweitens muss die Änderung erforderlich sein; drittens darf sich der Gesamtcharakter des Auftrags nicht ändern; und viertens darf die Änderung den ursprünglichen Gesamtpreis um maximal 50 % erhöhen.
Zum „Gesamtcharakter“ sagte der EuGH, dass sich dieser nur ändert, wenn die ausgeschriebenen durch „andersartige“ Leistungen ersetzt werden oder sich die Art des Auftrags grundlegend ändert.
Zur „Erforderlichkeit“ hat der EuGH die Auslegung des nationalen Gerichts relativiert. Dieses hatte nämlich gemeint, die Änderung wäre schon deshalb erforderlich gewesen, weil in den Jahren 1996 bis 1998 der Bedarf an und die gesetzliche Verpflichtung zu einer Schnellladeinfrastruktur nicht vorhersehbar war. Das war dem EuGH zu weit: Bloß daraus, dass eine Leistung allgemein – also unabhängig vom konkreten Auftrag – erforderlich wird und diese Leistung im ursprünglichen Auftrag nicht enthalten war, ergibt sich keine Erforderlichkeit; es muss darum gehen, dass der ursprüngliche Auftrag nur mit der Änderung „weiterhin ordnungsgemäß erfüllt werden“ kann.

Gewisses Maß an Flexibilität

Allgemein wies der EuGH allerdings auch (wieder) darauf hin, dass dieser Ausnahmetatbestand (und solche sind grundsätzlich eng auszulegen) den Auftraggebern ein „gewisses Maß an Flexibilität“ bringen soll, um den Auftrag an unvorhersehbare externe Rahmenbedingungen anzupassen; mit anderen Worten, der Ausnahmetatbestand darf auch nicht zu eng ausgelegt werden.
Ebenso hat der EuGH bei seinen Ausführungen, was das nationale Gericht nun zu prüfen hat, in keiner Weise erwähnt, dass bei Vorliegen (z.B.) dieses Ausnahmetatbestands trotzdem noch weitere oder allgemeine Voraussetzungen zu prüfen wären, wie dies in Teilen der Literatur oder in den österreichischen Gesetzesmaterialien vertreten wird.


Der Autor

RA Mag. Thomas Kurz ist Rechtsanwalt bei
Heid und Partner ­Rechts­­­anwälte GmbH, ­Kundmanngasse 21, A-1030 Wien
www.heid-partner.at