Parlament

Des Adlers neue Kleider

Sanierung
03.05.2023

Dank der Expertise der Metallwerkstatt Reisinger erstrahlt nicht nur die Prunkstiege Theophil Hansens, sondern auch der Bundesadler des kürzlich wiedereröffneten Parlaments im neuen, alten Glanz.
Montierte Adler-Flügel

Selbst drei Monate nach der Wiedereröffnung des kernsanierten Parlaments will die Berichterstattung rund um das geschichtsträchtige Gebäude nicht abebben. Derzeit sorgen vor allem die Kunstwerke, die nun die neu entstandenen Räume des hohen Hauses schmücken, für zahlreiche Debatten – näheres dazu lesen Sie in unserem Bericht über die Installationen von Heimo Zobernig. Durchweg positive Resonanz erhielt der von Grund auf sanierte Wappenadler, der nun im Plenarsaal über den Rängen der Volksvertreter thront. Die Renovierung der mächtigen Wandplastik wurde von der Metallwerkstatt C. Reisinger aus Schwertberg im Mühlviertel mit viel Liebe zum Detail durchgeführt.

Expertise mit Substanz

Das Unternehmen, das im vergangenen Jahr fünfunddreißigjähriges Bestehen feierte, setzt sich seit jeher mit den vielfältigsten Fertigungsweisen im Metallbau auseinander – der künstlerisch-bildnerische Ansatz war dabei stets ein zentrales Leitbild. In der Region ist der Betrieb insbesondere für klassische sowie historisierende Metallarbeiten im Wohn- und Geschäftsbereich bekannt. Zu den Kompetenzen der Metallwerkstatt zählt unter anderem die schonenden Restaurierung und Konservierung historischer Bausubstanz, wobei auch die originalgetreue Rekonstruktion von nicht mehr existenten Objekten und der behutsame Umbau vorhandener Teile für notwendige neue Nutzungen sowie die Patinierung und Brünierung und Vergoldung von Oberflächen zum Leistungsspektrum zählen.

Die Spuren der Zeit

Da die Metalltechniker über ein außerordentlich fundiertes Expertenwissen im Umgang mit historischer Bausubstanz verfügen, wurde ihnen die besondere Ehre zuteil, den Wappenadler des Parlaments von Grund auf zu sanieren. Das stellte die Handwerker nicht nur vor logistische, sondern auch vor technische Herausforderungen: Nachdem das mächtige Wappentier im Zuge der Parlamentssanierung im Jahr 2018 demontiert worden war, wurde es im Sommer 2019 in die Metallwerkstatt ins Mühlviertel transportiert, wo es folglich an die Untersuchung der Substanz ging. Hierbei zeigte sich, dass das stählerne Federkleid des Adlers korrosionsbedingt in die Jahre gekommen war.

Drahtseilakt der Denkmalpflege

Wappenadler zerlegt
Für die Sanierung wurde der Bundesadler zunächst in seine Einzelteile zerlegt.

Die Entfernung der von Rost befallenen Stellen stellte die Metallbauer vor besondere Hürden, denn hierbei galt es gemäß der Denkmalpflege zu berücksichtigen, dass hierdurch die vom Künstler Rudolf Hoflehner durch Rotationsbürsten erstellte Oberflächenstruktur nicht zerstört wird. Ferner galt es zu beachten, die teilweise verbliebene Originalzunderschicht zu bewahren, da selbige dem Federkleid einen besonderen visuellen Charakter verleiht.

Flügel des Wappenadlers
Der Stahl wies mittlere Korrosionsspuren auf.

Die Behebung der Korrosionsspuren ohne dabei die charakteristische Oberflächenstruktur zu beeinträchtigen, stellte die Metallbauer einen wahren Drahtseilakt dar: Hierfür wurden die Flächen nach einer behutsamen Reinigung mit Lösemittel mit Rotationsbürsten aus Kunststoff bearbeitet. Jene Korrosionsreduzierung erfolgte in unterschiedlichen Intensitäten und wurde vorerst nur an der Rückseite des Adlers vorgenommen, danach folgte schlussendliche die vollständige Sanierung.

Logistische Meisterleistung

Adler zusammengebaut

Nach Abschluss der Restaurierungsarbeiten wurde der Adler noch in der Werkstatt zusammengebaut, um die Positionen der fünf Aufnahmebolzen für die Tragkonstruktion exakt bestimmen zu können. Hierbei galt es zu berücksichtigen, dass die originalen Aufnahmevorrichtungen des Adlers über einige Imperfektionen verfügten. Der Umgang mit jenen Baufehlern war kein leichtes Unterfangen, wie auch Reisinger berichtet: "Den Adler in die optimale Position zu bringen war eine Sache für sich. Abseits dessen stellte sich noch die Frage, wie das Objekt sicher von der Werkstatt in den Plenarsaal gebracht werden kann." Hierfür wurde der Wappenadler zerlegt und auf rollbare Transportvorrichtungen abgelegt.

Parlamentsbaustelle
Ungewöhnliches Flugbild eines Adlers.

Dann wurden alle Bauteile mit wasserdichten Folien abgedeckt und nach Anlieferung mit dem LKW mit dem Kran über den Balkon des Parlaments in den Nationalratssaal gebracht. Für die Montage wurde anschließend im Plenarsaal ein Kastengerüst errichtet und die Einzelteile mit einem Flaschenzug empor gehoben. Unter Beobachtung zahlreicher Medienvertreter wurden zunächst die Aufnahmevorrichtung sowie der linke und rechte Flügel montiert – anschließend folgten der Korpus und das Brustschild. Zu guter Letzt folgte die Überprüfung der Konservierung mit Owatrol und etwaige Ausbesserungen.

Gelungene Landung

Hiermit hatte der Bundesadler alle restauratorischen und werterhaltenden Maßnahmen erhalten, sodass dieser nun im neuen alten Glanz erstrahlt. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Auch Christian Reisinger zeigt sich zufrieden. "Es ist so, dass die Substanz durch das Restaurieren ja äußerlich nicht verändert und weiterhin 'alt' aussehen sollte. Würde der Adler glänzen, dann hätten wir also definitiv etwas falsch gemacht", so der Metallrestaurator. Seit der Adler im Jahr 2021 wieder an seinen angestammten Platz hinter dem Präsidentenpult zurückgekehrt ist, haben bereits zahlreiche Medien über die gelungene Restaurierung des mächtigen Wappentieres berichtet – und auch wir vom Magazin METALL gratulieren zur erfolgreichen Landung.

Nationalratssaal im österreichischen Parlament
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