Generationenbad

Times are changing…

Sanierung
18.10.2023

Der Mensch durchwandert die verschiedensten Lebensphasen, nachhaltige Architektur muss sich an den individuellen Bedürfnissen jeder einzelnen Altersgruppe orientieren, das gilt insbesondere für das Badezimmer, das Stichwort dazu lautet „Generationenbad“.
Generationenbad mit Klappsitz in der Dusche

Das Badezimmer, es ist der erste Raum, der in der Früh betreten wird, der letzte, den man vor dem Schlafengehen verlässt. In einer öden Nasszelle wird sich kein Wohlbefinden einstellen. Die Badezimmergestaltung hat in den letzten Jahrzehnten einen radikalen Wandel erlebt. Architekten und Designer haben das große Potenzial des Raums für sich entdeckt – nicht nur in Hinblick auf Formen und Farben der Keramiken und Accessoires, sondern auch was die Nachhaltigkeit und Flexibilität der Raumgestaltung im Allgemeinen und der Technik betrifft.
Die Bedürfnisse des Menschen wandeln sich im Laufe seines Lebens, das Badezimmer sollte nicht „altersgerecht“, sondern im besten Falle für jedes Alter gerecht sein. Man zieht als frisch verliebtes Pärchen in die Wohnung oder das Haus ein, teilt sich gerne Bett und Wanne, ein paar Jahre später folgen Kinder, denen Körperhygiene vorgelebt sein will und die, einige Jahre später als Teenies nur zu gern vergessen, dass das Familienbad weder Barbershop noch Beauty Salon ist und stundenlang okkupiert werden kann. Der Nachwuchs wird flügge, unser Pärchen kommt in die Jahre und will zuerst als Best Ager, dann - vielleicht schon gebrechlich - im hohen Alter eigenständig und autonom im Badezimmer agieren. Was muss ein Badezimmer können um diesen ganz unterschiedlichen Anforderungen zu entsprechen? Wir baten Isabella Dober, von Der Badprofi, und Alexander Leopold, LeodeSIGN, zwei Experten in Sachen Badplanung, zu Wort.

Gebäudeinstallation: Ist das Generationenbad wirklich eine Lösung für jede Lebensphase?
Alexander Leopold: Die Positionierung der Sanitärelemente in einem Bad hängt nicht so sehr vom Alter der Benutzer ab, sondern von der Raumbeschaffenheit (Größe, Lage und Aufgehrichtung der Türe, Lage und Aufgehrichtung des Fensters – soferne vorhanden - und vor allem Leitungssituation und Höhe des Fußbodenaufbaus). Daraus ergibt sich für die einzuplanenden Elemente EINE Idealsituation. Jede andere Variante ist mit Kompromissen verbunden. Varianten können allerdings durch unterschiedliche Ansprüche entstehen. Einmal wird eine Wanne gewünscht, einmal nicht. Einmal werden zwei Waschtische gewünscht, einmal nur einer. Einmal mit Waschmaschine, einmal ohne. Alles das ist Alters-unabhängig. Auch die bodenebene Dusche ist keine Frage des Alters mehr (war sie nie), sondern abhängig von der Höhe des Fußbodenaufbaus und der am Markt erhältlichen Sifone mit geringer Einbautiefe. Ein gut geplantes Bad ist tatsächlich in jeder Lebensphase verwendbar. Ob es optisch Menschen jedes Alters anspricht ist ein anderes Thema. Aber auch da darf man nicht vergessen, dass ja jedes Hotelbad dieselbe Anforderung hat. Es muss JEDEM gefallen, egal wie alt er ist oder aus welchem Kulturkreis der Gast kommt. Die Hotelbäder waren immer schon Generationenbäder. Und sie funktionieren sehr oft sehr gut.

Ist das Generationenbad in den Häusern und Wohnungen bereits „angekommen“? Werden Sie bei Ihrer Arbeit darauf angesprochen, oder sind vielmehr Sie es, die die Kunden auf die Aspekte aufmerksam macht?
Isabella Dober: Tatsächlich hängt es sehr stark von der Wohnregion bzw. Wohnsituation ab. In Niederösterreich (das Weinviertel und das Marchfeld sind hier meine Einzugsgebiete) konnte ich in den vergangenen Jahren gerade bei der Sanierung eine gesteigerte Nachfrage beobachten. Da es vielen Menschen (oftmals aus finanziellen Gründen) nicht mehr möglich ist, bzw. nachhaltig erscheint, aus dem Elternhaus auszuziehen und auch die Mittel für großzügige Umbauten/Zubauten (also weitere Bäder im Haus zu schaffen) oftmals nicht vorhanden sind, kann man hier einen Anstieg an (Mehr-)Generationenbädern wahrnehmen. Es muss dann sowohl für die Kleinsten als auch für die Senioren im gemeinsamen Haushalt gut nutzbar gestaltet sein. All die Lebensphasen dazwischen, also vom Jugendlichen bis hin zum Erwachsenen, wollen da auch mit einbezogen sein. Die Kunden, sprechen das meist auch sehr gezielt an und haben auch selbst schon die ein oder andere Überlegung dazu angestellt.

In vielen Fällen wird eher spät reagiert. Gerade in Mietwohnungen wird nicht im Voraus geplant.

Isabella Dober, Der Badprofi

Isabella Dober, Porträt
Isabella Dober, Der Badprofi

Gegensätzlich verhält es sich in Städten bzw. in Wohnungen. Hier ist ein mehrgenerationenübergreifendes Zusammenleben eher selten. Gerade in Mietwohnungen wird oft nicht über Jahrzehnte im Voraus geplant.  Das bedeutet, dass Singles nur an die aktuellen eigenen Bedürfnisse denken, Paare an die gemeinsamen Wünsche fürs Bad und – sollte Nachwuchs ein Thema sein, gerne auch schon mal an die kindgerechte Gestaltung. Familien wünschen sich ein Familienbad, denken aber oft nicht, was nach dem Auszug der Kinder mit z.B. so viel Stauraum anzufangen ist. Nicht selten höre ich von Senioren „hätte ich die Wanne doch schon früher gegen eine Dusche getauscht“, was mich darauf schließen lässt, dass hier eher spät reagiert wird.

Alexander Leopold: Das Generationenbad ist schon lange in den Häusern angekommen. Als die ersten wirklichen Bäder in den Wohnungen und Häusern entstanden wurden sie sofort von ALLEN benutzt. Teilweise auch gleichzeitig. Dass man für die Oma dann manchmal einen Haltegriff neben dem WC montiert hat, war eine Selbstverständlichkeit. Heute wird aus diesem Detail eine Stildiskussion und ein Bädertyp entwickelt. Mündige Kunden teilen mir bereits beim Briefing solche Anforderungen mit. Während des Bedarfsgesprächs werden die körperlichen Eigenheiten der künftigen Badbenutzer abgefragt und bei Bedarf spezielle Komfort-fördernde Produkte empfohlen. Wenn ich merke, dass sich in Kürze etwas an der Familiensituation ändern könnte, spreche ich das konkret an und mache einen Vorschlag (z.B. hochklappbarer Baby-Wickeltisch). Wenn der Platz dafür später wieder frei wird, gibt es vielleicht eine andere Benutzer-Situation, die wieder ein Spezialelement verlangt.

Was macht ein Generationenbad aus? Was muss es „können“ um den in den verschiedenen Lebensphasen sehr unterschiedlichen Nutzungsgewohnheiten zu entsprechen?
Isabella Dober: Ein Generationenbad ist für mich ein Badezimmer, dass die Bedürfnisse aller im Haushalt lebenden Generationen abdeckt mit dem Bonus, sich auch den Features und Gadgets der jeweils jüngeren oder älteren Generation bedienen zu können und dabei im Design keine Abstriche machen zu müssen. So wird die Sitzfläche in der Dusche längst nicht nur von der älteren Generation genutzt, sondern auch von allen anderen Altersklassen, z.B. als Ablagefläche, zum Bein-Abstellen oder um sich bequem hinzusetzen. Das absolute Upgrade, um wirklich ALLE Familienmitglieder einzubeziehen, stellt dann wohl nur noch der Brausekopf eigens für den Vierbeiner dar. Sympathisch am Generationenbad finde ich, dass sowohl Kinder, als auch Senioren sehr ähnliche Bedürfnisse haben, was bei den Beratungsgesprächen mit meinen Kunden immer für schmunzelnde Gesichter und lockere, persönliche Gespräche sorgt. Das beginnt bei rutschhemmenden Oberflächen, abgerundeten Kanten über leicht zugängliche Sanitärbereiche bis hin zu richtig positionierten Griffen für ausreichend Halt und Sicherheit. Was das Generationenbad (Nutzung durch eine Person, ein Paar oder eine Familie über mehrere Lebensabschnitte hinweg) vom Mehr-Generationenbad unterscheidet ist ausschließlich der Stauraum. Je mehr Menschen einen Raum gemeinsam nutzen, desto mehr persönlicher Stauraum ist gefragt.

Alexander Leopold: Vor allem muss es geräumig sein. Ein Familien-genutztes Bad, das sich an verschiedene Bedürfnisse anpassen soll, bringt man nicht auf 2x2 Meter unter. Für die Weiterentwicklung wird Platz benötigt. Wenn der vorhanden ist, ist Vieles möglich. Wichtig ist es die Badgestaltung flexibel zu halten. Beginnen wir mit dem Einfachsten: dem Lichtkonzept. Ein Bad, das von verschiedenen, unterschiedlich alten Menschen zu unterschiedlichen Zeiten benutzt werden soll, braucht auch unterschiedliche Lichtsituationen. Also: mindestens zwei, besser drei getrennt schaltbare Lichtkreise. Mindestens einer davon dimmbar. Weiters: Minimierung der verfliesten Flächen auf das Notwendigste. Das ermöglicht die relativ schnelle farbliche Umgestaltung des Bades mittels Wandfarben auf den unverfliesten Flächen. Alternativ können auch austauschbare Deko- Wandtafeln mit unterschiedlichen Materialien auf freien Wandflächen eingesetzt werden – ev. sogar mit indirektem Licht dahinter. Hinsichtlich der Bestückung sollte alles, was nicht an Wasserleitungen hängt, frei stehend oder leicht entfernbar befestigt werden. Viele Badmöbelserien bieten Waschtischunterschränke und Hochschränke auf Stellfüßen an. WCs und Wannen oder Duschen zu tauschen ist eher aufwändig. Deren Positionen sollten bei der Basisplanung SEHR gut durchdacht werden, damit sie lange Gültigkeit haben. Waschtische und deren Armaturen sind einfacher zu wechseln. Die Anschlüsse können oft innerhalb des Unterschranks verzogen werden, wenn sie nicht genau passen. Auch Duschabtrennungen können getauscht werden – zum Beispiel von Schiebetüre auf Falttüre, um einen größeren Einstieg in die Dusche zu haben.

Für alle Benutzersituationen und Altersklassen gilt: der Kniff liegt im Detail. 

Alexander Leopold, Leodesign

Alexander Leopold, Porträt
Alexander Leopold, Leodesign

Für alle Benutzersituationen und Altersklassen gilt: der Kniff liegt im Detail. Der Badbenutzer liebt die Details, die ihm das Leben erleichtern und verschönern. Details lassen sich schnell in eine vorhandene Situation integrieren oder austauschen und sind imstande – besonders, wenn sie auch noch farblich auffällig sind – den optischen Eindruck des ganzen Bades positiv zu beeinflussen. Stellen Sie sich vor, sie wechseln alle Details eines Bades auf schwarz. Armaturen, Abflussventile, Accessoires, Zahnputzbecher UND Zahnbürsten, Handtücher, Badematte, Bademantel, Badmöbel, Rahmen der Einbauspots, Seifen- und Duschgelspender, Nackenstütze in der Wanne, freistehenden Hocker und Waage. Und dann malen Sie auch noch ein paar Wandflächen schwarz an. SO haben Sie ihr Bad noch nie gesehen! Und wenn es geschmacklose billige Fliesen hat, dann sehen die plötzlich durch die vielen schwarzen Akzente cool und loftig aus. Es sind die Details, die das Zusammenleben erleichtern. Die Ordnungshilfen, die ästhetisch angeordneten Handtücher in Griffweite, die Sitzgelegenheit in der Dusche (z.B. freistehender Hocker, der leicht entfernt werden kann), der Haltegriff bei der Wanne, der USB Stecker zum Laden des Handys, vielleicht der Spiegel mit integriertem Bildschirm. Der schwenkbare Kosmetikspiegel, den auch die kleineren Kinder als normalen Spiegel verwenden können, bis sie groß genug sind um in den Spiegel mit H= 120 cm Unterkante zu schauen.
Um ein Generationenbad herzustellen ist alles an nötigen Produkten da. Was es aber vor allem braucht ist der gute Wille. Jener des Planers, der sich auf das Abenteuer einer eklektischen Gestaltung für mehrere Benutzer einlässt und jener der Benutzer verschiedenen Alters, die alle bereit sind, die Details des jeweils Anderen im Bad zu akzeptieren. Oder bei der Übernahme des Bades durch die nächste Generation ein wenig Umgestaltung in Kauf zu nehmen, bei der sie der Badplaner sicher wieder gerne beraten wird, weil ja in der Zwischenzeit vielleicht neue passende Produkte entwickelt wurden… So kann ein Generationenbad, obwohl es vom Konzept her eigentlich immer das gleiche bleibt, trotzdem für lange Zeit zu einem Wirtschaftsfaktor werden. Denn in Gutes wird immer gerne investiert. Wer hätte das je gedacht. //

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Haustechnik