Neuerungen

Der Abbruch wird zum Rückbau

Abbruch
28.04.2022

Von: Redaktion Bauzeitung
Österreichs Rückbau ist Best Practice. Mit 1. Jänner wurde eine aktualisierte und ­verbesserte Version der Abbruchnorm veröffentlicht.

Österreichs Rückbau ist Best Practice – dies stellte die EU schon vor Jahren fest, nachdem die ÖN B 3151 "Rückbau von Bauwerken als Standardabbruchmethode" gemeinsam mit der Recycling-Baustoffverordnung, die diese Norm verbindlich vorsieht, veröffentlicht worden ist. Der Grund: Verpflichtende Schad- und Störstoffuntersuchungen sind von rückbaukundigen Personen bzw. Fach­anstalten vorgesehen. Erst nach Abarbeitung eines Rückbaukonzeptes und der Schadstofffreiheit des Objektes wird von diesen Fachleuten die Freigabe zum Abbruch gegeben. Mit 1. Jänner wurde eine aktualisierte und verbesserte Version der Abbruchnorm veröffentlicht: Diese berücksichtigt die mit 1. Jänner in großen Teilen ebenso in Kraft getretene Abfallverzeichnisverordnung und geht verstärkt auf zukünftige Entwicklungen der Kreislaufwirtschaft ein.

Die österreichische Kreislaufwirtschaftsstrategie

Ebenso Anfang des Jahres veröffentlichte das BMK einen Entwurf der österreichischen Kreislaufwirtschaftsstrategie, die noch vor dem Sommer in Kraft treten soll: Kreislaufwirtschaft im Baubereich bedeutet weniger Ressourcen verwenden, Bauteile entweder wiederverwenden oder diese hochwertig verwerten. Das bedeutet, dass die "Rohstoffe" der Kreislaufwirtschaft im Bauwesen bei den Abbrüchen zu suchen sind: Baurestmassen bilden beim Urban Mining das Ausgangsmaterial für die Wiederverwendung oder Verwertung. Ziel ist, diese möglichst sortenrein zu gewinnen und hochwertig aufzubereiten: Damit schließen sich Kreisläufe, die Deponierung ist nur noch in wenigen Fällen notwendig und sinnvoll. Schon heute ist das Deponierungsverbot für Straßenaufbruch, Beton, Asphalt für Österreich in der Deponie­verordnung festgeschrieben: In gut zwei Jahren (1. 1. 2024) müssen diese einer Verwertung zugeführt werden, Deponien dürfen diese Restmassen nicht mehr annehmen. Zwei Jahre später gilt das Gleiche für Gipsplatten: Die beim Trockenausbau verwendeten Gipsplatten müssen beim Rückbau eines Gebäudes ebenso einer Verwertung zugeführt werden, da auch diese nicht mehr deponiert werden dürfen!

Die Vorgaben werden konkreter

Für den Abbruch existieren derzeit zwei Standards: Die Werkvertragsnorm B 2251 "Abbrucharbeiten" wird automatisch vertraglich relevant, wenn die ÖN B 2110 vereinbart ist und Abbrucharbeiten anstehen. Die ÖNorm B 3151 hingegen ist durch die Recycling-Baustoffverordnung (RBV) rechtlich bindend für alle Abbrüche, wo zumindest 750 Tonnen Baurestmassen anfallen. Da die RBV allerdings im Herbst des Jahres 2016 eine Novellierung erfuhr, passte die technisch ÖNorm in manchen Bereichen nicht mehr zu den Verordnungsvorgaben. So änderten sich Schwellenwerte, auch Begrifflichkeiten, und darüber hinaus bestand der Wunsch, Erfahrungen aus der schon seit 2014 aufgelegten Norm in eine Überarbeitung einfließen zu lassen. So wurde auch ein Bezug zu den Schlüsselnummern im Sinne der Abfallverzeichnisverordnung hergestellt; günstig dabei der Zeitpunkt 1. Jänner 2022, da mit diesem Tag die meisten Regelungen der novellierten Abfallverzeichnisverordnung in Kraft traten und diese schon in der zum gleichen Tag erschienen ÖNorm B 3151 berücksichtigt werden konnten.

Das ist neu

Bislang wurden vorwiegend mittlere und größere Projekte betrachtet, die zumindest 750 Tonnen an Baurestmassen (ohne Aushubmaterial) aufwiesen. Sollten diese Abbruchobjekte mehr als 3.500 m³ Brutto-Rauminhalt aufweisen, wurde sogar die ­Beauftragung einer befugten Fachperson beziehungsweise Fachanstalt vorgesehen. War im ersten Fall die ÖNorm B 3151 sowohl hinsichtlich Schadstofferkundung und Störstofferkundung zuständig, war bei den ganz großen Objekten (> 3.500 m³ BRI) dies nicht klar: Die Verordnung verwies in diesen Fällen auf eine ISO-Norm, die den Begriff "Störstoffe" nicht kennt und damit eine rechtlich unklare Situation hinterließ. Die Neuauflage der Norm legt nun ausdrücklich fest, dass die EN ISO 16000, Teil 32, nun auch sinngemäß für Störstoffe zur Anwendung kommt.

Auch bei Kleinbauvorhaben gibt es nun klare Aussagen: Bei Rückbauten/Abbrüchen, bei denen höchstens 750 t Bau- oder Abbruchabfälle anfallen, ist eine Schad- und Störstofferkundung nicht verpflichtend. Es wird jedoch empfohlen, die Bestimmungen der vorliegenden ÖNorm sinngemäß anzuwenden. Eine Erkundung von vorhandenen Schad- und Störstoffen vor einer Rückbaumaßnahme in Bauwerken kann erforderlich sein, da gefährliche von nichtgefährlichen Abfällen jedenfalls vor Ort zu trennen sind. Außerdem ist gemäß § 6 Abs. 1 Recycling-Baustoffverordnung die Einhaltung der Trennpflicht in die Stoffgruppen Bodenaushubmaterial, mineralische Abfälle, Ausbauasphalt, Holz-, Metall-, Kunststoff- und Siedlungsabfälle zu erfüllen.

Beim Rückbau/Abbruch von Linienbauwerken oder Verkehrsflächen ist eine Schad- und Störstofferkundung nicht verpflichtend erforderlich. Bei bituminös oder hydraulisch gebundenen Deck- oder Tragschichten aus Verkehrsflächen wird eine In-­situ-Untersuchung mittels Bohrkernbeprobung und chemischer Analytik empfohlen.

Darüber hinaus wird die Wiederverwendung von Bauteilen thematisiert: Zur Unterstützung der Wieder­verwendung und Verwertung dürfen auch die Dienste einer Wiederverwendungsbörse, z. B. des Baukarussells oder einer Recyclingbörse – etwa Recycling-Börse Bau www.recycling.or.at –, in Anspruch genommen werden.

Störstoffe behindern die Verwertung

Wenngleich die Liste der Schad- und Störstoffe nicht taxativ und damit abschließend aufgezählt ist, ist dennoch eine Konkretisierung erfolgt, sodass es nunmehr leichter ist, die Schadstoffe im Bauwerk zu erkunden: Schadstoffe werden zu gefährlichen ­Abfällen, wenn sie beim Abbruch anfallen. Darunter sind auch gefährliche, künstliche Mineralfasern, teerhaltige Materialien oder asbesthaltige Materialien zu verstehen. Im neu geschaffenen Anhang E werden zu diesen Abbruchmaterialien geeignete Schlüsselnummern vorgesehen. Ähnlich wie bei der Liste der Störstoffe: Wenngleich ungefährlich, sind diese Materialien vor dem eigentlichen Rückbau auszusortieren, da diese die Verwertung erschweren oder behindern.

Neu ist dabei das Objektbeschreibungsformular, welches in die neue ÖNorm B 3151 (von der Vorgängerversion der B 2251) übernommen worden ist. Dieses wurde erweitert und steht nun in neuem Umfang zur Verfügung. Es enthält nun auch eine Massen­abschätzung – wichtig für die Angebotskalkulation, da die Objektbeschreibung der Bauausschreibung zwingend beizulegen ist und damit dem Bieter bekannt gemacht wird. Auch das Rückbaukonzept wurde aus den Erfahrungen adaptiert: Insbesondere wurde ein Punkt für die Wiederverwendbarkeit von Bauteilen vorgesehen. Es ist die Aufgabe der rückbaukundigen Person, dem Bauherrn diese Möglichkeit für kommerziell verwendbare Bauteile aufzuzeigen.

In Abhängig­keit der Größe des Abbruchvorhabens hat der Rückbau nach einem strikten Regelablauf zu erfolgen.
In Abhängig­keit der Größe des Abbruchvorhabens hat der Rückbau nach einem strikten Regelablauf zu erfolgen.

Der Regelablauf eines Rückbaus

In Abhängigkeit von der Größe des Abbruchvorhabens hat der Rückbau nach einem strikten Regelablauf zu erfolgen (siehe Grafik). Klar zu erkennen sind dabei die zeitlich – weit vor den eigentlichen Abbrucharbeiten – notwendigen Schritte schon in der Phase der Planung und Angebotseinholung sowie der Erstellung des Rückbaukonzeptes vor dem eigentlichen Abbruch.

Neue Schlüsselnummern

Da sowohl die ÖNorm B 3151 als auch die Abfallverzeichnisverordnung mit 1. Jänner Neuerungen enthält, wurde ein neuer informativer Anhang geschaffen: Die Zuordnung von Schad- und Störstoffen zu Abfallarten soll eine Erleichterung für Abbruchunternehmen und auch für rückbaukundige Personen schaffen. Dies insbesondere, da mit 1. Jänner neue Spezifizierungen eingeführt worden sind bzw. neue Schlüsselnummern (z. B. in Zusammenhang mit künstlichen Mineralfasern, Kleinmengen von Bodenaushub) in Kraft traten. Damit ist ein Arbeitsbehelf geschaffen worden, der auch den Umstieg auf die neu zu verwendenden Schlüsselnummern erleichtert.

Am 13. Juni 2022 findet beim Baustoff-Recycling Verband in Wien ein Come-together statt, bei dem neben den ersten Erfahrungen mit der neuen ÖNorm auch weitere Entwicklungsschritte für einen verbesserten Rückbau diskutiert werden sollen. Schon im Sommer sollen diese in einer ersten Sitzung zur weiteren Überarbeitung der ÖNorm B 3151 einfließen; so zum Beispiel die verbesserte Trennung von Gips­platten, um diese einer Verwertung zuzuführen oder die Wiederverwendung von Bauteilen stärker zu unterstützen.

[zum Autor: Univ. Lektor DI Martin Car Ist Geschäftsführer des Österreichischen Baustoff-Recycling Verbands (Karlsgasse 5, 1040 Wien).]

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