Versicherung

Risiken enden nicht mit der Schlüsselübergabe

Versicherung
25.07.2022

Von: Redaktion Bauzeitung
Auch nach der Bauabnahme sind die Risiken für Bauunternehmer noch lange nicht beendet. Wie man sich dagegen schützen kann.
Wand mit Wasserschaden

Unternehmen in der Baubranche beschäftigen sich mit den Risiken im Zuge der Errichtung eines Bauprojekts. Entsprechende Versicherungslösungen wie Betriebs- und Planungshaftpflicht-, Bauherrenhaftpflicht-, Bauwesen- oder ­Montageversicherungen werden dafür ­abgeschlossen. Das Risiko der Mängelhaftung nach Bauübernahme innerhalb der Gewährleistungsfrist und die möglichen komplexen Mängelursachen­erhebungen werden meist unterschätzt – insbesondere bei größeren Bauprojekten. 

Beispiel aus der Praxis

Eine Projektgesellschaft errichtet als Bauherrin ein Verwaltungsgebäude mit einer Baukostensumme von 17 Millionen Euro, welches nach Fertigstellung an drei unterschiedliche Eigentümer zur Nutzung übergeben wird. Bei der Abschlussbegehung werden lediglich kleinere optische Mängel im Bereich des Fassadenanstrichs festgestellt, die vom Auftragnehmer kurz vor der Inbetriebnahme ausgebessert werden. Ansonsten erfolgen keine wesentlichen Beanstandungen.
Zwei Jahre nach Übergabe werden erstmals Feuchtigkeitserscheinungen in den Wänden und im Wärme­dämmverbundsystem (WDVS) mit Putzablösungen angezeigt. Untersuchungen der Fassade durch einen Bausachverständigen stellen eine erheb­liche Durchfeuchtung der Wände fest. Als Ursache der Feuchtigkeit kommen gemäß einem durch den Eigentümer hinzugezogenen Gutachter mehrere Ursachen in Betracht.

  • Eindringen der Feuchtigkeit über Undichtheiten im Bereich der Abdichtung des Flachdachs oder
  • mangelhaft erstellte Gebäudeanschlüsse im Bereich der Attika oder
  • fehlerhaft erstellte WDVS/Fassadenputze.

Der Gutachter kann nicht ausschließen, dass alle drei Gewerke mitursächlich waren, und ist der Auffassung, dass eine Trocknung alleine nicht zielführend ist.

Dem Eigentümer ist die konkrete Ursache egal, er verlangt Mängelbeseitigung in Form einer vollständigen Erneuerung der Gebäudehülle inklusive Dach und WDVS. Erste fundierte Kostenschätzungen belaufen sich auf rund 1,45 Millionen Euro. Die drei unterschiedlichen Auftragnehmer/Ersteller der betroffenen Gewerke Hochbau, Dach, Fassade weisen eine Mangelhaftigkeit und damit auch die Nachbesserung bzw. Sanierungskostenübernahme ihres Gewerkes jeweils zurück. Ein gerichtliches Beweisverfahren wird eingeleitet.
Dieses Beispiel zeigt deutlich, dass beim Risikomanagement nicht auf die Haftung nach Übergabe eines Gewerks vergessen werden sollte.

Mängel kosten Zeit und Geld

Jedes Bauvorhaben ist mit zahlreichen Risiken verbunden – und zwar vor und nach der Bauabnahme. Allerdings enden die Pflichten des Bauunternehmers nicht mit der Schlüsselübergabe. Mit Abnahme der Bauleistung, inklusive der erbrachten Leistungen sämtlicher Subunternehmer, besteht für den Bau­unternehmer eine Gewährleistungsverpflichtung gegenüber dem Bauherrn – in Österreich für einen Zeitraum von mindestens drei Jahren, unter Umständen auch darüber hinaus. Die Erfahrung zeigt, dass selbst die sorgfältigste Bauabnahme und Bauüberwachung nicht alle Mängel aufdecken kann. Oft treten diese erst nach einigen Jahren auf und verpflichten den Bauunternehmer zur Mängelbeseitigung oder nachträglichen Preisminderung. Die mit solchen Mängeln verbundenen Schäden sind häufig umfassend und erfordern teure und zeitaufwendige Nachbesserungsarbeiten. Im schlimmsten Fall können Forderungen in Millionenhöhe an das ausführende Bauunternehmen gestellt werden. Schnell sind so die Liquidität und die Existenz des Unternehmens gefährdet. (sm)

Baugewährleistung: Sicher ist sicher!

Rudolf Prettenthaler, Vertriebsdirektor bei Allrisk Leue & Nill
Rudolf Prettenthaler ist Vertriebsdirektor bei Allrisk Leue & Nill

Rudolf Prettenthaler, Vertriebsdirektor beim Versicherungsmakler Allrisk Leue & Nill, im Interview.

Bauen ist immer mit Risiken verbunden. Wie versicherungsaffin sind die österreichischen Bauunternehmen?
Rudolf Prettenthaler: Die drohenden finanziellen Verluste durch unvorhergesehene Bauschäden und auch das erhöhte Haftungsrisiko für Sach- und Personenschäden sind den Unternehmen in der Baubranche natürlich bewusst, und eine entsprechend hohe wirtschaftliche Bedeutung nimmt das Versicherungsthema im Vorsorgemanagement von Unternehmen in der Baubranche ein. Neben der Betriebshaftpflichtversicherung werden daher für Bauprojekte auch häufig Bauwesenversicherungen ­abgeschlossen, um gemäß den Haftungsregelungen vor unvorhergesehen eintretenden Beschädigungen oder Zerstörung in der Errichtungsphase abgesichert zu sein.

Seit kurzem gibt es in Österreich die Möglichkeit, eine Baugewährleistungsversicherung abzuschließen. Für wen gilt diese, und welche Leistungen sind darin enthalten?
Prettenthaler: Die Baugewährleistungsversicherung ist die Garantie an den Bauherrn, dass die Kosten für Mängelbeseitigung oder Nachbesserungen übernommen werden. Diese Garantie wird durch ein entsprechendes Zertifikat vom Versicherer verbrieft. Es handelt sich um eine projektbezogene Versicherung, in der alle Gewerke und deren Subunternehmer mitversichert sind. Abgeschlossen werden kann die Versicherung von Bauunternehmen, Bauträgern, Investoren, Projektentwicklern oder Wohnbaugesellschaften. Die Leistungen beinhalten Behebungen von Mängeln und Mängelfolgeschäden am Objekt. Damit ist auch das Insolvenz­ausfallsrisiko von den Subunternehmen mitversichert. Die Baugewährleitungsversicherung ermöglicht eine schnellere Gesamtsanierung und mindert dadurch das finanzielle Risiko von Vermögensfolgeschäden.

Für welche Projekte empfehlen Sie diese Ver­sicherung?
Prettenthaler: Es bestehen Absicherungsmöglichkeiten vom Einfamilienhaus bis zu großen Wohnbauprojekten.

Wie hoch ist die Versicherungsprämie für diesen ­"Rundumschutz"? 
Prettenthaler: Die Prämie ist abhängig von Art und Größe des Projekts sowie von der Höhe der gewünschten Versicherungssummen. Eine pauschale Prämienangabe ist daher nicht möglich, aber natürlich hat dieses Produkt aufgrund des hohen Risikos und des umfangreichen Versicherungsschutzes seinen Preis. Die Kosten teilen sich auf Prämie und Sachverständigenkosten für die inkludierte Baubegleitung auf. Jedoch ersetzt diese Versicherung dafür andere Bürgschaften und erhöht die Kreditlinie durch Wegfall von Avalzinsen und Sicherheiten und ermöglicht die Reduktion von Rückstellungen für eventuelle Mängel.

versichertbauen.at

Allrisk Leue & Nill

Die Allrisk Leue & Nill Ver­sicherungsmakler GmbH berät und unterstützt seit über 60 Jahren Firmen- und Privatkunden in Versicherungsfragen und Schadensanlegenheiten. Der Fokus liegt auf der Produktentwicklung für Kunden aus dem ­Bau­bereich.

allrisk-leue.at

Branchen
Bau