In jedem Vertrag

Abruf von Garantien

Rechtstipps
16.05.2022

Garantien spielen bei praktisch jedem Bauwerkvertrag eine Rolle – und damit auch im Vergaberecht.

Garantien spielen bei praktisch jedem Bauwerkvertrag eine Rolle. Das gilt auch für den Bereich des Vergaberechts, da das Bundesvergabegesetz (BVergG 2018) gemäß § 2 Z 32 folgende "Sicherstellungen" kennt, die auch per Garantie erfolgen können:

  • Vadium;
  • Kaution (oft als "Erfüllungsgarantie" bezeichnet);
  • Deckungsrücklass;
  • Haftungsrücklass.

Bezüglich der Frage, wie der Abruf durch den Garantiebegünstigten erfolgen kann oder muss, ist im BVergG 2018 nichts geregelt. Dies wird meistens durch einen Mustergarantietext, der auch Vertragsinhalt wird, vom Auftraggeber in der Ausschreibung
vorgegeben.

Der Garantiebegünstigte muss beim Abruf grundsätzlich den Wortlaut der Garantie penibel einhalten, da nach ständiger Judikatur dabei eine "formelle Garantiestrenge" gilt. In einer aktuellen Entscheidung (OGH 14.9.2021, 8 Ob 109/20t) ging es nun um die Frage, ob Garantieabrufe per Telefax und per E-Mail gleichwertig sind.

Der Sachverhalt

Der Garantietext hatte unter anderem zum Inhalt, dass eine Inanspruchnahme mittels Telefax vor dem Laufzeitende der Garantie ausreicht. Bei der Bank langte rechtzeitig der Abruf ein, aber per E-Mail (als eingescannter Anhang). Die Bank verweigerte die Zahlung. Der Garantiebegünstigte klagte daraufhin die Bank.

Die Entscheidung

Die gerichtlichen Instanzen waren unterschied­licher Meinung. Das Erstgericht wies die Klage zunächst ab. Die zweite Instanz (Berufungsgericht) gab der Klage statt. Es "bestünde kein relevanter Unterschied zwischen einem Telefax und einem Anhang zu einer E-Mail. Bei beiden Kommunikationsformen bestünden größere Fälschungsmöglichkeiten als bei einem Originaldokument. Der technische Vorgang der Umwandlung der Information vom Papier in elektronische Form und zurück sei vergleichbar. […] Es sei auch nicht erkennbar, dass das Telefax in höherem Maße den Zweck erfüllen können sollte, dem Garanten einen Beleg für die Erklärung zu verschaffen und die Bearbeitung zu erleichtern."

Der OGH als dritte Instanz stellt das Urteil des Erstgerichts (Abweisung der Klage) wieder her. Die formelle Garantiestrenge sei zwar kein Selbstzweck, aber der OGH sah in der Unterscheidung von Telefax und E-Mail einen – aus dem Interesse der garantierenden Bank heraus betrachtet – sachlich gerechtfertigten Umstand.

Zum Vergleich: Der OGH verwies auch auf eine ältere Entscheidung (9 ObA 319/99y), nach der die Voraussetzung des Abrufs per "Einschreiben" im Ergebnis einen bloßen Selbstzweck hätte, wenn der Abruf tatsächlich fristgerecht bei der Bank eingegangen ist. Die Bank dürfte also bloß deshalb, weil das Abrufschreiben nicht eingeschrieben aufgegeben wurde, nicht die Zahlung verweigern.

Gegenständlich war aber für den OGH aus dem Sicherheitsbedürfnis des Garanten (also der Bank) ein sachlicher Unterschied erkennbar: Bei einem Telefax "bleibe – zumindest in der Regel – das Gerät, von dem aus die Übertragung erfolgt, leichter identifizierbar". Die E-Mail habe im vorliegenden Fall nicht vom Garantiebegünstigten selbst gestammt, sodass die Zuordenbarkeit des Anhangs zumindest erschwert gewesen wäre. Außerdem sei es bei Telefax leichter möglich, sie nicht zu übersehen, während E-Mails etwa durch den Spam-Filter aussortiert werden könnten.

Ob die Identifizierbarkeit wirklich einen Unterschied macht, kann zwar auch bezweifelt werden, denn es war nicht zwingender Garantieinhalt, dass der Abruf von einem Faxgerät des Garantiebegünstigten stammen muss (auch bei einem Originalabruf ist ja nicht verlangt, dass es der Garantiebegünstigte selbst bei der Post aufgeben muss); solange das Abrufschreiben durch vertretungsbefugte Personen des Garantiebegünstigten unterzeichnet ist, sollte das, könnte man meinen, ausreichen. Da aber Faxgeräte meines Wissens nach keinen Spam-Filter haben, gibt es zumindest einen – wenn auch geringen – Unterschied zwischen den beiden Übermittlungs­arten.

Beim Garantieabruf sollte man daher möglichst vorsichtig vorgehen und den Garantieinhalt genau einhalten.

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