Einwand schließt die Sicherstellung aus

Rechtstipp
08.02.2021

Verlangt ein Werkunternehmer eine Bankbürgschaft, so kann dies für eine Sicherstellung nach § 1170b ABGB sprechen. Kann eine solche Sicherstellung bei Zahlungsverzügen verschiedener Teilrechnungen und Benutzung der Sicherstellung auch zweimal verlangt werden?

Gemäß § 1170b Abs 1 ABGB kann der Unternehmer eines Bauwerks, einer Außenanlage zu einem Bauwerk oder eines Teils hiervon vom Besteller ab Vertragsabschluss für das noch ausstehende Entgelt eine Sicherstellung verlangen. Als Sicherstellung können Bargeld, Bareinlagen, Sparbücher, Bankgarantien oder Versicherungen dienen. Die Kosten der Sicherstellung hat der Sicherungsnehmer zu tragen, soweit sie pro Jahr zwei Prozent der Sicherungssumme nicht übersteigen. Die Kostentragungspflicht entfällt, wenn die Sicherheit nur noch wegen Einwendungen des Bestellers gegen den Entgeltanspruch aufrechterhalten werden und die Einwendungen sich als unbegründet erweisen.

Gemäß § 1170b Abs 2 ABGB sind solche Sicherstellungen binnen angemessener, vom Unternehmer festzusetzender Frist zu leisten. Kommt der Besteller dem Verlangen des Unternehmers auf Leistung einer Sicherstellung nicht, nicht ausreichend oder nicht rechtzeitig nach, so kann der Unternehmer seine Leistung verweigern und unter Setzung einer angemessenen Nachfrist die Vertragsaufhebung erklären.

Wie verhält es sich, wenn der Besteller des Öfteren mit Zahlungen von Teilrechnungen (TR) in Verzug ist und Mängel gegen die Zahlung einwendet. Kann die Sicherstellung nach § 1170b ABGB in einem solchen Fall herangezogen (verwertet) werden, um den Rückstand aus einer fälligen Rechnung zu tilgen? Und kann der Auftragnehmer (AN) daraufhin eine weitere Sicherstellung verlangen?

Entscheidung des OGH 6 Ob 113/20s

Mit dieser Problemstellung war der Oberste Gerichtshof (OGH) jüngst in seiner Entscheidung vom 15.09.2020, 6 Ob 113/20s konfrontiert. Im Anlassfall der Entscheidung wurde der AN, ein Unternehmen auf dem Gebiet des Spezialtiefbaus, vom Auftraggeber (AG) mit der Herstellung von drei Bohrungen beauftragt. Als Sicherheit wurde zwischen dem AN und dem AG zunächst eine (Zitat) „Garantie oder Bürgschaft vereinbart“. Diese wurde vom AG – entsprechend der Vereinbarung – als Bankbürgschaft vom 18.12.2015 über einen Betrag von 137.893,35 Euro gelegt. Grund für das Verlangen einer Sicherstellung durch den AN war, dass die Zahlungen des AG „schleppend und jeweils nur nach Mahnungen“ erfolgten.

In weiterer Folge wurde die erste TR für die mangelfreie Durchführung einer Bohrung vom AG nicht bezahlt, weshalb der AN die Bankbürgschaft hinsichtlich des noch offenen Betrages in Anspruch nahm. Die Rechnung für die zweite (scheinbar mangelhafte) Bohrung wurde vom AG nur teilweise bezahlt. Der AN forderte daraufhin die Beibringung einer weiteren Sicherstellung nach § 1170b ABGB und „drohte“ für den Fall der Nichtleistung die Auflösung des Vertrags sowie die Einforderung des gesamten vereinbarten Werklohns an. Nach Verstreichen der Nachfrist erklärte der AN den Vertrag für aufgehoben. Rechtlich stellte sich (u. a.) die Frage, ob der AN die erste Sicherstellung (Bankbürgschaft) zu Recht in Anspruch genommen hatte und dementsprechend das neuerliche Sicherstellungsbegehren sowie die Erklärung des Vertragsrücktritts berechtigt waren.

Beides verneinte der OGH. Er hielt fest, dass nach dem klaren Wortlaut des § 1170b, Abs 1, letzter Satz ABGB, die Sicherheit bei Einwendungen des Bestellers gegen den Entgeltanspruch selbst dann aufrechtzuerhalten ist, wenn sich die Einwendungen als unbegründet erweisen. Daher hätte der AN die Bankbürgschaft nicht zur Tilgung der ersten TR heranziehen dürfen. Mit dem Abrufen der Bankbürgschaft habe der AN sodann über Bareinlagen in der Höhe der Bürgschaft verfügt und über eine ausreichende Sicherstellung im Sinne des § 1170b ABGB in Form von „Bargeld“ bzw. „Bareinlagen“ verfügt. Das zweite Sicherstellungsbegehren war sohin nicht berechtigt, weshalb auch der Vertragsrücktritt unberechtigt erklärt worden war.

Fazit

In der Entscheidung 6 Ob 113/20s trifft der OGH einige Klarstellungen zu § 1170b ABGB:

1) Eine vom AG gelegte Sicherstellung darf nicht verwertet werden, wenn der AG gegen die Forderung des AN auf Zahlung einer Rechnung Mängel einwendet – auch dann nicht, wenn sich die Einwendungen als unbegründet erweisen!

2) Wurde eine Sicherstellung unberechtigt in Anspruch genommen, ist ein neuerliches Sicherstellungsbegehren ausgeschlossen. 

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