„Baustopp“ – Recht oder Risiko des Auftragnehmers?

Recht
11.06.2019

Ist die Situation auf der Baustelle erst einmal „eskaliert“, neigt so mancher Bauunternehmer dazu, die Arbeiten einzustellen, damit sich wenigstens sein finanzieller Schaden in Grenzen hält. Aber dürfen die Bauarbeiten ohne weiteres gestoppt werden, wenn der Auftraggeber zum ­Beispiel fällige Rechnungen nicht bezahlt? 

Es kommt nicht selten vor, dass ein Bauvorhaben so richtig „aus dem Ruder läuft“: Von Anfang an sind die zeitlichen Vorgaben für das Projekt ambitioniert. Die Planungs- und Ausschreibungsphase waren kurz, die Ausschreibungsunterlagen sind teilweise mangelhaft, und zum Zug ist der Auftragnehmer (AN) nicht zuletzt deshalb gekommen, weil er auf den Pauschalpreis einen Nachlass von zehn Prozent gewährt hat. Außerdem werden Risiken wie das Vollständigkeits- und Funktionsrisiko auf den AN übertragen, und es bestehen unterschiedliche Ansichten darüber, ob verrechenbare Zusatzleistungen vorliegen oder nicht. Werden vom Auftrag­geber (AG) während des Projekts dann fällige Rechnungen (Teilrechnungen) nicht (vollständig) bezahlt, sind die Voraussetzungen für einen veritablen Streit perfekt.

So mancher AN sieht sich in einer derartigen Situation berechtigt, die Bauarbeiten zu stoppen. Rechtlich gesehen ist die Sache allerdings nicht ganz so einfach. Ohne entsprechende Vorkehrungen im Vertrag kann aus dem vermeintlichen Recht des AN sehr schnell ein Risiko werden.

Der AN ist zur Vorleistung verpflichtet

Der AN schuldet die ordnungsgemäße Herstellung der Bauleistung und ist dabei grundsätzlich zur Vorleistung verpflichtet (§ 1170 ABGB). Die Vorleistungspflicht des AN bedeutet zweierlei: Zum einen hat der AN Anspruch auf Zahlung des Werklohnes erst mit Fertig­stellung der Leistung. Zum anderen folgt daraus, dass der AN so lange zur Leistung verpflichtet ist, solange das Vertragsverhältnis aufrecht besteht und nicht etwa durch vollständige Erfüllung oder vorzeitig durch Rücktritt eines Vertragspartners endet. Stellt der AN bei dieser Rechtslage die Bauarbeiten ein, verletzt er damit seine Vorleistungspflicht und läuft Gefahr, gegenüber dem AG schadenersatzpflichtig zu werden oder einen wichtigen Grund für einen Vertragsrücktritt zu setzen – selbst wenn er sich (noch) nicht in Verzug befindet.

Die Rechtsprechung gesteht dem AG nämlich schon dann ein Rücktrittsrecht zu, wenn angesichts der konkreten Umstände nicht mehr damit zu rechnen ist, dass der AN die Leistungen ordnungs­gemäß und rechtzeitig erbringen wird. Dieser Punkt ist in einer kritischen Phase des Bauvorhabens schnell erreicht.

Kein Baustopp: Verzug mit einer Teilrechnung

In den meisten Bauverträgen finden sich Regelungen, wonach der AN zur Legung von Teilrechnungen berechtigt ist. Die vom AG auf die Teilrechnungen zu leistenden Zahlungen werden zumeist als ­Vorschüsse auf den gesamten Werklohn qualifiziert, sodass nicht mehr der AN zur Vorausleistung verpflichtet ist, sondern der AG. Die Vorausleistungspflicht kehrt sich damit quasi um. Wie steht es nun um das Recht des AN, die Bauarbeiten einzustellen?

Die vereinbarte Vorausleitungspflicht bedeutet zunächst, dass der AG nicht berechtigt ist, die Zahlung der Rechnungen aufgrund von Mängeln zu verweigern. Daraus allein folgt jedoch nicht, dass der AN die Leistungen einstellen darf. Der AG gerät bei Zahlung einer ­fälligen und der Höhe nach unstrittigen Rechnung zwar selbst in Verzug, da er seine Zahlungsverpflichtungen nicht eingehalten hat. In dieser Situation muss der AN dem AG korrekterweise eine Nachfrist setzen und gleichzeitig den Vertragsrücktritt erklären (§ 918 ABGB). Erst nach Ablauf der Nachfrist, wenn das Vertragsverhältnis beendet ist, endet auch die Leistungspflicht des AN. Im Übrigen berechtigen auch nach der ÖNorm B 2110 Divergenzen hinsichtlich der Leistungspflicht nicht zur Einstellung der Arbeiten (Pkt. 5.9.1).

Das Zug-um-Zug-Leistungsverweigerungsrecht hilft dem AN meistens auch nicht. Schließlich kann sich nicht darauf berufen, wer zur Vorleistung verpflichtet ist.

Fazit

Die Möglichkeiten des AN, in einer schwierigen Situation die Bauarbeiten zu stoppen, sind beschränkt. Bei einer unüberlegten ­Entscheidung läuft der AN Gefahr, dass er selbst schadenersatz­pflichtig wird oder einen Rücktrittsgrund verwirklicht. Echte ­Abhilfe kann nur die Vereinbarung eines Rechts zur Leistungseinstellung schaffen, was in der Praxis selten der Fall ist. Vielmehr sieht die ÖNorm B 2110 in Punkt 5.9.1 vor, dass Streitfälle über die Leistungs­erbringung die Vertragspartner nicht berechtigen, die ­ihnen ­obliegenden Leistungen einzustellen.

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