Bewertungskommissionen im Vergaberecht

Vergaberecht
06.10.2021

Der Einsatz einer kommissionellen Bewertung von Angeboten nimmt in den vergangenen Jahren zu.

In den vergangenen Jahren hat der Einsatz einer kommissionellen Bewertung von Angeboten zugenommen. Das liegt vor allem am vermehrten Einsatz von ökologischen und sozialen Zuschlagskriterien sowie andere Qualitätskriterien. Diese werden häufig als sogenannte „subjektive“ Zuschlagskriterien ausgestaltet, die nicht bloß mathematisch aus angebotenen Werten abgeleitet werden können, sondern eine qualitative und wertende (und damit auch teilweise subjektiven) Beurteilung der Angebote erfordern.

Das ist vergaberechtlich zulässig, erfordert aber die Bewertung durch eine Kommission (also durch mehr als eine Person). Zwei Gerichtsentscheidungen haben dafür nachstehende Anforderungen klargestellt (VwGH 22.12.2020, Ra 2019/04/0091; BVwG 15.2.2021, W187 2237702-2/26E).

Fachkunde der Kommission

Die Bewertungskommission muss insgesamt die zur Bewertung nach dem jeweiligen Zuschlagskriterium erforderliche Fachkunde aufweisen. Das bedeutet, dass nicht jedes Mitglied der Kommission alle fachlichen Aspekte beurteilen können muss.

Dies gilt nach dem VwGH auch im Sektorenbereich. Er hat überdies – zumindest zum spezifischen Sachverhalt – festgehalten, dass diese Fachkunde auch dann ausreichend erfüllt sein kann, wenn die Kommission beziehungsweise ein Kommissionsmitglied statt der entsprechenden Fachausbildung „nur“ entsprechende praktische Erfahrungen aufweist.

Das BVwG hat in seiner Entscheidung hinzugefügt, dass es auch ausreicht, wenn von der Kommission Sachverständige beigezogen werden, sodass in diesem Fall die Kommission selbst nicht die (vollständige) Fachkunde aufweisen müsste.

Bekanntgabe der Mitglieder?

Das BVwG hat festgehalten, dass die Mitglieder der Bewertungskommission nicht bereits in den Ausschreibungsunterlagen bekanntgegeben werden müssen.

Ergänzend soll laut BVwG eine solche Festlegung bereits in der Ausschreibung zwar aus Transparenzgründen „wünschenswert“ sein, ist aber mangels gesetzlicher Regelung eben nicht verpflichtend. Ob dies tatsächlich wünschenswert wäre, kann man auch anders sehen: Eine namentliche Nennung Wochen oder Monate vor der Bewertung könnte etwa auch den unerwünschten Effekt haben, dass Interventionsversuche bei den Kommissionsmitgliedern erfolgen. Außerdem wäre bei Ausfall eines Kommissionsmitglieds vor Bewertung der Angebote unter Umständen (wenn die „Restkommission“ nicht mehr ausreichend besetzt ist) die Notwendigkeit einer Neunominierung ergeben, was – da die Bekanntgabe von Kommissionsmitglieder grundsätzlich eine gesondert anfechtbare Entscheidung ist – das Risiko von Nachprüfungsverfahren erhöhen würde.

Bewertung trotz Preiskenntnis

Der Antragsteller im VwGH-Verfahren behauptete, dass die Bewertung der Angebotsqualität durch die Kommission dem europarechtlich geltenden Willkürverbot widerspreche, wenn der Kommission zu diesem Zeitpunkt auch die Angebotspreise bekannt sind. Der VwGH sah darin aber nicht ansatzweise Willkür. In der Praxis werden zwar fallweise die Qualitätsangebote bereits vor den Preisangeboten eingeholt, oder die Qualitäts- bzw. Preisangebote sind in getrennten Konvoluten abzugeben (wobei das Preisangebot erst nach Bewertung der Qualitätsangebote geöffnet wird; sogenanntes Zwei-Kuvert-Verfahren), aber dazu besteht grundsätzlich keine gesetzliche Verpflichtung.

Bewertungsspielraum

Einer Bewertungskommission wird von der Judikatur ein gewisser Bewertungsspielraum eingeräumt. Überprüft wird nur, ob die Kommission die Ausschreibung eingehalten und den ihr eingeräumten Bewertungsmaßstab unsachlich und den Grundsätzen des Vergaberechts (insbesondere Gleichbehandlung aller Bieter und Diskriminierungsverbot) widersprechend ausgeübt hat. Das Gericht nimmt aber keine eigene (nochmalige) Bewertung der Angebote vor.

Das leuchtet ein, denn ein gewisser „subjektiver“ Bewertungsspielraum ist mit solchen Zuschlagskriterien untrennbar verbunden. Die Bewertung spiegelt zwangsweise auch die subjektive Meinung der Kommission wider, und ebenso zwangsweise ist niemals auszuschließen, dass andere Personen zu einer anderen Meinung gelangt sein könnten. Solange die obigen Grenzen nicht überschritten sind, ist dies vergaberechtlich nicht zu beanstanden.

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