Bieterschutz

Gesondert und anfechtbar

Vergaberecht
06.04.2021

Der Bieterrechtsschutz im Vergaberecht hat seine Eigenheiten. Auf besonderen Leserwunsch soll nachstehend ein Überblick darüber erfolgen.

Geregelt ist der Rechtsschutz für Länder- und Gemeindevergaben in den jeweiligen Landesgesetzen, für den Bundesbereich im Bundesvergabegesetz 2018 (BVergG). Die Landesgesetze entsprechen überwiegend dem BVergG, im Detail gibt es aber Abweichungen.

Wie funktioniert dies?

Durch das System der gesondert anfechtbaren Entscheidungen wird das Vergabeverfahren in zeitlich abfolgende Abschnitte unterteilt. Wenn die Anfechtung einer gesondert anfechtbaren Entscheidung versäumt wurde, können alle davor liegenden Rechtswidrig­keiten auch nicht mehr geltend gemacht werden.

Der Grund liegt unter anderem an früheren Missbräuchen des Rechtsschutzes, etwa wie folgt: Ein nach Angebotsöffnung aussichtslos liegender ­Bieter verlangt vom erstgereihten Bieter eine Zahlung, sonst bekämpft er die Zuschlagsentscheidung wegen einer Rechtswidrigkeit der Ausschreibung (was zum Widerruf des Vergabeverfahrens führen könnte, sodass niemand einen Auftrag erhalten kann).

Welche sind gesondert anfechtbar?

Mit „Entscheidungen“ sind nach der Judikatur alle Festlegungen des Auftraggebers im Zuge des Vergabeverfahrens gemeint, die nach außen bekanntgegeben werden. Nicht alle sind gesondert anfechtbar. Im offenen Verfahren gibt es beispielsweise folgende gesondert anfechtbare Entscheidungen:

  • Die Ausschreibung;
  • sonstige Entscheidungen während der Angebotsfrist (z. B. Berichtigungen der Ausschreibung);
  • das Ausscheiden eines Angebots;
  • die Widerrufsentscheidung;
  • die Zuschlagsentscheidung.

Das bedeutet insbesondere zweierlei:

Erstens: Nicht genannte Entscheidungen des Auftraggebers können nicht gesondert angefochten werden. Der Bieter muss bis zur nächsten gesondert anfechtbaren Entscheidung warten, diese anfechten und dann auch die Rechtswidrigkeit der nicht gesondert anfechtbaren Entscheidung geltend machen.

Beispiel: Der Auftraggeber wirft einem Bieter in einem Nachforderungsschreiben nach Öffnung der Angebote Mängel im Angebot vor, ohne diese genau zu bezeichnen, und fordert den Bieter in bestimmter Frist auf, die Mängel zu beheben. Der Bieter weist darauf hin, dass der Auftraggeber die Mängel genau bezeichnen solle. Der Auftraggeber tut das nicht, sondern scheidet das Angebot nach Fristablauf aus. Das rechtswidrige Nachforderungsschreiben ist keine gesondert anfechtbare Entscheidung. Der Bieter muss die Ausscheidens­entscheidung abwarten und kann mit Anfechtung dieser dann die Rechtswidrigkeit vorbringen.

Zweitens: Nach Ablauf der Anfechtungsfrist gegen eine gesondert anfechtbare Entscheidung kann die Rechtswidrigkeit dieser sowie aller davor liegenden Entscheidungen nicht mehr geltend gemacht werden.

Die Anfechtungsfristen sind grundsätzlich zehn Tage ab Übermittlung bzw. Bereitstellung der Entscheidung; außer Teilnahme- und Ausschreibungsunterlagen, wenn die Teilnahme- bzw. Angebotsfrist mehr als 17 Tage beträgt, dann endet die Anfechtungsfrist bereits sieben Tage vor Ablauf der Teilnahme- bzw. Angebotsfrist. (Wobei aufgrund der Fristenberechnung acht Tage vom Ende dieser Frist abzuziehen sind. Beispiel: Wenn die Angebotsfrist am 10. 10. endet, endet die Anfechtungsfrist schon am 2. 10.)

Beispiel: Der Auftraggeber legt in der Ausschreibung diskriminierende technische Spezifikationen fest. Nach Ablauf der Anfechtungsfrist gegen die Ausschreibung – etwa erst mit einer Anfechtung gegen die Zuschlagsentscheidung – kann diese Rechtswidrigkeit nicht mehr geltend gemacht werden, die Ausschreibung wurde „bestandsfest“.

Gibt es Ausnahmen von dem System?

In sehr gravierenden Einzelfällen hat die Judikatur Ausnahmen gemacht, also zu bestimmten rechtswidrigen Entscheidungen ausgesprochen, dass diese nicht „bestandsfest“ werden können, sondern bis zur letzten gesondert anfechtbaren Entscheidung (Zuschlags­entscheidung) geltend gemacht werden können.

Solche Einzelfälle waren z. B. die Festlegung, dass das BVergG nicht anwendbar sei; oder die Fest­legung eines derart ungeeigneten Zuschlagssystems (also nicht bloß die Festlegung rechtswidriger – z. B. diskriminierender – Zuschlagskriterien), dass überhaupt nicht in nachvollziehbarer Weise ein Best­bieter ermittelt werden kann.

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